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Börsengang Milliarden-IPO von Tech-Firma Darktrace soll Standort London stärken

Das britische KI-Einhorn will unter der Führung von Poppy Gustafsson an die Börse. Betrugsvorwürfe gegen den größten Investor belasten das Vorhaben.
12.04.2021 - 16:41 Uhr Kommentieren
Die Mitgründerin der britischen KI-Firma sieht den Börsengang als „historischen Tag“ für den Tech-Sektor.
Poppy Gustafsson

Die Mitgründerin der britischen KI-Firma sieht den Börsengang als „historischen Tag“ für den Tech-Sektor.

London In der britischen Tech-Szene ist Poppy Gustafsson seit Langem ein Star. Auf keiner Rangliste der Branche fehlt ihr Name: Vergangenes Jahr bekam die Mitgründerin der IT-Firma Darktrace den „Women of the Year Award“ im Bereich Innovation. Die Queen verlieh ihr einen Orden für Verdienste um Cybersicherheit.

Nun sucht die 38-Jährige auch die Anerkennung der Anleger. Darktrace strebe einen Börsengang an der London Stock Exchange an, teilte die Cybersicherheitsfirma am Montag mit. Mindestens 20 Prozent Streubesitz sind geplant. Berichten zufolge hofft die Gründerin auf eine Bewertung von drei Milliarden Pfund. Ein Börsengang wäre ein „historischer Tag für den blühenden britischen Tech-Sektor“, sagte Gustafsson.

Die im englischen Cambridge und in San Francisco angesiedelte Firma ist ein Pionier auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz. Das Hauptprodukt ist das „Enterprise Immune System“, ein selbstlernender Algorithmus, der ungewöhnliche Vorfälle in Firmennetzwerken erkennt und diese meldet oder automatisch neutralisiert.

Das Produkt wird als Box beim Kunden installiert oder in die Cloud der Firma gespielt. Dort lernt die Software binnen weniger Wochen, was in dem Netzwerk normal ist und was nicht. Anomalien werden gleich bekämpft – wie im menschlichen Immunsystem.

Darktrace wird gern als Beispiel für die Stärken des britischen Tech-Sektors herangezogen. Die Idee hatten ehemalige Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes MI5 und des Abhördienstes GCHQ, die sahen, wie hilflos Firmen oft auf Cyberangriffe reagierten. Sie taten sich mit KI-Forschern der Universität Cambridge zusammen und gründeten die Firma im Jahr 2013.

Die Mathematikerin und Wirtschaftsprüferin Gustafsson stieß zu dem Kreis, weil sie einige der Beteiligten kannte. Zuvor hatte sie unter anderem für den Risikokapitalgeber Amadeus Capital von Hermann Hauser gearbeitet, dem Mitgründer des britischen Chipherstellers ARM. Die Erfahrung weckte ihre Lust, selbst bei einem Start-up mitzumachen.

Umstrittener Investor

Die kreativen Köpfe hinter Darktrace sind andere, Gustafsson selbst war von Anfang an eher Managerin, erst als Finanzchefin, dann als Chief Operating Officer. Seit 2016 ist sie CEO. Zunächst bildete sie mit der US-Amerikanerin Nicole Eagan eine Doppelspitze, doch Eagan ist kürzlich zur Strategiechefin degradiert worden.

Wenn nicht gerade Corona-Lockdown ist, pendelt Gustafsson zwischen der Londoner Verwaltungszentrale am Trafalgar Square und dem Firmensitz in Cambridge, wo die Programmierer sitzen. Zu Hause in Cambridge fährt die zweifache Mutter mit ihrem gelben Motorroller zur Arbeit.

Kapital und Geschäftswissen für Darktrace lieferte anfangs Milliardär Mike Lynch, auch bekannt als „Bill Gates von Großbritannien“. Lynch hatte die einst größte britische Softwarefirma Autonomy gegründet und sie 2011 für elf Milliarden Pfund an den US-Konzern Hewlett-Packard verkauft.

Lynch muss sich inzwischen wegen Betrugs vor Gericht verantworten, weil er Autonomys Bilanzen frisiert und von HP einen überhöhten Preis verlangt haben soll. Er bestreitet sämtliche Vorwürfe und kämpft gegen die Auslieferung in die USA.

Wegen des Prozesses hatte er sich bereits 2018 aus dem Darktrace-Aufsichtsrat zurückgezogen. Mit seiner Beteiligungsfirma Invoke Capital ist er aber weiterhin der größte Investor, beide Unternehmen sitzen in London auf derselben Büroetage. Es gibt zudem zahlreiche personelle Querverbindungen, so zählte Gustafssons frühere Co-Chefin Eagan zu den Mitgründern Invokes.

Hohes Wachstum in Nordamerika

Die Verbindung zu Lynch wirft einen Schatten auf Darktrace. Sie ist Berichten zufolge der Grund, warum keine Großbank bei dem Börsengang dabei ist. Stattdessen wird das IPO von den kleineren Instituten Jefferies und Berenberg sowie der Private-Equity-Firma KKR begleitet, die wiederum auch Darktrace-Investor ist. Gustafsson sagte der „Financial Times“, Lynch habe mit dem operativen Geschäft von Darktrace nichts zu tun.

Ein Börsenprospekt wurde noch nicht veröffentlicht. Der Absichtserklärung vom Montag zufolge machte das Unternehmen in der ersten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres einen Umsatz von 126,5 Millionen Dollar – ein Plus von 39 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. Zugleich verdoppelte sich der Vorsteuerverlust auf 47,9 Millionen Dollar, vor allem wegen höherer Finanzierungskosten.

Die Firma hat 4700 Kunden in hundert Ländern. Nordamerika und Europa machen je knapp 40 Prozent des Umsatzes aus. Gustafsson erwartet, dass der Umsatz in Nordamerika schneller wächst als in den anderen Regionen. Deshalb will sie dort weitere Vertriebskräfte einstellen.

Nahezu der gesamte Umsatz wird im Direktvertrieb durch Software-Abos generiert. Weltweit beschäftigt Darktrace 1500 Mitarbeiter. Entwickelt wird die Software hauptsächlich in Cambridge. Die Firma hebt dies als Kostenvorteil hervor, weil die Personalkosten geringer seien als im Silicon Valley.

Im Branchenjargon wird die Aktivität von Darktrace als Netzwerkverkehrsanalyse bezeichnet. Im Vergleich zum deutlich größeren Firewall-Markt ist es noch eine Nische. Doch schätzt Darktrace das Umsatzpotenzial auf 40 Milliarden Dollar.

Deliveroo-Desaster dominiert

Ein erfolgreiches IPO der Firma wäre auch eine Rehabilitierung des Börsenstandorts London. Dort waren zuletzt Selbstzweifel aufgekommen, nachdem der Lieferdienst Deliveroo vor Ostern „den schlechtesten Börsengang der Geschichte“ hingelegt hatte, wie in Finanzkreisen geklagt wird. Die Aktie war am ersten Tag um 26 Prozent eingebrochen und ist seither weiter gefallen.

Die Banken Goldman Sachs und JP Morgan hatten den Ausgabepreis offenbar zu hoch angesetzt. Außerdem hatten führende britische Vermögensverwalter wie Aberdeen Standard und LGIM den Börsengang boykottiert, um ein Zeichen gegen die Aktienstruktur zu setzen, die Deliveroo-Gründer Will Shu weitgehende Kontrolle sicherte.

Von dem Deliveroo-Debakel will Gustafsson sich nicht abschrecken lassen. Um eine ähnliche Erfahrung zu vermeiden, ist die angepeilte Bewertung von drei Milliarden Pfund eher konservativ. In der Vergangenheit war auch schon von bis zu fünf Milliarden die Rede gewesen.

Auch der britische Finanzminister Rishi Sunak wird Darktrace die Daumen drücken. Er will London zum führenden Standort für Tech-Börsengänge machen und braucht nach der Deliveroo-Blamage dringend eine Erfolgsgeschichte. Gustafsson hatte aus ihrer Präferenz für London nie ein Geheimnis gemacht. Der „Times“ sagte sie vergangenes Jahr: „Ich will diese Glocke läuten.“ Bald hat sie ihr Ziel erreicht.

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