Fusion mit der London Stock Exchange Deutsche Börse gibt Standortgarantien für Frankfurt

Sein Versprechen: „Frankfurt wird die Stadt des Dax bleiben“.
Frankfurt Die Deutsche Börse will nach der geplanten Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) wesentliche Geschäftsbereiche in Frankfurt beibehalten. Die Abwicklung von Derivaten (Eurex Clearing) und das Geschäft der Wertpapierverwahrtochter Clearstream werde auch nach dem Zusammenschluss am Main betrieben werden, sagte Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung in Frankfurt. Der fusionierte Konzern brauche ein starkes Standbein in der Euro-Zone. „Deshalb werden auch Eurex Clearing und Clearstream Banking Frankfurt zentrale Infrastrukturen sein und immer da bleiben.“ Das entspreche auch dem Willen der EZB und der Deutschen Bundesbank.
Die Deutsche Börse und die LSE hatten im Februar bekanntgegeben, zum mit Abstand größten Börsenbetreiber in Europa verschmelzen zu wollen. Kurz danach hatte Kengeter bereits betont, nicht am Aktienhandel in Frankfurt rütteln zu wollen. Am Main gibt es dennoch große Sorgen, die Fusion könne langfristig zu einem Bedeutungsverlust des Finanzplatzes führen. Kritisch sehen Politiker und Banker in der Region vor allem den geplanten Sitz des fusionierten Unternehmens in London sowie den möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU.
Die Deutsche Börse konnte das „Brexit“-Referendum laut Kengeter nicht abwarten, weil ihr bei der Übernahme der LSE sonst ein Konkurrent aus den USA zuvorgekommen wäre. „Es ist vielen bekannt, dass die London Stock Exchange das Interesse aus Amerika erweckt hat. Dieses Interesse hätte sich in kurzer Zeit konkretisiert“, sagte er. „Ein Warten war für uns deshalb nicht möglich, obwohl es uns sicherlich viele Fragen erspart hätte.“ Der Zusammenschluss von LSE und Deutscher Börse mache aber unabhängig vom Ausgang des Referendums Sinn.
Kengeter wollte sich nicht dazu äußern, für wie wahrscheinlich er eine Gegenofferte des US-Konkurrenten ICE für die LSE hält. „Das mag sein, das mag auch nicht sein.“ Deutsche und Londoner Börse seien aber sehr sicher, dass ihr „Vorschlag genau der richtige ist“. Deutsche Unternehmen könnten durch die Fusion künftig einfacher an Eigenkapital kommen. Durch den Zusammenschluss entstehe eine Liquiditätsbrücke von Frankfurt nach London, dem „bedeutendsten Finanzmarkt der Welt“. Dort habe es im vergangenen Jahr vier mal so viele Börsengänge gegeben wie in der Bundesrepublik. „Einen direkten Zugang zu Kapital aus London zu schaffen, wird Börsengänge in Frankfurt fördern und beflügeln.“
Davon würden Dax- Konzerne genauso profitieren wie Startups und Mittelständler, erklärte Kengeter. Kürzlich habe eine mittelgroße Firma an der Frankfurter Börse Anteile für 40 Millionen Euro platzieren wollen, doch die Deutsche Börse habe nach einer Prüfung „mit großer Verlegenheit“ ablehnen müssen. „Dieses Segment bietet bei uns viel zu wenig Liquidität, als dem Kunden dienlich sein zu können.“
Aus Sicht des Deutsche-Börse-Chefs ist es überfällig, den starken britischen Kapitalmarkt mit Frankfurt, dem „Tor zur größten Realwirtschaft Europas“, zu verbinden. „Hier wird ökonomisch zusammengeführt, was schon längst zusammengehört hätte“. Bisher gebe es ein krasses Missverhältnis zwischen Deutschland als Wirtschaftsstandort und Deutschland als Finanzplatz. „Jetzt haben wir alle die Chance, dieses schädliche Missverhältnis zu korrigieren.“