Infront-Chef Philippe Blatter: „Die Fußball-WM kommt nach China“
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Infront-Chef Philippe Blatter„Die Fußball-WM kommt nach China“
Ausgerechnet der Neffe des Ex-Fifa-Chefs soll die WM ins Riesenreich holen: Der Chef des Sportvermarkters Infront spricht im Interview über einen chinesischen Eigner, Zukäufe und die Folgen der Skandale auf das Geschäft.
Bei dem Sportvermarkter aus dem schweizerischen Zug hat inzwischen der chinesische Milliardär Wang Jianlin das Sagen.
(Foto: PR)
MünchenPhilippe Blatter ist Triathlet und begeistert sich für alles, was mit Sport zu tun hat: Auf dem Flur vor dem Büro des Infront-Chefs hängen Eishockey-Trikots, unter dem Couchtisch liegen Pucks und Bälle, an der Wand hat er ein Rennrad anbringen lassen. Erst kürzlich hinzugekommen ist ein steinerner Drache, der auf dem Beistelltischen thront. Die Skulptur ist ein Geschenk der Wanda-Gruppe und signalisiert, dass bei dem Sportvermarkter aus dem schweizerischen Zug inzwischen der chinesische Milliardär Wang Jianlin das Sagen hat.
Herr Blatter, lernen Sie fleißig Chinesisch? Fleißig? Naja. Aber ich bemühe mich schon seit einigen Jahren und habe sogar mal einen zweiwöchigen Crash-Kurs absolviert.
Können Sie sich mit ihren neuen Kollegen in China bereits verständigen? Um richtig Chinesisch zu lernen, müsste man dort leben. Chinesisch ist grammatikalisch zwar eine einfache Sprache. Schwierig wird sie dadurch, dass alles von der Aussprache abhängt. Das kann ich mir hier in Zug nicht aneignen, dazu bräuchte ich stets einen Lehrer. Mir geht es auch eher darum, meinen chinesischen Geschäftspartnern gegenüber Respekt zu zeigen.
Wanda-Eigentümer Wang Jianlin hat sie auserkoren, die neue Sportsparte des Konzerns zu führen. Was erwartet er von Ihnen? Wir sind Teil des großen Wachstumsplans von Wanda. Der sieht unter anderem vor, den Umsatz in den nächsten fünf Jahren auf 100 Milliarden Dollar zu verdoppeln.
Im Vergleich zu den Immobiliengeschäften, den Hotels und Filmstudios von Wanda ist die Sportsparte klein. Was macht den Sport für Wanda interessant? Chairman Wang Jianlin hat erkannt, dass die Chinesen in den nächsten Jahren viel Geld für Reisen, Entertainment und Sport ausgeben werden. Genau da investiert er.
Infront gehörte zuvor gut drei Jahre lang dem Finanzinvestor Bridgepoint. Was hat sich durch den Verkauf geändert? Bridgepoint hat geholfen, aus einem Familienunternehmen einen Konzern zu formen, der kapitalmarktfähig ist. Das war sehr wichtig. Einige Projekte konnten wir hingegen nicht umsetzen, weil sie einfach nicht zum Konzept von Privat-Equity passten.
Vita Philippe Blatter
Philippe Blatter leitet Infront seit 2005. Seit vergangenem Jahr ist der Schweizer zusätzlich Chef der Sportsparte der chinesischen Wanda-Gruppe, des Infront-Eigentümers. Damit ist Blatter einer der einflussreichsten Manager im internationalen Sportbusiness. Zuvor hatte der Absolvent der ETH Zürich elf Jahre für das Beratungsunternehmen McKinsey gearbeitet. Er ist der Neffe von Sepp Blatter, dem ehemaligen Präsidenten des Weltfußballverbands Fifa. Zu Beginn sorgte die verwandtschaftliche Nähe für einige Kritik, denn Infront ist für die Fifa tätig. Allerdings hat Infront das Geschäft mit der Rechtevermarktung der Weltmeisterschaften schon vor Jahren verloren. Nach wie vor ist die Firma aber für die Produktion der TV-Bilder der Veranstaltung verantwortlich.
Blatter vermarktet nicht nur Sportveranstaltungen, er ist selbst Sportler durch und durch. Seine Passion gehört dem Triathlon, er hat schon zahlreiche Wettkämpfe auf der ganzen Welt bestritten und auch den berühmten Ironman auf Hawaii erfolgreich beendet.
Das Unternehmen aus dem schweizerischen Zug ist einer der größten Sportvermarkter weltweit und beschäftigt 900 Mitarbeiter an 35 Standorten. Es gehörte von Herbst 2011 bis vergangenes Frühjahr dem Finanzinvestor Bridgepoint. Dann stieg die chinesische Wanda-Gruppe ein. Seither ist Infront Teil der Sportdivision von Wanda, zu der unter anderem auch der Triathlon-Spezialist Ironman gehört. Infront ging aus der früheren Kirch Sport hervor. 2002 übernahm ein Investorenkonsortium um den ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus Infront. Später hielt die Jacobs-Holding die Mehrheit der Anteile. Einer der bekanntesten Repräsentanten nach außen hin ist Ex-Fußballer Günter Netzer.
Was meinen Sie konkret? Wenn sich Investitionen erst sehr langfristig auszahlen, tun sich Firmen wie Bridgepoint schwer. Mit Wanda hingegen haben wir Vorhaben sofort realisiert, über die wir schon länger nachgedacht hatten. Im November haben wir die Übernahme des Triathlon-Veranstalters Ironman unter Dach und Fach gebracht, zu Jahresbeginn haben wir dann die New Yorker Digitalagentur Omnigon gekauft. Diese Zukäufe passen perfekt zu den drei Pfeilern, auf denen das Geschäft künftig stehen soll.
Welche Säulen meinen Sie? Erstens unser angestammtes Geschäft mit Sportrechten, wie es Infront seit 15 Jahren betreibt. Zweitens unsere eigenen Sportveranstaltungen, bei denen wir als Veranstalter auftreten, an vorderster Stelle stehen da natürlich jetzt die Ironman-Rennen. Dazu zählen aber auch die B2RUN-Firmenläufe in Deutschland oder Happy 10k-Rennen in China.
Und das dritte Standbein? Ist das Digitalgeschäft, in dem wir mit Omnigon eine echte Verstärkung gefunden haben. Durch die Amerikaner haben wir jetzt beispielsweise den FC Bayern als festen Kunden. Für den Deutschen Meister entwickeln wir eine neue App.
Welche Freiheiten lässt ihnen Wang? Er kennt sich gut aus im Sport und nimmt sich immer Zeit für uns. Aber er mischt sich nicht ins Tagesgeschäft ein. So wird das auch bleiben, solange wir die Zahlen liefern, die das Budget vorsieht.
Sehen Sie keine Verquickung von Interessen? Sie arbeiten für die Fifa, gleichzeitig ist Wang Jianlin seit dem Frühjahr Sponsor des Weltfußballverbands? Nein, denn das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Sehen Sie: Die Wanda-Gruppe hat den unbedingten Willen, weltweit zu wachsen. Außerhalb Chinas aber ist die Firma noch nicht so bekannt. Die Fußball-WM ist eine Top-Plattform für die Marke Wanda in ihrem Bestreben international bekannter zu werden.
Trotzdem: Es hat doch einen schalen Beigeschmack, wenn die Fifa nun Aufträge an eine Tochter ihres Top-Sponsors vergibt, finden Sie nicht? Die Fifa hat klare Regeln für die Auftragsvergabe, da können sie nur durch Qualität überzeugen. Doch noch etwas spricht dafür, dass Wanda den Weltfußball unterstützt.
Und zwar? Fußball ist eine Top-Priorität des Staatspräsidenten Xi in China. Jede Provinz muss bestimmte Ziele erfüllen, da geht es um Fußballinternate, um neue Fußballplätze, und so weiter. Daher bietet sich die Zusammenarbeit mit der Fifa geradezu an. Auch die Beteiligung von Wanda an Atlético Madrid soll übrigens den chinesischen Fußball voran bringen.
Ihr Eigentümer hat sich mit 20 Prozent an dem Club beteiligt. Was aber soll das dem chinesischen Fußball bringen? Es gibt zum Beispiel das Programm ‚China’s Future Soccer Stars‘. Jedes Jahr dürfen 30 chinesische Nachwuchsspieler unter 18 Jahren zu Atlético, trainieren dort, gehen aber auch zur Schule in Madrid. Wenn die zurückkehren, sollen sie natürlich das Niveau in China heben.
Xi will die WM in sein Land holen. Halten Sie das für realistisch? Der nächst mögliche Zeitpunkt wäre 2026. Früher oder später wird die WM in China stattfinden. Es hängt natürlich davon ab, ob es bei der bisherigen Rotation der Kontinente bleibt. Das Turnier in Katar 2022 wird ja Asien zugeschrieben, daher würde China 2026 nach der bisherigen Regel nicht zum Zug kommen. Aber die Fifa ist in Bewegung, künftig entscheidet ja der Kongress über die Vergabe und nicht mehr nur das kleinere Exekutiv-Komitee. Daher ist alles offen. Seit Jahren arbeitet Infront für DFB und Fifa. In beiden Verbänden haben Skandale die Führungsriege weggefegt. Schließen sich jetzt die Türen für Sie? Ganz ehrlich, das einzig Konstante in der Wirtschaft ist der Wandel. Vor elf Jahren war ich noch bei McKinsey und die meisten meiner Studien handelten vom Change Management. Und so ein Verband hört doch nicht auf zu arbeiten, wenn der Chef wechselt. Unterhalb der Führungsebene gibt es dort erstklassige Profis, alles sehr kompetente Leute. Wenn wir weiterhin einen hohen Mehrwert bieten, sind wir auch in Zukunft ein geschätzter Partner.
Hat Sie der Skandal um ihren Onkel, Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter, in Ihrer Arbeit behindert? Natürlich lässt mich eine solche Entwicklung nicht kalt, besonders weil mir der Mensch – nicht die öffentliche Person – Sepp Blatter, sehr am Herzen liegt. In meiner Tätigkeit bei Infront war ich dadurch aber nie beeinträchtigt.
Viele Vereine und Verbände vermarkten die Medienrechte und übernehmen die Sponsorensuche inzwischen selbst . Erodiert Ihr Kerngeschäft? Nein, viele unserer Dienstleistungen sind nach wie vor sehr gefragt, und wir erweitern unser Geschäft kontinuierlich. In anderen Bereichen ändern sich die Bedürfnisse unserer Partner, und mit ihnen unser Angebot – aber das ist auch Teil einer sich bewegenden Industrie. Dadurch eröffnen sich aber auch wieder neue Chancen, vor allem getrieben durch den technischen Fortschritt. Nehmen sie nur das Thema Digital Overlay…
…also die Möglichkeit, die Banden in den Stadien digital zu überblenden. Genau. Um das zu ermöglichen sind wir eine strategische Partnerschaft mit Vizrt eingegangen. Wir haben eine rein software-basierte Lösung entwickelt, die keinerlei Umbauten an Kameras oder den Banden selbst erfordert.
Und was haben ihre Kunden davon? Die Zuschauer in verschiedenen Ländern könnten mit der Technik ganz unterschiedliche Werbung sehen. Beim DFB-Pokal, den wir vermarkten, haben wir im Hintergrund erste Tests gemacht. In den kommenden Monaten gilt es die Technologie weiter zu verfeinern und zu perfektionieren.
Wann setzen sie die Software ein? Ob wir das nun in sechs Monaten oder anderthalb Jahren zur Serienreife bekommen, das weiß ich heute noch nicht. Aber die Werbekunden und letztendlich auch die Rechtehalter sind sehr interessiert daran. Ich verspreche Ihnen, in drei, spätestens in fünf Jahren wird das der Standard sein. Aber wir tüfteln auch in anderen Bereichen an neuen technischen Lösungen.
Zum Beispiel? Im Radsport haben wir zuletzt beim Klassiker Paris – Roubaix Kameras an die Rennräder montiert. Dadurch bekamen wir spektakuläre Bilder, die Zuschauer sind quasi mittendrin im Feld. Das ist technisch alles andere als trivial. Doch auch das ist erst der Anfang. Omnigon liefert in Amerika längst auch live Leistungsdaten von Sportlern. Das planen wir künftig weltweit umzusetzen, in enger Abstimmung mit den Teams, Athleten und Veranstaltern.
Nicht alle neuen Technologien sind unumstritten. Anfang des Jahres stürzte eine ihrer Drohnen bei einem Skirennen ab, nur knapp neben einem Rennläufer. Bremst Sie der Unfall? Ich bin immer noch bestürzt, dass das passiert ist. Wir analysieren aktuell, wie das passieren konnte. Andererseits brauchen wir solche Versuche, denn wir wollen die TV-Übertragungen kontinuierlich verbessern und damit letztendlich dem Zuschauer spektakuläre Bilder liefern. Null Risiko gibt’s da leider nicht.
Zwei größere Firmen hat die Wanda Group schon geschluckt, seit Infront zu Wanda gehört. Wie geht es weiter? Es werden weitere Akquisitionen dazu kommen, dort wo diese strategisch Sinn machen, um das Angebot für unsere Partner zu komplettieren. Einer der großen Vorzüge der Wanda-Gruppe ist doch: Wenn Chairman Wang Jianlin sagt, das machen wir, dann ziehen alle an einem Strang und es geht sehr schnell.