Abschied für Tui-Chef Frenzel: „Das ist keine Aktionärsversammlung, das ist ein Gefangenentreff“
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Abschied für Tui-Chef Frenzel„Das ist keine Aktionärsversammlung, das ist ein Gefangenentreff“
Mit dem schlechtesten Quartalsergebnis seit vier Jahren verabschiedet sich Michael Frenzel nach fast zwei Jahrzehnten von der Tui-Spitze. Aktionärsvertreter ziehen eine ungewöhnlich harte Bilanz seiner Regentschaft.
Hannover Als Michael Frenzel sein Amt antrat, war Helmut Kohl noch Bundeskanzler, Lothar Matthäus Kapitän der Nationalmannschaft und sein Unternehmen, der Mischkonzern Preussag, verdiente sein Geld überwiegend mit Bergbau und Stahl. In seinen 19 Jahren an der Spitze hat der Ex-Banker den Konzern zum mächtigen Touristik-Riesen umgebaut. Heute tritt der dienstälteste Vorstandschef eines börsennotierten Großunternehmens in Deutschland ab und übergibt den Chefsessel an den früheren Vodafone-Deutschland-Chef Friedrich Joussen. Sein Abschied auf der heutigen Hauptversammlung in Hannover ist ein trauriger.
So stand im vergangenen Quartal unter dem Strich für die Tui-Aktionäre ein Verlust von 137 Millionen Euro nach 88 Millionen Euro Verlust im Vorjahreszeitraum - das schlechteste Quartalsergebnis seit vier Jahren. Nach knapp zwei Jahrzehnten an der Tui-Spitze verabschiedet sich Frenzel mit größeren Verlusten aus dem Amt. Vor allem Tourismustochter Tui Travel legt erneut schlechte Zahlen vor und auch die Reederei Hapag-Lloyd schreibt rote Zahlen. Und das obwohl der Umsatz um gut ein Prozent auf 3,5 Milliarden Euro zulegen konnte. Nachdem der Konzern ein Jahr zuvor von Zinseinnahmen aus der Rettung der Container-Reederei Hapag-Lloyd und einem positiven Steuereffekt profitiert hatte, zog diesmal eine veränderte Bilanzierung von Leerflügen bei der Veranstaltertochter Tui Travel das Ergebnis nach unten.
Marken des TUI-Konzerns
1-2-Fly
Dr. Tigges
L'Tur
Robinson
airtours
FOX Tours
Magic Life
Sensimar
Aqi
Gebeco
OFT Reisen
Sol y Mar
Berge & Meer
Grecotel
Puravida
TUI Best Family
Discount Travel
Grupotel
Reiseleicht
Viverde
Dorfhotel
Iberotel
Riu
Wolter Reisen
Aber auch Frenzel ist an den neuerlichen Verlusten nicht unschuldig. Desöfteren steuerte er in den vergangenen Jahren um - ein Kurs, den ihm Kritiker bis heute vorwerfen. Mindestens 100 Unternehmen wurden unter seiner Führung ge- und verkauft. Um das Risiko auf dem sehr volatilen Reisemarkt abzufedern, hatte Frenzel beispielsweise einst das Schifffahrtsgeschäft von Hapag-Lloyd übernommen. Doch die Frachtströme auf den Weltmeeren erwiesen sich als ähnlich unberechenbar sind wie das Buchungsverhalten von Urlaubern. Tui baute den Anteil über die Jahre wieder ab. Heute hält die Tui noch 22 Prozent an Hapag-Lloyd und will ganz aussteigen.
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Der Kreuzfahrtkonzern ist nicht nur der größte Arbeitgeber Mecklenburg-Vorpommerns, sondern auch einer der größten deutschen Reisekonzern. Zur Flotte des Unternehmens gehören derzeit zehn Kreuzfahrtschiffe.
Alltours - 1,4 Milliarden Euro Umsatz
Aus einem kleinen Reisebüro in Kleve hat Willi Verhuven einen der größten deutschen Reisekonzerne geformt. Heute sitzt die Firma in Duisburg.
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Durch Condor gehört das Reiseunternehmen aus London auch in Deutschland zu den größten Reiseveranstaltern.
Tui Deutschland - 4,47 Milliarden Euro Umsatz
Kein Touristikkonzern ist breiter aufgestellt als die Tui. Allein in Europa betreiben die Hannoveraner 3500 Reisebüros.
Andere wichtige Zukunftsprojekte wie den Ausbau der Internet-Sparte hat das Unternehmen nach Ansicht von Beobachtern in dieser Zeit verpasst. Nach 19 Jahren Regentschaft des ebenso umstrittenen wie bewunderten Manager-Urgesteins sehnt sich darum manch ein Anleger nach einem klaren Schnitt in Hannover. Sie übten teilweise scharfe Kritik.
„Das hier ist keine Aktionärsversammlung, das ist ein Gefangenentreff“, klagte Alexander von Vietinghoff-Scheel von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Seit Jahren seien die Anteilseigner gefangen in einem dividendenlosen Papier - während Vorstand und Aufsichtsrat ihre Vergütung munter heraufsetzten.
„Die Ära Frenzel war eine Regentschaft des Niedergangs“, resümierte Ingo Speich von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Seine Rede geriet am Mittwoch zur knallharten Abrechnung. Obwohl sich der Leitindex Dax seit Frenzels Amtsantritt 1994 mehr als verdreifacht habe, habe sich die Tui-Aktie in der Zeit inklusive aller Dividendenzahlungen nicht bewegt.
Speich, der die Interessen von gut vier Millionen Anlegern vertritt, nannte Frenzel einen Konzernlenker ohne Fortune, der „über zwei Jahrzehnte wie ein absolutistischer Herrscher zum Nachteil der Aktionäre schalten und walten konnte.“ Dem Nachfolger hinterlasse er kein bestelltes Haus, sondern eine riesige Baustelle. „Sie wollen jetzt aufräumen, das finden wir gut!“, rief er Joussen zu.
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