Black Friday Mit diesen simplen Tricks lassen sich Millionen von Retouren vermeiden

In Deutschland werden im Schnitt 16 Prozent aller Onlinebestellungen an die Händler zurückgeschickt.
Düsseldorf Am Black Friday ist auch dieses Jahr eine regelrechte Shoppingorgie zu erwarten: 4,9 Milliarden Euro wollen die Deutschen an diesem Tag ausgeben, 27 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Doch vielen Onlinehändlern droht damit zugleich eine Flut von Retouren. Werden doch im Schnitt 16 Prozent aller Onlinebestellungen an die Händler zurückgeschickt.
Das ist nicht nur schlecht für die Umwelt, sondern auch ein großer finanzieller Verlust für den Handel: Pro zurückgeschicktem Paket entstehen einem Händler durchschnittlich 19,51 Euro an Nebenkosten. Bei 315 Millionen Retouren im Jahr ist das eine Zusatzbelastung von mehr als sechs Milliarden Euro.
Dabei ließe sich ein großer Teil dieser Retouren mit simplen Tricks vermeiden. Dies zeigt ein Feldexperiment, das Forscher der Uni St. Gallen, des Beratungsunternehmens Elaboratum und des Tech-Start-ups Behamics mit 100.000 Kunden bei tatsächlichen Käufen in Webshops durchgeführt haben und dessen Ergebnisse dem Handelsblatt exklusiv vorliegen.
Das Fazit: „Entscheidungshilfen während des Kaufprozesses können hocheffektiv sein, um die Zahl der Retouren zu reduzieren“, sagt Philipp Spreer, Verhaltenspsychologe von Elaboratum. Mit einfachen verhaltenspsychologischen Interventionen während des Kaufprozesses könnten die Kunden zu einem bewussteren Einkaufen animiert werden und die Retouren so auf einen Schlag um vier Prozent gesenkt werden.
Was zunächst nach wenig klingt, hätte einen großen Effekt. Würden alle Händler diese Maßnahmen umsetzen, gäbe es jährlich fast 16 Millionen Rücksendungen weniger in Deutschland. Das entspricht CO2-Emissionen von 13.000 Tonnen. Um dies zu kompensieren, müssten 13 Millionen große Bäume gepflanzt werden.
Kunden wollen nicht bevormundet werden
Das Problem: „Alle Kunden sagen, sie wollen Retouren vermeiden, trotzdem schicken zwei Drittel von ihnen bestellte Artikel zurück“, beobachtet Experte Spreer. „Ihnen fehlt im entscheidenden Moment ein wirksamer Impuls, um ihre gute Absicht in eine Handlung umzusetzen.“
Genau das haben die Forscher in ihrem Experiment geändert. So bekamen beispielsweise Kunden, die einen Artikel vorsorglich in mehreren Größen bestellen wollten, einen Hinweis darauf, dass 83 Prozent der Kunden das nicht tun. Daraufhin haben viele noch einmal überprüft, ob die Mehrfachbestellung wirklich nötig ist – was die Retourenquote um fast fünf Prozent senkte.
„Besonders wirksam ist es, an soziale Normen zu appellieren“, bestätigt Spreer. Sehr wichtig sei die Formulierung: Die Kunden sollten sich nicht bevormundet fühlen, sondern der Händler sollte sie eher an ihre eigene Verantwortung erinnern.
Einen großen Effekt hatte es im Experiment auch, die Kunden darauf aufmerksam zu machen, wie viel Aufwand es für sie selbst bedeutet, ein Produkt zu retournieren. Haben Untersuchungen doch gezeigt, dass es Kunden im Schnitt 32 Minuten ihrer Zeit kostet, eine Bestellung zurückzusenden.
Trotz der hohen Effektivität bei geringem Aufwand arbeiten bisher erst relativ wenige Händler mit verhaltenspsychologischen Interventionen. Unternehmen wie Otto oder Modehändler wie Esprit oder Hirmer beispielsweise setzen diese Methoden bereits ein und haben damit gute Erfahrungen bei der Retourenvermeidung gemacht.
So senken Zalando, Otto und Amazon die Retourenquote
Untätig ist der Handel jedoch nicht. Viele Händler ergreifen die unterschiedlichsten Maßnahmen, um die Retourenquote zu senken.
Zalando beispielsweise beschäftigt ein eigenes „Sizing Team“. Das Team wertet die Begründungen von Kunden bei der Rücksendung ihrer Textilien und Schuhe aus. Außerdem probiert es neue Kollektionen und die Kleidung neuer Marken. Auf dieser Basis gibt es den Kunden Hinweise zur Passform und ob ein Produkt eher klein oder groß ausfällt.
Große Plattformen wie Amazon und Otto setzen auch stark auf den Austausch der Kunden untereinander und platzieren deshalb die Bewertungen prominent unter die Produkte. Bei Otto werden die Kundenbewertungen nicht bearbeitet oder kommentiert, selbst wenn sie extrem negativ sind – was für mehr Glaubwürdigkeit sorgt und sich auch positiv auf die Retourenquote ausgewirkt hat.
Ein wichtiges Mittel sind auch sorgfältige Produktbeschreibungen. Unter anderem dank ihres guten Contents, der Produktvideos und professionellen Produktübersetzungen hätten sie seit Jahrzehnten eine Retourenquote von unter zehn Prozent, erklärt Hans Thomann, Geschäftsführer des Musikhauses Thomann. „Darauf sind wir sehr stolz.“ Er beklagt aber auch, dass insgesamt das Bewusstsein bei vielen Händlern noch nicht ausgeprägt genug sei.
Viele Unternehmen haben wohl die Sorge, Ermahnungen während des Kaufprozesses würden die Kunden von Käufen abhalten und so den Umsatz senken. Doch dies ist nach Ansicht der Experten kurzsichtig. „Wer nur den Umsatz ohne Berücksichtigung der Retourenrate maximieren will, schadet sich langfristig selbst“, warnt Verhaltenspsychologe Spreer.
Verbot von kostenlosen Retouren gefordert
Zumal das Feldexperiment gezeigt habe, dass die Furcht vor Umsatzverlusten meist unbegründet ist. Im Gegenteil: „Diverse Interventionen in unserem Experiment haben sogar dafür gesorgt, dass der Umsatz gestiegen ist“, berichtet Spreer.
Einen besonders positiven Effekt auf den Umsatz hatte überraschenderweise die Erinnerung daran, welchen Aufwand eine Retoure für den Kunden selbst bedeutet. Im Experiment steigerte dies den Umsatz um mehr als neun Prozent.
Nach einer solchen Intervention gaben die Kunden im Schnitt 22,48 Euro aus. Die Kontrollgruppe ohne Intervention sorgte nur für einen Nettoumsatz von 20,59 Euro. Offenbar empfanden Kunden das als hilfreichen Hinweis, der sie in ihrer Kaufabsicht bestärkte. Möglicherweise haben Kunden auch vorsichtshalber ein höherwertiges Produkt gewählt, um sicher zu gehen, dass sie auch zufrieden sind. Zugleich sank dadurch die Retourenquote um 3,61 Prozent.
Doch trotz solcher Erfolge fordern einige Händler angesichts der Umweltschäden durch die Rücksendungen noch deutlich radikalere Maßnahmen. „Retouren sind für Onlinehändler und die Gesellschaft ein großes Problem, gegen das zu wenig getan wird“, schimpft Benjamin Sadler, Co-Gründer und Geschäftsführer des Unterwäschehändlers Erlich Textil.
„Es gibt unzählige neue unterstützende Ansätze – sie müssen nur gegangen werden“, mahnt der Onlinehändler. Er unterstütze deshalb ein gesetzliches Verbot von kostenlosen Retouren.
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