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Internetkonzern Unister Durch die Hintertür an die Börse

Der angeschlagene „Ab-in-den-Urlaub.de“-Betreiber Unister verfolgt einen abenteuerlichen Rettungsplan. Sie bedient sich einer Aktie, die zwar nicht gehandelt wird, aber kräftig steigt. Ein kühner, aber riskanter Zug.
20.01.2016 - 16:51 Uhr
Die starke Marktstellung beruht aber nicht auf einer ausgeklügelten Strategie, sondern in erster Linie auf horrenden Marketingausgaben. Quelle: dapd
Reisebüro der Firma Unister in Leipzig

Die starke Marktstellung beruht aber nicht auf einer ausgeklügelten Strategie, sondern in erster Linie auf horrenden Marketingausgaben.

(Foto: dapd)

Hamburg/Düsseldorf Das Geschäftsmodell der Capital One AG scheint ein absolut krisenfestes zu sein. Denn egal, was draußen in der Welt passiert, ob in China die Märkte krachen oder der Ölpreis ins Bodenlose fällt – die Aktie der Capital One bleibt davon unberührt. Um 165 Prozent ist das Papier seit seinem Debüt an der Düsseldorfer Börse Ende November gestiegen, kein einziger Handelstag endete im Minus.

Vielleicht ist sie ja endlich gefunden: die Aktie, die nur eine Richtung kennt – nach oben.

Schön wäre es, vor allem für den beherrschenden Hauptaktionär. Hinter der Capital One AG steckt der Leipziger Internetkonzern Unister, dessen Aussichten seit vielen Monaten in eine Richtung verlaufen: nach unten. Dank Portalen wie „Fluege.de“ oder „Ab-in-den-urlaub.de“ sind die Sachsen zwar Deutschlands größter Onlinevermittler von Pauschalreisen. Die starke Marktstellung beruht aber nicht auf einer ausgeklügelten Strategie, sondern in erster Linie auf horrenden Marketingausgaben. TV-Werbung und vorrangige Google-Platzierungen verschlingen nahezu alles, was bei der Reisevermittlung übrig bleibt.

Entsprechend bescheiden ist es um die Finanzen von Unister bestellt. Nach Handelsblatt-Informationen hängt die Liquidität der Leipziger an angeblich bis zu 50 Millionen Euro hohen Krediten des Versicherers Hanse Merkur. Seit Oktober sollen sie fällig sein. Die Rückzahlung steht offenbar aus, wozu sich beide Seiten nicht äußern wollen.

Die ursprüngliche Idee von Unister-Chef Thomas Wagner war es, einen potenten Investor zu finden, der mit frischem Kapital zur Seite springt. Prominente Interessenten wie Pro Sieben Sat 1 oder zuletzt CTS Eventim winkten jedoch ab. Deshalb, so ist aus dem Unternehmen zu hören, verfiel Wagner im Laufe des vergangenen Jahres auf „Plan B“ – einen Börsengang (IPO).

Allerdings keinen echten, sondern einen durch die Hintertür – mit Hilfe der Capital One AG. Deren Geschäftsmodell sieht so aus, dass sie gar kein Geschäftsmodell hat. Es handelt sich bei der Firma lediglich um eine Hülle – im Fachjargon Vorratsgesellschaft genannt. Wie auf Anfrage nicht bestritten wird, spielt Wagner offenbar mit dem Gedanken, in diese Hülle die angeblich werthaltigen Teile seines defizitären Unister-Konglomerats zu überführen. Neben „Fluege.de“ und „Ab-in-den-urlaub.de“ käme dafür auch der hauseigene Reiseveranstalter Urlaubstours infrage.

Theoretisch würde die Capital One AG damit über Werte verfügen, die eine Kapitalerhöhung rechtfertigten. Und ebenso theoretisch könnte die Unister-Holding über einen Verkauf der neuen Aktien Erlöse erzielen, die sie in die Lage versetzten, Hanse Merkur auszuzahlen.

In der Praxis nennen wohlmeinende Beobachter den Plan „sehr kühn“ – andere geben ihm „keine Chance“. Einer, der die Kreditverträge zwischen Unister und Hanse Merkur kennt, weist darauf hin, dass die Unternehmensteile, die am ehesten für den Hintertür-IPO infrage kämen, als Sicherheiten verpfändet seien. „Die Einbringung von Vermögenswerten“, kontert Unister, wäre „unsererseits selbstverständlich frei von bestehenden Sicherheiten“.

Daneben wird auf den verheerenden Ruf verwiesen, der Unister am Kapitalmarkt vorauseilt. Die Leipziger besitzen mit Travel24 bereits eine börsennotierte Tochter, deren Aktienkurs um mehr als 30 Euro auf unter drei Euro zusammengefallen ist. 2012 emittierte Travel24 zudem eine Mittelstandsanleihe, die inzwischen nur noch bei einem Drittel des Nennwerts notiert. In einem internen, vom inzwischen abberufenen Aufsichtsratschef in Auftrag gegebenen Gutachten ist in diesem Zusammenhang sogar vom Verdacht auf „Kapitalanlagebetrug“ die Rede. Unister bezeichnet diese Vorwürfe als „nicht nachvollziehbar“.

An der Börse Düsseldorf steht die vermeintlich krisenfeste Capital-One-Aktie derweil „unter Beobachtung“, wie ein langjähriger Händler berichtet. Denn ein Handel mit den Papieren fand bislang nicht statt, was die zunächst mit jeweils einem Euro bewerteten Aktien nicht davon abhielt, auf einen Kurs von 2,65 Euro emporzuschnellen.

„Es gibt tatsächlich keinen auf Umsatz beruhenden Aktienpreis“, bestätigte Düsseldorfs Börsenchef Thomas Dierkes dem Handelsblatt. Der von der Börse mit der Preisfeststellung beauftragte Kursmakler, glaubt er, habe womöglich Kaufgebote im Orderbuch, die nicht vollzogen wurden. „Von Unister kommen sie nicht“, wehrt die Internetfirma in Leipzig einen naheliegenden Verdacht ab.

Der Wertzuwachs von einer Million Euro ist buchstäblich eine Luftnummer. Geschäftsaktivität nämlich entfaltete Capital One bis heute nicht. Stattdessen quittierten die bis kurz vor Weihnachten amtierenden Aufsichtsratsmitglieder ihre Ämter, ohne dass neue ernannt wurden. Den Vorbesitzer der Capital One AG will Unister nicht preisgeben. Aus den Zulassungsunterlagen aber geht hervor, dass die Firma zunächst dem Schweizer Investmentberater Thomas Lips unterstand. Im November 2015 gingen 96,15 Prozent der 600.000 Namensaktien an die Unister Travel Betriebsgesellschaft mbH in Leipzig über. Marvin Dominic Andrä, Chef der Holdingtochter Unister Ventures, übernahm bei der scheinbar jeden Tag wertvoller werdenden Mantelgesellschaft kurz darauf den Vorstand.

Die wundersame Geldvermehrung findet nur auf dem Papier statt. Dabei könnte Unister einen Kapitalzustrom dringend brauchen. Wie der Leipziger Reisevermittler auf Anfrage bestätigte, hat ihm der Zahlungsverkehr-Dienstleister Concardis zum 31. Januar die Zusammenarbeit gekündigt.

Das Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Banken und Sparkassen hatte Unister in einem internen Schreiben als Grund mitgeteilt, man fürchte dort eine „verschlechterte Finanzlage“. Gegenüber dem Handelsblatt wies ein Unister-Sprecher diese Befürchtung zurück. Der Eschborner Finanzdienstleister besitze keine internen Kenntnisse über die Vermögenslage von Unister, sagte er.

Die verschleiert der sächsische Internetkonzern seit Jahren, indem er seiner Veröffentlichungspflicht nicht nachkommt. Was die Skepsis am wirtschaftlichen Erfolg zuletzt anheizte: Der Jahresabschluss für 2013, der dem Handelsblatt vorliegt, wies einen Fehlbetrag von 27,7 Millionen Euro aus – samt einer bilanziellen Überschuldung.

Für die Leipziger wird es durch den Ausstieg von Concardis noch enger. Schon vor drei Jahren stellte Paypal den Bezahldienst für die Internetportale ein. Doch Unister, von Sachsens Regierung mit Millionenbeträgen gefördert, gibt nicht auf. Für den Geldtransfer soll nun „Sofortüberweisung.de“ sorgen, eine Tochter der schwedischen Klarna AG.

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