Deutsche Energiepool Gaspreisexplosion: Erster deutscher Versorger stellt den Gasvertrieb ein

Die Deutsche Energiepool stellt den Gas-Vertrieb ein.
Düsseldorf Der drastische Anstieg der Gaspreise zwingt nun auch in Deutschland einen ersten Versorger zur Aufgabe. Die DEP Deutsche Energiepool GmbH aus Niedersachsen teilte am Freitag mit, „die bundesweite Belieferung von Erdgas vollständig einzustellen“. Vielen Kunden wurden bereits die Lieferverträge gekündigt. Das Unternehmen will sich jetzt „auf Dienstleistungen im Energiesektor konzentrieren“.
In den letzten Monaten hätten sich die Beschaffungspreise für Erdgas und Strom am Terminmarkt rund verdreifacht, die Preise für kurzfristige Beschaffung rund verfünffacht, begründete das Unternehmen den drastischen Schritt: „Mit einer solch rasanten und nie da gewesenen Entwicklung hat kaum jemand im Energiemarkt gerechnet.“
Im August 2020 habe im Spotmarkt eine Megawattstunde Erdgas 4,80 Euro gekostet. Inzwischen würden Preise von 75,04 Euro erreicht. Ein Ende sei nicht absehbar.
Die Entwicklung am Spotmarkt gibt zwar Preisspitzen wieder, tatsächlich hat sich die Lage auf dem europäischen Gasmarkt in den vergangenen Monaten aber europaweit zugespitzt. Nach einem kalten Winter, in dem die Gasspeicher deutlich geleert wurden, blieb die Nachfrage nach Gas ungewöhnlich hoch. Zum einen zog die Weltwirtschaft nach der Corona-Pandemie deutlich schneller an als erwartet. Zum anderen erhöhte sich die Nachfrage nach Flüssigerdgas (LNG) aus Asien rasant.
Die Preise für die fossile Energiequelle steigen schon seit Januar ungewöhnlich stark. Im langjährigen Mittel kostet eine Megawattstunde (MWh) Erdgas normalerweise zwischen 15 und 20 Euro. Aktuell liegt der Preis jedoch bei 65 Euro pro MWh. Besonders angespannt ist die Situation in Großbritannien. Dort sind in diesem Jahr bereits sieben Energieunternehmen pleitegegangen.
Eon springt ein und beliefert die Kunden
Die betroffenen Kunden der Deutschen Energiepool werden aber auch weiterhin Gas bekommen. Der Energiekonzern Eon kündigte an, einzuspringen. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben in „weiten Teilen Deutschlands“ der zuständige Grund- und Ersatzversorger, der eine Belieferung sicherstellen muss – in der Regel allerdings zu höheren Preisen als sie die Billiganbieter im Internet verlangen.
Im Gegensatz zu den Billiganbietern kaufen die traditionellen Versorger nicht kurzfristig, sondern gestaffelt am Terminmarkt ein. „Wir kaufen die benötigten Energiemengen langfristig und vorausschauend ein, um genau solche Preisspitzen, wie wir sie derzeit erleben, im Sinne unserer Kunden zu vermeiden“, betonte Eon-Energie-Manager Christoph Müller.
Branchenexperten halten deshalb in Deutschland weitere Insolvenzen von Billiganbietern für möglich – nicht aber eine Insolvenzflut wie in Großbritannien. „In der Regel beginnt die Gasbeschaffung schon Jahre im Voraus, und die Kundenverträge, die heute in der Belieferung sind, sind schon lange beschafft“, sagt Experte Fabian Huneke vom Marktforschungsunternehmen Energy Brainpool. Weil Versorger und Stadtwerke ein „überwiegend gutes Risikomanagement“ betrieben, sollten sie die Krise deswegen einigermaßen gut überstehen.
Die Deutsche Energiepool betonte zwar, dass sie auch Terminmarktmengen beschafft habe, musste nach eigenen Angaben aber auch täglich Spotmengen hinzukaufen. Dadurch hätten sich die eigenen Beschaffungspreise rund verdreifacht. „Das ist ein Zustand, den wir aus kaufmännischer Sicht aufgrund wirtschaftlicher Unzumutbarkeit nicht mehr erhalten können“, erklärte das Unternehmen: „Wir sahen uns daher gezwungen, viele der geschlossenen Verträge zu kündigen.“
Bund sieht keinen Engpass
Der Bund erwartet nach jetzigem Stand dennoch keine Versorgungsengpässe in Deutschland: „Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist weiterhin hoch“, versicherte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums am Freitag. Die Gasspeicher in Deutschland mit einer Gesamtkapazität von 24,6 Milliarden Kubikmeter seien zu 64,69 Prozent gefüllt, dieser Prozentsatz steige wöchentlich. Im Vergleich etwa zu Großbritannien habe Deutschland 16-mal mehr Kapazitäten aufgebaut.
Auch die Betreiber der deutschen Gasspeicher selbst sehen die Lage entspannt. „Eine Gefahr für die Versorgungssicherheit besteht für die erste Winterhälfte derzeit nicht“, sagte Sebastian Bleschke, Vorsitzender der Initiative Erdgasspeicher (INES), zuletzt auf der Handelsblatt-Gastagung. In dem Verband sind gut 90 Prozent aller deutschen Erdgasspeicherunternehmen organisiert.
„Die aktuelle Situation ist zwar eine besondere, aber keine außergewöhnliche“, wiegelte ein Sprecher des Gasversorgers VNG auf Anfrage ab. Auch wenn die eigenen Speicher mit nur 73 Prozent deutlich leerer seien als in den Vorjahren, sollte eine sichere Versorgung gewährleistet sein. Ähnlich äußerte sich auch das norddeutsche Energieunternehmen EWE, bei dem die Füllstände ebenfalls noch deutlich unter 80 Prozent liegen. Die Speicher seien „angemessen“ gefüllt.
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