Corona-Pandemie Wie die Mietwagenfirma Sunny Cars sich mit Luftfiltern aus der Krise kämpft

Der Autovermieter setzt auf ein neues Standbein.
Düsseldorf Wer als Tourist einen Mietwagen bei Europcar, Avis, Hertz & Co. bucht, schließt dabei meist auch unbemerkt einen Vertrag mit der Münchener Firma Sunny Cars. Der Zwischenhändler sichert sich in den Urlaubsregionen Mietwagen-Kontingente. Die Vermietungskonzerne überlassen Sunny Cars gern das kleinteilige Reservierungsgeschäft aus Reisebüros oder Onlineportalen wie Check24, um sich um das lukrativere Geschäftskunden-Business zu kümmern.
Lange lief das Geschäft für den Stuttgarter Kai Sannwald wie geschmiert. Vor mehr als 30 Jahren hatte er den bis zur Coronakrise rasant wachsenden Broker gegründet. 2019 vermittelte Sunny Cars mehr als 830.000 Fahrzeuge und lag so vor dem Erzrivalen Auto Europe Deutschland – bis kurz danach der Absturz in der Corona-Pandemie folgte.
An manchen Tagen im März 2020 bekam das Unternehmen mehr als 10.000 Stornierungen, weil Urlauber aus Furcht vor Infektionen von ihren Reisen zurücktraten. Zum Geschäftsjahresende im Oktober zählte Sannwald gerade einmal 220.000 Autovermietungen, nur halb so viele wie nötig gewesen wären, um die Gewinnzone zu erreichen. Ein Großteil seiner 170 Mitarbeiter schickte er in Kurzarbeit. In den Niederlanden gab es Entlassungen.
„Bis Ende April 2020 versetzte uns das in Schockstarre“, erinnert sich Sannwald, den es in gewöhnlichen Zeiten kaum länger als fünf Minuten an einem Besprechungstisch hält. „Zunächst hatten wir alle Hände voll zu tun, das Schiff am Laufen zu halten und für die Belegschaft Kurzarbeit zu organisieren. Doch dann haben wir überlegt“, sagt er, „was wir Neues machen können.“
Co-Geschäftsführer Thorsten Lehmann, der mit 7,5 Prozent die Minderheit an Sunny Cars hält, machte sich zunächst fürs E-Bike-Leasing stark. Mehrheitsgesellschafter Sannwald schlug vor, Wohnmobil-Überwinterungen zu vermitteln. Dann kam beiden der erfolgversprechende Einfall: In der Pandemie sind wenige Investitionsgüter bei kleinen und mittleren Unternehmen so gefragt wie Anlagen zur Luftentkeimung.
Luftreiniger bei der Unternehmensgründung verkaufen
Im September fiel der endgültige Entschluss, drei Monate später trafen sie sich zur Firmengründung beim Notar. Vor Ort stellten sie das eigene Verkaufstalent unter Beweis: Die Münchener Kanzlei gehörte gleich zu denen, die den nun gleichberechtigten Gründern der neuen „Sunny Air Solutions“ eines ihrer ersten Geräte abkaufte.
Die Ursprungsfirma Sunny Cars läuft zwar weiter, leidet aber noch unter den Einschränkungen der Pandemie. Mit dem Aufbau der Schwesterfirma, die im März 2021 die ersten Anlagen in Arztpraxen, Kanzleien und Hotels installieren ließ, wechseln derzeit immer mehr Mitarbeiter in die Neugründung. „Das funktioniert rechtlich viel einfacher, als wir gedacht hatten“, wundert sich Thorsten Lehmann.

Die großen Autovermietungen geben das Vermittlungsgeschäft mit den Touristen gern an Sunny Cars ab.
Weil der Standort beider Firmen in Pasing derselbe ist, es nur eine Personalabteilung für die zwei „Sunny“-Schwestern gibt und die Führungsköpfe identisch sind, erweist sich das Hin- und Herwechseln für die Angestellten als problemlos. Sie bleiben mit ihren erworbenen Ansprüchen arbeitsrechtlich geschützt. „Das Zauberwort heißt Gemeinschaftsunternehmen“, hat Lehmann gelernt.
Bei den Mitarbeitern kommt das gut an: „Niemand weiß, was die nächsten Monate bringen werden“, schrieb einer im vergangenen Monat auf der Bewertungsplattform Kununu. „Auf der anderen Seite ist ein positiver Spirit zu spüren durch die Neugründung einer Unternehmung durch die Gesellschafter.“ Von den 55 Angestellten, die ihren Arbeitgeber auf dem anonymen Portal bewerteten, hinterließen 96 Prozent eine Weiterempfehlung.
Hohe Qualitätsstandards, dasselbe Geschäftsprinzip
Was das Geschäftsprinzip angeht, bleiben sich die beiden Gesellschafter treu. Sunny Cars besaß nie eine eigene Fahrzeugflotte, sondern vermittelte stets die Kontingente Dritter. Auch Sunny Air Solutions beschränkt sich allein auf das Vertriebsgeschäft – produzieren müssen andere.
Als ersten Hersteller gewannen die Münchener den Anlagenbauer Orca aus dem bergischen Kürten, der seit 20 Jahren Entkeimungstechnik-Geräte konstruiert. Vier weitere Produzenten kamen seitdem hinzu. „Die Lieferanten müssen unsere Qualitätskriterien erfüllen, was wir in internen Tests durch Luftkeim-Messungen prüfen und von einem Münchener Labor untersuchen lassen“, berichtet Sannwald.
Zudem sollten die Firmen UV-C-Anlagen und Hepa-Filter schon vor der Corona-Pandemie produziert haben und möglichst aus Deutschland stammen. Eine weitere Bedingung: Die haut- und augenschädigenden UV-C-Strahlen, die das Virus abtöten, müssen ausnahmslos im Gerät bleiben. In einem Hamburger Edeka-Supermarkt war eine UV-C-Anlage der Philips-Tochter Signify eingebaut worden, die das Bundesamt für Strahlenschutz kritisiert hatte.
Als Vertriebsfirma stößt Sunny Air Solutions auf hohen Aufklärungsbedarf. Eine Studie der Uni Münster bestätigte im Februar, dass professionelle Luftreiniger das Ansteckungsrisiko durch virenbelastete Aerosole in geschlossenen Räumen deutlich senken.

Thorsten Lehmann (links) und Kai Sannwald: Pandemie-Geschädigte mit neuer Geschäftsidee.
Sie seien „in Kombination mit Lüften ein weiterer wichtiger Beitrag zur Eindämmung der Pandemie“, erklärte der Münsteraner Virologe Stephan Ludwig. Für knapp über 2000 Euro sind Filteranlagen etwa für Besprechungsräume zu haben. Doch nicht jede Technik sei gleichermaßen geeignet, auch große Räume mit vielen Personen zu schützen, warnten zuletzt das Umweltbundesamt und die Stiftung Warentest.
Sunny Air Solutions soll es auch nach der Pandemie geben
Dass die Hersteller auf einen externen Verkauf setzen, ist für die Münchener keine Überraschung. „Dort arbeiten viele Ingenieure“, sagt Geschäftsführer Sannwald, „aber nur wenige Vertriebsgranaten.“ Auf Kaltakquise wird aber auch Sunny Air Solutions nicht gehen. Stattdessen wollen Lehmann und Sannwald Multiplikatoren von den Vorzügen der Luftreinigung überzeugen, etwa Ärzteverbände oder Hotel-Einkaufsverbünde. Auch über Social Media und Fachzeitschriften informieren sie über die Luftreiniger.
Noch liegen Umsatzzahlen nicht vor, da erst seit zwei Monaten geliefert wird. Das Ende der Pandemie werde den Geschäftsbetrieb nicht stoppen, sind sich die Sunny-Geschäftsführer einig. „Für uns ist das keine Zwischenlösung, bis die Touristik wieder läuft“, sagt Thorsten Lehmann. Schließlich schütze die Lufttechnik auch gegen Grippe-Viren – und könne den Krankenstand vieler Büros in Zukunft mindern.
Wie Sunny Cars dürften freilich nur wenige Unternehmen finanziell in der Lage sein, mitten in der Coronakrise einen ähnlichen Kraftakt zu meistern. Ein Blick in die Jahresbilanz der Münchener zeigt, warum: Im Jahr vor der Pandemie lag der Personalaufwand, und damit der Großteil der Fixkosten, unter elf Millionen Euro. Das Eigenkapital türmte sich auf üppige 33,6 Millionen Euro. Sunny Cars hatte jahrelang auf Bankkredite verzichtet und die Gewinne größtenteils im Unternehmen behalten.
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