Cornelius Baur McKinsey-Deutschlandchef: „Unternehmen sollten sich nicht einigeln“

Der Manager leitet seit 2014 das Deutschlandgeschäft von McKinsey & Co.
Düsseldorf Cornelius Baur ist Deutschlandchef von McKinsey, dem Marktführer unter den deutschen Beratungsgesellschaften. Der 57-Jährige fürchtet, dass die Staatshilfen für die Firmen aus bürokratischen Gründen zu spät ankommen, und erwartet, dass das Rad der Globalisierung weiter zurückgedreht wird. Baur rät Managern zu intensiver Kommunikation, vor allem mit den Kunden.
Lesen Sie hier das komplette Interview:
Herr Baur, wie erleben Sie die aktuelle Coronakrise?
Als radikalsten Einschnitt, den ich in meinem Berufsleben gesehen habe. Weitgehend von zuhause aus zu arbeiten war bisher weder für mein Naturell noch meine Rolle als Berater etwas Gewohntes. Insofern lerne ich auch in diesen schwierigen Zeiten noch etwas hinzu.
Wie kommen Sie bei McKinsey mit der aktuellen Herausforderung klar?
Für uns gilt wie für alle: Wir müssen raus zu den Kunden und verstecken uns nicht. Die Zusammenarbeit mit den Klienten etwa über Videokonferenzen läuft gut. Wir haben schon vor Corona interne Präsenzmeetings stark zurückgefahren und kommunizieren stärker digital. Deswegen waren auf die aktuelle Lage gut vorbereitet.
Momentan werden Erinnerungen an die Finanzkrise 2009 wach. Ist die Situation für die Wirtschaft vergleichbar?
Corona ist deutlich schlimmer. Damals ging die Krise nur von der Finanzbranche aus, und die Instrumentarien zur Bekämpfung waren schnell klar und eingrenzbar. Jetzt stehen wir vor einer humanitären Herausforderung und einer umfassenden Krise der Realwirtschaft, deren Folgen noch überhaupt nicht abschätzbar sind.
Von welcher konjunkturellen Entwicklung gehen Sie Stand heute aus?
Wir denken in verschiedenen Szenarien: von der schnellen Erholung der Konjunktur nach dem scharfen Einbruch, also der V-Form, über die „Badewanne“ mit einem längeren Nachfrageausfall bis hin zu einem richtigen Nachfrageschock. Ich hoffe, dass es nur eine kurze globale Rezession gibt
Was raten Sie den Unternehmen in der aktuellen Situation?
Jeder CEO muss derzeit persönlich ein Corona-Response-Team führen, das Strategien entwickelt, wie die Mitarbeiter und das Unternehmen geschützt werden können. Die Firmen müssen finanzielle Stresstests für verschiedene Szenarien machen, wie lange etwa die Liquidität gesichert werden kann. Und sie dürfen sich jetzt auf keinen Fall einigeln.
Also ist starke Kommunikation gefragt?
Die CEOs müssen engen Kontakt zu den Kunden halten. Klarmachen, dass sie während der Krise und vor allem danach für sie da sind. Dass man gemeinsam nach pragmatischen Lösungen sucht, dass Lieferant und Abnehmer in einem Boot sitzen. Jetzt können sie Beziehungen vertiefen wie selten sonst.
Bekommen Sie mehr Aufträge für Sanierung und Restrukturierung?
Wir spüren keinen Einbruch der Nachfrage, nur der Themenmix der Beratung ändert sich. Es gibt zwar Projekte bei den Klienten, die verschoben werden, weil sie nicht zeitkritisch sind. Es kommen aber andere Themen durch Corona hinzu, die der Sicherung von Liquidität und Existenz dienen.
Was können angeschlagene Firmen tun?
Es ist wichtig, dass die Unternehmen nicht in die Insolvenz schlittern. Sie haben ja nicht wegen Corona ihr Geschäftsmodell verloren. Um diese Zeit durchzustehen, brauchen sie ein gutes Krisenmanagement. Viele werden es aber nicht ohne staatliche Hilfen schaffen, wie etwa Kurzarbeitergeld oder Staatsbürgschaften.
Reicht es aus, was die Bundesregierung zugesichert hat?
Das am Montag beschlossene Rettungspaket der Bundesregierung ist ein richtiger Schritt. Entscheidend ist nun, wie schnell diese Hilfe bei den Unternehmen ankommt. Viele sind auf umgehende Hilfe angewiesen, damit sie überhaupt liquide bleiben. Und wir haben über die vorher beschlossenen Maßnahmen erste Signale gehört, dass die Hilfe zu langsam und zögerlich bei Unternehmen ankommt. Wir brauchen dringend eine Entbürokratisierung.
Wie groß ist die Gefahr, dass Firmen im Schockmoment verharren?
Die Unternehmen sollten auf keinen Fall nur tief in den Graben blicken, sondern auch darüber nachdenken, was sie nach dem Ende der Krise besser machen können. Der aktuelle Schock bietet auch die Chance zu Veränderungen.
Daran kann doch momentan keiner denken.
Es mag schwierig klingen, aber wir sehen bereits, dass viele Firmen nun den Kopf heben und sich fragen, wie sie aus der Krise gestärkt herausgehen können. Die aktuelle Situation wird die Digitalisierung nochmals beschleunigen. Arbeit zuhause per Video und sozialen Firmennetzen, Einkäufe online, Banking online – die Menschen lernen, dass es geht. Ohne die Krise wäre das nicht so schnell gegangen. Wenn ein Unternehmen hier in seiner internen Aufstellung und mit seinen Angeboten am Markt führend ist, hängt es Wettbewerber ab. Einfach gesagt: Wer sich radikal auf die Krise einstellt, ist auch besser für die Zeit danach gerüstet.
Eine Rezession bringt stets dauerhafte Veränderungen in der Wirtschaft mit sich. Was erwarten Sie da?
Wir lernen durch die aktuellen Erfahrungen extrem viel. Nicht nur das mobile, digitale Arbeiten: Viele Firmen erfahren auch, dass eine vermeintlich sichere Lieferkette nicht sicher ist. Diese Ketten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten global immer mehr verzweigt, es ist eine riesige Vielfalt unüberschaubarer Sub-Zulieferbeziehungen entstanden. Dieses Rad wird an vielen Stellen zurückgedreht, weil die Risiken nun knallhart deutlich werden.
Wird auch die Globalisierung insgesamt zurückgedreht?
Das war ja schon vor Corona zu beobachten. Ich gehe davon aus, dass die aktuelle Krise die Tendenz zur Regionalisierung noch verstärken wird.
Herr Baur, vielen Dank für das Interview.
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