Coronakrise „Unser Überleben sichern“ – Maritim-Notverkäufe alarmieren die Hotelbranche

Die auf Kongresse spezialisierte Hotelgruppe plant Notverkäufe, um die Pandemie finanziell zu überleben.
Düsseldorf Die Ankündigung der Hotelkette Maritim zeugt von tiefer Verzweiflung. Man sei zu „Notverkäufen“ gezwungen, erklärte Mitinhaberin und Aufsichtsrätin Monika Gommolla, 70, um „unser Überleben zu sichern“. Gemeinsam mit ihrer 68-jährigen Schwester Christel Brandder untersteht ihr die in Bad Salzuflen beheimatete Hotelgruppe.
Nach einer kurzen Erholungsphase im Sommer 2020 sei das Beherbergungsgeschäft pandemiebedingt um 90 Prozent eingebrochen. 140 Millionen Euro habe man durch Corona verloren, berichtet die Tochter des 1994 verstorbenen Firmengründers Hans-Joachim Gommolla. Dabei besaß die Maritim Hotelgesellschaft Anfang 2020 laut Bundesanzeiger gerade einmal Finanzmittel von 72 Millionen Euro.
Die Kette, die neben Franchise- und Managementbetrieben 15 Hotels besitzt und 13 weitere gepachtet hat, ist keinesfalls die einzige deutsche Hotelgesellschaft, die sich aus Not von Teilen ihres Unternehmens trennt. Schon im vergangenen Jahr verkaufte der Münchener Gastronomen Rudi Kull das Hotel „Louis“ am Münchener Viktualienmarkt, um damit zumindest seine sechs Restaurants und das verbliebene „Cortiina“-Boutiquehotel zu retten.
Die Hamburger Hotelkette Centro berichtete am Donnerstag, sie habe in der Coronakrise 13 ihrer 64 Häuser abgeben müssen. „Wir wundern uns“, sagte Steigenberger-Chef Marcus Bernhardt neulich dem Handelsblatt, „welche Gesellschaften aktuell zu haben sind.“
Die Verkaufsabsichten der Maritim-Schwestern sind Brancheninsidern seit Langem bekannt. „Kunden von uns haben in den vergangenen Monaten bereits einige Verkaufsangebote von Maritim-Häusern in Deutschland geprüft“, berichtet Moritz Dietl, Geschäftsführer der Münchener Hotelberatungsfirma Treugast. Auch der Ankauf eines Hauses im Ausland sei geprüft worden.
Konferenzgeschäft ist eingebrochen
„Maritim war immer eine gesunde Company mit vielen Immobilien im Eigentum“, zeigt sich Dietl überrascht. Bei den Offerten gehe es keineswegs nur um den Verkauf von Immobilien, sondern auch um den damit zusammenhängenden Hotelbetrieb an den jeweiligen Standorten. „Im Fall eines Sale-and-Leaseback müsste Maritim schließlich im Anschluss hohe Pachten bedienen“, sagt Dietl. „Damit wäre dem Unternehmen wegen der steigenden Kosten aber nicht geholfen.“
Die etwas angestaubte Hotelgruppe, deren Häuser vielfach ein Interieur aus den 80er-Jahren besitzen, ist von der Pandemie noch stärker betroffen als die meisten ihrer Wettbewerber. In den vergangenen Jahren hatte sich das einst in Timmendorf gegründete Unternehmen erfolgreich auf Kongresse und Konferenzen spezialisiert.
Noch 2019 fiel bei einem Umsatz von 425 Millionen Euro ein Nettokonzerngewinn von 28 Millionen Euro ab, das operative Geschäft erwirtschaftete einen beachtlichen Cashflow von 53 Millionen Euro. Doch genau dieses Hotelsegment kam durch die Ausbreitung des Coronavirus seit Mitte März 2020 komplett zum Erliegen. 4750 Beschäftigte bangen nun um ihre Jobs.
Staatliche Hilfen seien nahezu ausgeblieben, berichtete Gommolla der Nachrichtenagentur dpa. Es seien bisher nur zwei Millionen Euro ausgezahlt worden. „Dies erweckt den Eindruck, dass der größere Mittelstand in den betroffenen Branchen sich selbst überlassen und so kaputtgemacht wird.“
Große Ketten protestieren
In Köln formulierten am Donnerstag neun große Hotelketten, darunter Dorint, Lindner, H-Hotels und Leonardo, ihren scharfen Protest gegen die aus ihrer Sicht mangelhafte Unterstützung aus der Bundeskasse. „Es geht nicht um Beihilfe, sondern um Entschädigung“, stellte Dorint-Aufsichtsratschef Dirk Iserlohe klar. Die Obergrenzen für die Coronahilfen, die in Berlin bislang mit Vorgaben aus Brüssel begründet wurden, seien deshalb zu streichen.
Seit November leide Dorint unter einer Durchschnittsbelegung von gerade einmal sechs Prozent, klagte Iserlohe. „Bisher haben wir von den erwarteten zehn Millionen Euro aus der erweiterten Dezemberhilfe keinen Cent erhalten“, sagte er. Dabei sei es schon 2020 in seinen 60 Hotels zu einer Unterdeckung von 30 Millionen Euro gekommen, weitere 28 Millionen Euro erwartet er 2021.
Der Düsseldorfer Hotelier Otto Lindner kritisierte zudem die Komplexität der Hilfsanträge. Geld sei auch bei ihm noch nicht angekommen. „Man verdurstet nicht am Anfang, sondern am Ende der Wüste“, drängte er zur Eile.
Rückstellungen für einen solchen massiven Shutdown seien in keinem Unternehmen vorhanden, berichtete Yoram Biton, Geschäftsführer der Hotelgruppe Leonardo. „Wir haben stets auch für Krisenjahre budgetiert“, sagte der Hotelier, „aber nie in einem solchen Umfang.“ Im vergangenen Jahr sank der Umsatz seiner Gruppe von zuvor 317 auf unter 120 Millionen Euro.
Frank Marrenbach, geschäftsführender Gesellschafter der Althoff-Hotels, forderte von der Regierung zudem eine Gleichstellung mit kleineren Betrieben. Die sind bei den Überbrückungshilfen nicht von einer ähnlichen Begrenzung betroffen wie Hotelketten mit mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz. „Wir sind keine Bittsteller“, sagte der ehemalige Oetker-Manager, „wir wollen Schadensersatz.“
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