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Bauboom bei Luxushotels Krieg der Sterne

Die Luxusklasse der deutschen Hotellerie erlebt einen neuen Bauboom. Das Gefährliche: Es sind keineswegs die Buchungszahlen, die Neueröffnungen treiben. Experten erwarten einen Verdrängungskampf im oberen Segment.
27.12.2017 - 19:57 Uhr Kommentieren
In Deutschlands Luxushotels sind die Zimmerraten vergleichsweise niedrig und die Betriebskosten hoch. Quelle: Malte Jaeger/laif

In Deutschlands Luxushotels sind die Zimmerraten vergleichsweise niedrig und die Betriebskosten hoch.

(Foto: Malte Jaeger/laif)

Düsseldorf Punkt 9.15 Uhr sammeln sich die 163 Mitarbeiter des Breidenbacher Hofs allmorgendlich zum Gebet. Es steht allerdings nicht das Vaterunser auf dem Programm, sondern jeweils eine der 24 hoteleigenen Serviceregeln. „Am Anfang habe ich das für eine Gehirnwäsche gehalten“, sagt eine Mitarbeiterin des Düsseldorfer Luxushotels. „Später merkte ich, wie gut sich die anspruchsvollen Leitsätze damit beim Personal einprägen.“

Wer in Deutschlands High-End-Hotellerie bestehen will, muss sich Ungewöhnliches einfallen lassen. Der Grund: In der Fünf-Sterne-Klasse herrscht meistenteils Trübsal. Wo Portiers den Gästen die Türen aufhalten, penibel gepflegte Wellnessoasen Rosenölduft verströmen und Suiten gern die Größe ganzer Ferienhäuser annehmen, stiegen 2016 deutschlandweit die Preise gerade einmal um 0,7 Prozent. Schon für 159 Euro pro Nacht war ein durchschnittliches Fünf-Sterne-Zimmer zu haben – nur 60 Euro mehr, als etwa der Standort Berlin-Upper West der Kette Motel One, die sich selbst als Low Budget bezeichnet, zu Normalzeiten verlangt.

Zugleich ging, während in allen übrigen Hotelklassen die Übernachtungsmöglichkeiten knapper wurden, die Auslastung der Nobelherbergen um 1,1 Prozent zurück. Der Ertrag pro verfügbarem ‧Luxuszimmer fiel somit um 0,3 Prozent, in der Gesamtbranche legte er 4,4 Prozent zu.

Zehn seiner neuen Mitarbeiter hat der Chef des Breidenbacher Hofs, Cyrus Heydarian, an diesem Morgen eine Etagere mit Croissants und Nussecken in ein kleines Konferenzzimmer gestellt. Auch an diversen Heißgetränken, für die er edles Rosenthal-Porzellan aufgefahren hat, dürfen sie sich bedienen. Eine Obstschale steht ebenso bereit. „Wir sind nicht die Diener unserer Gäste, wir bewegen uns auf ihrer Augenhöhe“, schärft er der Belegschaft ein. Dennoch verlangt der Hotelchef Höchstleistung. Wünsche der üblicherweise betuchten Klientel seien minutengenau zu erfüllen, offenbart er den Neuankömmlingen. Selbst wenn es um ein Candle-Light-Dinner um zwei Uhr nachts geht. 

Heydarians Mannschaft weiß: Das von der Capella Hotel Group 2008 wiedereröffnete Haus, dessen Vorgängerbau vor mehr als 200 Jahren an der Prachtmeile Königsallee aufmachte, gilt in der Fünf-Sterne-Klasse als Ausnahme. Das Onlinebewertungsportal Tripadvisor kürte das Haus 2017 zum besten Luxushotel Deutschlands. 2016 glänzte es mit einem Umsatzzuwachs von elf Prozent. Schon bei der Durchschnitts-Zimmerrate von netto 388 Euro lag es doppelt so hoch wie der Branchenschnitt, für die Royal Suite gehen schon einmal gut 14.000 Euro pro Nacht über den Empfangstisch.

Dass es so bleibt, ist keineswegs sicher. Längst sorgen Nachahmer dafür, dass der Bauboom in der Edel-Hotellerie nicht aufhören will. Allein zwischen 2017 und 2019, ermittelte die Marktforschungsfirma Tophotelprojects, gehen hierzulande voraussichtlich 17 Luxusbauten neu ins Rennen. Die Zahl der Zimmer und Suiten erhöht das um 6,5 Prozent.

Das Gefährliche daran: Es sind keineswegs die Übernachtungsgäste, deren Buchungszahlen die Neueröffnungen treiben. Sondern die niedrigen Zinsen und der hohe Kapitalzufluss aus dem Ausland. „Es ist eine Marktverdrängung im oberen Marktsegment zu erwarten“, warnte der deutsche Hotelverband IHA zuletzt in einer Studie.

Den aus sieben Ländern stammenden Neulingen im Breidenbacher Hof sind solche Sorgen fremd. Wohl auch, weil sie selbst vom Wettbewerb profitieren. „Jeder zehnte Gast, dem ihr beim Einchecken ein Zimmer-Upgrade anbietet, nimmt dies gerne an!“, ruft ihnen ihr Chef in dem fensterlosen Besprechungsraum zu. Acht Prozent Prämie lobt er als Ansporn aus.

Fachkräftemangel hat die Branche im Griff

Die meisten Investoren aus dem Luxushotel-Gewerbe zieht es allerdings derzeit nicht nach Düsseldorf, sondern nach Berlin. Dort folgte den Nobelherbergen „Titanic deluxe“ und „Das Stue“ in diesem August das „Orania“, ein in Kreuzberg angesiedelter Ableger von Schloss Elmau, einem Luxus-Wellnesshotel in den bayerischen Alpen.

Der Andrang ist derart erdrückend, dass er in der Bundeshauptstadt erstmals auf massiven Widerstand der Bevölkerung traf. In Sorge um den Ausverkauf ihres Viertels versuchten Kiezbewohner, das „Orania“ zu stoppen. Am Ende verhinderten ihre lautstarken Proteste zwar nicht, dass aus dem ehemaligen Kaufhaus das 28. Fünf-Sterne-Hotel an der Spree wurde. Ende Oktober meldete das Nobelhotel jedoch 17 eingeschlagene Fensterscheiben.

Aber nicht nur Berlin überzieht der Luxus. An Münchens Landsberger Straße öffnete der US-Konzern Marriott vor wenigen Wochen die Pforten des „Roomers“, einer kostspieligen Lifestyle-Marke mit 280 Zimmern. Schon ab nächstem Frühjahr wird ihr das „Andaz by Hyatt“ im benachbarten Schwabing mit fast ebenso vielen Übernachtungsgelegenheiten Konkurrenz machen.

2016 steigerte das Hotel den Umsatz um elf Prozent – und gilt so in der Fünf-Sterne-Klasse als Ausnahme. Quelle: Hasselkus
Breidenbacher Hof in Düsseldorf

2016 steigerte das Hotel den Umsatz um elf Prozent – und gilt so in der Fünf-Sterne-Klasse als Ausnahme.

(Foto: Hasselkus)

Einen noch größeren Wettstreit gibt es in Hamburg. Dem im Juni eröffneten „Sir Nikolai“ soll im kommenden Januar das „The Fontenay“ an der Außenalster folgen, das der 80-jährige Investor Klaus-Michael Kühne mit 131 Zimmern und Suiten zu Deutschlands bestem Hotel machen will. Im Sommer darauf folgt am Hamburger Rödingsmarkt das Luxushotel „Fraser Suites“ mit 154 Zimmern, im September dann das „Fleming’s Deluxe“ nahe der Elbphilharmonie. Dort lockt schon seit einem Jahr das „Westin“ zahlungskräftige Gäste – auch wenn der Ableger von Marriott an der Elbe auf eine Sterne-Klassifizierung verzichtet.

Beim Coaching der Neuen im Breidenbacher Hof hat unterdessen Hausdame Eliette Machold, eine in dunkler Unauffälligkeit gekleidete Housekeeping-Managerin mit Pagenschnitt, das Kommando übernommen. „Unterbrechen Sie jede Aktivität, die Sie ausführen, wenn sich ein Gast innerhalb eines Umkreises von drei Metern befindet“, trichtert sie ihren zehn jungen Mitarbeitern ein. Sie will, dass sich Hotelgäste beachtet fühlen, schon Portier und Concierge grüßen üblicherweise Anreisende im Breidenbacher Hof mit Namen.

Üppige Betriebskosten in Deutschland

Ob Macholds Seminaristen die Begründung auf Anhieb verstehen, ist nicht ausgemacht. Die Neuen stammen aus sieben Ländern, nicht jeder von ihnen spricht fließend Deutsch.

Der Fachkräftemangel hat die Branche voll im Griff, was kaum verwundert. Verdient wird in Deutschlands Hotellerie, vergleicht man sie mit anderen Branchen, nur wenig. 1901 Euro Durchschnittlohn gibt es monatlich brutto für einen ‧Rezeptionisten, errechnete das Onlineportal Gehaltsvergleich.com, 1.877 Euro für Hotelfachleute.

Doch auch der Verdienst der Betreiber ist vergleichsweise bescheiden. In Metropolen wie New York, London, Paris, Tokio oder Rom kostete das Luxuszimmer 2016 im Durchschnitt zwischen 368 und 376 Dollar, wie der Hotel Price Index (HPI) ermittelte. In München, Deutschlands teuerster Metropole, war die Fünf-Sterne-Nacht dagegen im Schnitt schon für 286 Dollar zu haben, in Berlin sogar für 169 Dollar.

„Sollten die Zahlen nicht mehr stimmen, bin ich der Erste, der gehen muss.“ Quelle: Julia Vogel und Rudolf Wichert für Handelsblatt
Cyrus Heydarian, Chef des Breidenbacher Hofs

„Sollten die Zahlen nicht mehr stimmen, bin ich der Erste, der gehen muss.“

(Foto: Julia Vogel und Rudolf Wichert für Handelsblatt)

„Deutschland ist ein schwieriges Pflaster“, bestätigt Frank Marrenbach, Chef des Hotelbetreibers Oetker Collection. Um die Rendite zu stabilisieren, hat der Ableger des Bielefelder Pudding- und Pizzaherstellers sein nobles Baden-Badener „Brenners Park-Hotel & Spa“ mit acht weiteren Luxushäusern im Ausland nach und nach ergänzt.

Schuld an der Misere sind neben den niedrigen Zimmerraten die üppigen Betriebskosten in Deutschland. „Viele Hotels in Asien etwa zahlen ihren unteren Bediensteten einen Hungerlohn“, sagt ein deutscher Hotelier. „Unsere Personalkosten sind dagegen weltweit die höchsten.“ Für das Fünf-Sterne-Gewerbe ist das eine schwere Bürde. Setzt ein Haus auf umfangreiche Gastronomie, hat es bis zu 35 Prozent der Einnahmen für die Belegschaft aufzuwenden. Ein Grund, weshalb die Gewinnmarge, vergleicht man sie mit der von Billiganbietern wie Motel One oder B&B Hotels, bescheiden bleibt.

Kunden aus Russland, China und dem Persischen Golf

Zahlen aus dem Betriebsvergleich der Beratungsfirma Treugast belegen das. Vor Abzug von Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Mieten, so der Befund, blieben der Budget-Hotellerie 2016 im Schnitt 40 Prozent vom Umsatz. Fünf-Sterne-Betreiber mussten sich mit 25 Prozent zufriedengeben.

Vor allem Einzelkämpfer, also Privathotels, die es ohne die Anbindung an eine internationale Kette im Luxussegment versuchen, haben es schwer. Der „Bayerische Hof“ in München, seit mehr als 100 Jahren im Besitz der Familie Volkhardt, verlor letztes Jahr 5,6 Prozent an Umsatz. Das mit opulentem Design in Bonn gestartete „Kameha Grand“ wies 2014 – neuere Zahlen fehlen – rote Zahlen und ein negatives Eigenkapital aus. Vor wenigen Wochen erklärte Gründer Carsten Rath, 51, seinen endgültigen Ausstieg aus der Hotelfirma.

Auch das Grand Hotel Heiligendamm, an der Ostsee nach der Wende auf alten Kaiser-Glanz poliert, tat sich lange schwer. Dem Ausstieg des Betreibers Kempinski folgte drei Jahre später 2012 die Insolvenz. Aufkäufer Paul Morzynski gelang es zwar, die Zimmerauslastung von 44 auf 56,1 Prozent zu heben. Vom Branchendurchschnitt ist das aber noch weit entfernt.

Selbst für Hamburgs „The Fontenay“, ebenfalls ein Solitär, sind die Ertragschancen fraglich – zumal die Baukosten ungeplant in die Höhe schossen. „Seien wir ehrlich“, sagte Investor Kühne neulich dem Handelsblatt, „am Ende sind das Liebhaberprojekte. Das leisten wir uns.“

Im Breidenbacher Hof will man sich auf solchen Großmut der Investoren nicht verlassen. „Sollten die Zahlen nicht mehr stimmen, bin ich der Erste, der gehen muss“, weiß Heydarian. Erst vor wenigen Tagen gab es einen Wechsel im Gesellschafterkreis seines Arbeitgebers. Die Haupteigentümer sitzen nun in Singapur, und auch sie fordern üppige Renditen.

Damit die weiterhin fließen, akquirieren die Düsseldorfer längst auch zahlungskräftige Kunden in Russland, am Persischen Golf und in China. 1,1 Millionen Euro gingen letztes Jahr für solche Werbeaktionen drauf – ein enormes Budget angesichts von 15,2 Millionen Euro Umsatz.

„Wer in der Luxushotellerie hohe Raten und Renditen erzielen will“, bestätigt Treugast-Chef Michael Lidl, „braucht einen hohen Anteil internationaler Gäste.“ Zum Leidwesen deutscher Privathotels punkten hier allerdings Hotelmarken, die betuchte Kunden schon aus ihrer Heimat schätzen. Fast neidisch schauen die Düsseldorfer etwa auf das Münchener „Mandarin Oriental“, dessen Mutterkonzern weltweit 41 Luxushäuser in 27 Ländern betreibt. Der Prachtbau nahe dem Hofbräuhaus zählt nicht nur zu den fünf besten Hotels Deutschlands. Er ist mit einer Durchschnittsrate von rund 800 Euro auch der teuerste.

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