Fahrdienst-Vermittler Uber bringt Essenslieferdienst „Eats“ nach Deutschland – Lieferando bekommt Konkurrenz

In der Corona-Pandemie wurden Essenslieferungen für Uber zu einem deutlich wichtigeren Geschäftsbereich.
Hamburg Die Tage des Quasimonopols von Lieferando in Deutschland scheinen gezählt: Uber steigt ins Geschäft mit Essenslieferungen in Deutschland ein. Es gebe „sehr großen Bedarf für eine bessere Auswahl und einen stärkeren Wettbewerb im Markt“, teilte der US-Fahrdienstvermittler am Mittwoch mit. „Deutschland ist ein wichtiger Markt für Uber.“
Mit Uber Eats ist der börsennotierte US-Konzern bereits in vielen Ländern aktiv – auch in Europa. In einigen Wochen werde Uber Eats zunächst in Berlin starten, teilte das Unternehmen mit. Damit kehrt der scharfe Wettbewerb zurück. Bislang konnte Lieferando in Deutschland das Corona-bedingte Wachstum des Markts fast allein abgreifen. Seit Just Eat Takeaway, das Unternehmen hinter Lieferando, das Deutschlandgeschäft von Delivery Hero vor über zwei Jahren übernommen hat, gab es kaum noch Konkurrenz. Lediglich der skandinavische Newcomer Wolt kam in den vergangenen Monaten neu hinzu.
Für Uber wurde das Essensgeschäft weltweit in den vergangenen Monaten immer wichtiger. Während der Fahrdienst unter den weltweiten Reisebeschränkungen litt, entwickelte sich Eats zum Hoffnungsträger der Analysten. Uber sieht den Markteintritt in Deutschland als Teil eines globalen Spiels: Der Konzern könne so seine Marktposition deutlich stärken, sagte Uber-Eats-Chef Pierre Dimitri Gore-Coty der „Financial Times“.
Dabei geht es auch um einen Kampf zweier Philosophien: Konzernchef Jitse Groen hat Lieferando bislang so ausgerichtet, dass das Kerngeschäft die bloße Vermittlung von Aufträgen an Liefer-Gastronomen mit eigenen Fahrern ist. Die orange gekleideten Lieferando-Radler in einigen Städten ergänzen lediglich dieses Kerngeschäft. Das hält die Kosten des Geschäftsmodells im Rahmen.
Uber Eats hingegen sieht die eigenen Kuriere als Kern des Geschäfts. Damit könnte Lieferando auch in Deutschland gezwungen sein, mehr Geld in die eigene Logistik zu investieren. In Großbritannien steht Groen derzeit vor dieser Herausforderung. Der dortige lokale Konkurrent Deliveroo setzt ihn mit vielen eigenen Fahrern unter Druck, die teure eigene Flotte ebenfalls aufzustocken. Bislang halfen die Einnahmen des Deutschlandgeschäfts dabei, diesen Aufbau zu finanzieren.
Preiskrieg zwischen Uber Eats und Lieferando absehbar
Lieferando muss nun damit rechnen, dass Uber Eats die Gastronomen mit günstigeren Gebühren lockt. Dabei hilft Uber sein finanzielles Laisser-faire: Während Uber seit der Gründung permanent Geld ausgibt, um das globale Wachstum anzukurbeln, konnte Lieferandos Mutterkonzern Just Eat Takeaway mehrfach Gewinne ausweisen.
Uber-Manager Gore-Coty gibt sich kampfbereit: Es gebe im deutschen Markt Interesse an einer Alternative zum klaren Marktführer Lieferando, da die Konkurrenz „außerordentlich hohe“ Gebühren habe. Der Franzose führte das auf die starke Stellung von Lieferando zurück. Das bremse den Markt: In Deutschland werde bislang nur ein Prozent des Essens von Lieferanten ausgefahren, die nicht direkt vom jeweiligen Gastronomen beschäftigt werden. Bei den Märkten in Großbritannien und Frankreich liege die Quote bei 40 bis 60 Prozent.

Die Kuriere in einigen Städten ergänzen bislang nur das Kerngeschäft von Lieferando. Das könnte sich nun ändern.
Ein Lieferando-Sprecher wies den Vorwurf auf Anfrage zurück. Bei über 90 Prozent aller Bestellungen betrage die Provision 13 Prozent. Deutlich höher liegt allerdings der Anteil, den Gastronomen zahlen müssen, wenn sie über Lieferando-Fahrer ausliefern lassen. Allerdings zahle Lieferando dabei dennoch drauf, sagte der Sprecher.
Für Uber dürfte der Aufbau eigener Flotten nicht günstiger ausfallen – im Gegenteil. Denn das Unternehmen setzt auf ein eigentümliches Modell. Anders als Lieferando will Uber Eats die Fahrradkuriere nicht selbst anstellen. Stattdessen wollen die Amerikaner Subunternehmer beauftragen. Mit welchen Firmen Uber bereits in Gesprächen ist, ließ ein Sprecher des Unternehmens auf Anfrage offen. Uber will den operativen Partner pro Lieferung bezahlen. Wie dieser seine Fahrer bezahle, sei Sache des Partners. Seit einem Gerichtsurteil verfährt Uber so bereits in Genf.
Lokale Kurierdienste liefern für Uber Eats aus
Uber-Manager Gore-Coty gestand in der „Financial Times“ ein, dieses Modell werde auch bei Uber Eats zunächst zu höheren internen Kosten führen. Generell bevorzuge Uber weiter die Vermittlung an selbstständige Partner, betonte Gore-Coty – unter der Bedingung, dass es rechtlich möglich ist.
Vorbild für das künftige deutsche Eats-Modell ist das Taxigeschäft. Nach jahrelangem rechtlichen Ärger hat Uber in dem Geschäftsfeld in Deutschland ein ähnliches Modell entwickelt, bei dem das Unternehmen zwar mit fest angestellten Fahrern arbeitet, für diese aber nicht selbst zum Arbeitgeber wird.
Der Berliner Chauffeurdienst Safedriver organisiert den Verkehr als Generalunternehmer mit zahlreichen lokalen Partnern. So ähnlich soll es bei den Eats-Fahrradkurieren auch funktionieren – mit dem einzigen Unterschied, dass es voraussichtlich keinen bundesweit einheitlichen Generalunternehmer geben wird. Offenbar will Uber mit dem Modell verhindern, dass die Kuriere in die eigene Gehaltsliste kommen. Damit bleibt das Geschäftsmodell weltweit einheitlich – und die Kommunikation gegenüber den Aktionären klar.
Aktionäre profitieren vom Uber-Liefergeschäft
Denn der bisherige Kurs zahlt sich zum absehbaren Ende der Pandemie aus: Analysten hatten sich zuletzt optimistisch zur Uber-Aktie geäußert – auch wegen des wachsenden Liefergeschäfts. Dieses werde auch nach der Corona-Zeit stark bleiben, meinen sie, zusätzlich zum zurückkehrenden Taxigeschäft.
Allerdings kritisieren Beobachter, dass der Lieferdienst nicht in die allgemeine Uber-App integriert ist. Tatsächlich gibt es die separate Uber-Eats-App bereits seit Jahren auch in den deutschsprachigen App-Stores – für deutsche Kunden ist sie bislang nur weitgehend nutzlos.
Das wird sich nun rasch ändern: Uber habe bereits eine Vielzahl großer und kleiner Restaurants in Berlin an Bord geholt, sagte der Uber-Sprecher. Dazu gehörten bekannte Ketten. Welche das sein könnten, ist bislang nicht bekannt.
Uber Eats ist bereits in mehreren europäischen Ländern aktiv. 2020 nutzten es nach Angaben des Unternehmens 24 Millionen Menschen in Europa. Auch im Heimatmarkt von Just Eat Takeaway, den Niederlanden, greift Uber Eats an. In Deutschland hatte Uber Eats allerdings bereits 2016 erstmals den Start angekündigt – ohne Folgen.
Just-Eat-Takeaway-Chef Groen gibt sich gelassen. Vor Wochen hatte er beim Antritt des finnischen Newcomers Wolt die wirtschaftlichen Folgen durch den Einstieg neuer Konkurrenten heruntergespielt. „Unser größter Konkurrent in Deutschland ist das Telefon – nicht etwa Deliveroo oder Uber Eats“, sagte er und verwies darauf, dass die meisten Verbraucher nach wie vor in den Lokalen anriefen.
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