Ermittlungsverfahren gegen Imtech Kartell, Untreue, Schmiergeld

80 Prozent des deutschen Managements ausgetauscht.
Düsseldorf Ein einsames Tor mitten auf einem riesigen Areal, drumherum nur Gras und ein paar Sträucher. „Opening 2015“ steht auf dem Eingang, der einmal zu einem sagenhaften Abenteuerpark führen sollte. 230 Hektar groß, spektakulär wie Disney World und ein Besuchermagnet sondergleichen. Vier Millionen Gäste würden schon im ersten Jahr nach Warschau kommen, rechnete Parkchef Peter Mulder bei der Grundsteinlegung im Juli 2012 vor.
Es kam: niemand. Heute verirren sich höchstens ein paar Kühe auf das gigantische Feld, sie grasen nun unweit des Tores, das wie kein zweites Symbol für den Gigantismus steht, dem der Baukonzerns Imtech einst frönte. Und der unfassbaren Dreistigkeit seiner Manager.
Auf 800 Millionen Euro taxierte der Gebäudeausrüster das Projekt einst. Doch ausgerechnet der Megadeal sollte schließlich das wahre Gesicht der Vorzeigefirma zutage bringen. Zuerst fiel es den Wirtschaftsprüfern auf. Im Januar 2013 attestierten sie dem polnischen Abenteuer einen Abschreibungsbedarf von 70 Millionen Euro. Wenige Tage später musste die niederländische Zentrale feststellen, dass Akten und Bilanzen vernichtet worden waren. Anfang Februar 2013 zog die Konzernführung in Gouda schließlich die Notbremse, die Imtech-Länderchefs Deutschland und Polen mussten gehen. Von „verdächtigen Geldflüssen“ und „Unregelmäßigkeiten“ war die Rede.
Schließlich überbrachte ein Bote der Staatsanwaltschaft Hamburg Lesestoff. Es war der 1. Oktober 2013. Die Strafanzeige kam vom Imtech selbst. Die Beschuldigten: acht Imtech-Beschäftigte, darunter der frühere Deutschland-Chef des Unternehmens. Auf 127 Seiten konnten die Ermittler dort von „veruntreuten Transaktionen“ und „aufgeblähten Geschäftszahlen“ nachlesen.
Zunehmend zeigte sich: Der Abenteuerpark in Warschau war wohl nur die Spitze eines Berges aus Scheinrechnungen und geschönten Zahlen, Schmiergeldern und Preisabsprachen. Es drängte sich der Verdacht eines betrügerischen Systems auf. Inzwischen beschäftigen sich Fahnder von fünf verschiedenen Strafverfolgungsbehörden mit den Machenschaften der einstigen Manager. Im Visier haben sie eine Gruppe von früheren Imtech-Managern.
Lange Akten mit viel Papier
Aus ihren Erfolgsgeschichten wurden Ermittlungsakten. Aus den Vorzeige-Verantwortlichen wurden Beschuldigte. Und so türmt sich das Papier nicht nur im hohen Norden. Auch im Süden hält der Fall Imtech die Ermittler auf Trab. Grund sind zwei Großkraftwerke des Stromriesen RWE im westfälischen Hamm und im niederländischen Eemshaven.
In einem vermeintlich harten Wettbewerb hatte Imtech die Ausschreibungen einst gewonnen, dann jedoch erstaunlich hohe Gewinne erzielt. Gleichzeitig überwies Imtech mehrfach Hunderttausende Euro an dritte Baufirmen, die gar nicht auf der Baustelle waren. Der Verdacht: Statt sich einen echten Preiskampf um die RWE-Aufträge zu liefern, sollen sich Unternehmen abgesprochen haben. Konkurrenten überließen Imtech die überteuerten Aufträge – und bekamen im Gegenzug einen Teil des Kuchens über Scheinaufträge zurück.
Im Februar dieses Jahres durchsuchten Beamte der Staatsanwaltschaft München Imtech-Büros und Privatwohnungen in Aalen, Hamburg, München und Stuttgart. Schnell fanden die Beamten Indizien für ein Kartell. Nach ihren Erkenntnissen war es so organisiert: Damit eines der beteiligten Unternehmen den Zuschlag zu einem überhöhten Preis erhielt, legten andere Firmen noch teurere Gebote vor. Anschließend erhielten sie für ihre Hilfe Abstandszahlungen „durch Scheinrechnungen und andere Konstruktionen zur Verschleierung der Ausgleichsleistung“, wie es in einem Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft München hieß.
Ärger droht vier früheren Imtech-Verantwortlichen auch aus Neuruppin. Seit Dezember 2014 ermitteln die Korruptionsspezialisten. Es geht um die Pannenbaustelle des zukünftigen Hauptstadtflughafens BER. Die Staatsanwälte gehen einem anonymen Hinweisschreiben nach – und sehen im Fall Imtech inzwischen relativ klar. Mehrere Zeugenaussagen decken sich. Sie werfen kein gutes Licht auf das einstige Imtech-Management.
Der Verdacht: Ein damaliger Bereichsleiter des Flughafens soll von Imtech geschmiert worden sein. Der Gebäudeausrüster ist auf der Flughafenbaustelle unter anderem für die Brandschutzanlagen zuständig. Als Gegenleistung für das Bargeld soll der BER-Manager Ende 2012 Imtech-Rechnungen in Höhe von 65 Millionen Euro durchgewinkt haben, ohne zu prüfen, ob der Baukonzern die entsprechenden Arbeiten überhaupt ausgeführt hatte. Tatsächlich zahlte der BER wenige Tage nach der Geldübergabe an der Autobahn die Millionen an Imtech. Während der Ermittlungen habe der BER-Manager aber angegeben, er hätte die Freizeichnung eines solchen Betrages nicht allein veranlassen können. Inzwischen sitzt der ehemalige BER-Manager in Untersuchungshaft.
Der frühere Imtech-Deutschland-Chef hingegen, gegen den auch in München und Hamburg ermittelt wird, ist noch auf freiem Fuß.
Daran ändert auch ein weiteres Verfahren in Polen nichts. Die Fahnder jenseits der Oder interessieren sich ebenfalls für den Abenteuer-Park Warschau. Das Projekt also, mit dem die Aufräumarbeiten beim Chaoskonzern vor zwei Jahren begannen.
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