Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Interview DFB-Generalsekretär Curtius: Nationalmannschaft soll im September wieder antreten

Nach den Plänen des DFB soll die Nationalelf in diesem Herbst Geisterspiele austragen. DFB-Generalsekretär Curtius setzt sich zudem für einen raschen Neustart der Amateurligen ein.
24.05.2020 - 14:16 Uhr Kommentieren
Der Jurist sorgt sich um die Fußball-Amateurvereine an der Basis. Quelle: imago images/Kicker/Zink
DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius

Der Jurist sorgt sich um die Fußball-Amateurvereine an der Basis.

(Foto: imago images/Kicker/Zink)

München Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) plant einen Neustart der Nationalelf für September mit Geisterspielen ohne Zuschauer. „Wir müssen an Szenarien arbeiten, die uns möglichst in die Lage versetzen, dass im Herbst wieder die Nationalmannschaft auf dem Platz steht“, sagt DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius in einem Interview mit dem Handelsblatt.

Es sei ja „kein Geheimnis, dass die Erlöse aus der Vermarktung der Nationalmannschaft die Haupt-Einnahmequelle des DFB darstellen“, so Curtius weiter. Fakt sei auch, „dass wir weder mit der Dritten Liga noch mit der Frauen-Bundesliga Geld verdienen“. Curtius kündigt an, auf dem Außerordentlichen Bundestag am 25. Mai eine Task Force zur Reform der Dritten Liga einzusetzen – auch mit externen Experten.

Sie solle sich „mit der wirtschaftlichen Stabilität der Dritten Liga und der Struktur des Profifußballs unterhalb der Bundesligen“ befassen. Ziel sei, die Dritte Liga als bundesweite Spielklasse fortzuführen. Sie setze mit Fernsehen und Sponsoring immerhin knapp 25 Millionen Euro um – „diese Entwicklung war nur als eingleisige Profiliga möglich“, so Curtius im Handelsblatt.

Der DFB-Generalsekretär erklärt im Interview weiter, für die ersten drei Ligen, die Frauen-Bundesliga und den DFB-Pokalwettbewerb „ganz klar“ die Präferenz zu haben, die Saison zu Ende zu spielen: „So würden wir uns sehr viele Rechts- und Haftungsfragen sparen. Der Fußball lebt davon, dass die Entscheidung auf dem grünen Rasen fällt – und nicht am grünen Tisch.“

In der derzeitigen Diskussion um den Fußball komme ihm ein baldiger Neustart des Amateurfußballs zu kurz, meint Curtius im Handelsblatt: „Es muss deshalb unser Interesse sein, im Sog des Profibereichs auch den Fußball an der Basis wieder zu beleben.“ Der Sport, das Vereinsleben und die Gemeinschaft hätten in Krisenzeiten einen höheren Wert denn je, so der DFB-Generalsekretär: „Der Fußball wird gebraucht.“

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Curtius, der DFB lässt in Umfragen die Seelenlage der Nation erforschen. Was fällt den Deutschen ein, wenn sie an Fußball denken?
Die Wahrnehmung des Fußballs hat sich in Zeiten der Coronakrise verändert. Das ist nicht nur logisch, sondern absolut verständlich angesichts der Sorgen, die sich jeder macht in dieser Lage. Andererseits haben die Einschaltquoten und Reichweiten rund um die Wiederaufnahme der Bundesliga eines verdeutlicht: trotz aller nachvollziehbarer Kritik sind Interesse und Begeisterung für den Sport noch immer sehr groß.

Hat die Debatte über den Neustart der Bundesliga auch geschadet?
Ich denke, dass diese Debatte, so kontrovers sie sein mag, vor allem eine Chance für den Fußball sein kann. Eine Chance für jeden, der Teil der Fußball-Bewegung ist, sich und sein Handeln zu reflektieren. Für abschließende Antworten ist es verfrüht. Dass ein Spiel ohne Zuschauer nicht das gleiche ist wie eines im voll besetzten Stadion, ist klar. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. In der aktuellen Situation sind Geisterspiele der beste Weg.

13 von 36 Klubs der Ersten und Zweiten Liga wären ohne Wiederaufnahme der Liga in die Pleite gerutscht. Stand der DFB unter Zugzwang?
In unserer Satzung ist festgeschrieben, dass wir mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) den Spielbetrieb im Profifußball sicherstellen. Insofern müssen wir nach Lösungen in der Corona-Zeit suchen. DFB und DFL haben gemeinsam ein Konzept entwickelt – unter der Prämisse, das Risiko von Infektionen zu minimieren. Das ist bei uns nichts anderes als bei VW, Siemens oder Lufthansa. Wir alle müssen jetzt kreativ sein und versuchen, die Produktion am Laufen zu halten. Fußball ist ein Wirtschaftszweig, da geht es auch um Arbeitsplätze. Wir haben Verantwortung.

Die Politik hat die Spielerlaubnis für die Bundesliga ermöglicht. Ist der Staat damit in der Pflicht, bedrohte Klubs mit Hilfsgeldern zu retten?
Wenn wir den Spielbetrieb flächendeckend fortsetzen und zu einem sportlichen Ende bringen können, hoffen wir, möglichst viele Insolvenzen zu vermeiden. Doch auch Vereine an der Basis sind betroffen. Sie müssen die Plätze pflegen, das Vereinsheim instand halten. Gleichzeitig brechen die wenigen Sponsoren weg. Wir reden dabei nicht über Unternehmen, sondern über den Verein von nebenan. Besonders schlecht sieht es aus, wenn man investiert hat, beispielsweise in einen Kunstrasenplatz. Solche Vereine sind auf Hilfen angewiesen, und das können auch staatliche sein. Wir tauschen uns mit Politik, Verbänden und Sponsoren aus, um den Untergang von Vereinen zu verhindern. Das hätte ich mir noch vor zwei Monaten nicht vorstellen können.

Alle Welt redet vom Comeback der Bundesliga. Müsste es nicht vielmehr um einen baldigen Re-Start an der Basis gehen? Hier liegt doch der größere soziale Nutzen.
Genau das kommt mir in den Diskussionen zurzeit zu kurz. Zum Fußball in Deutschland und zum DFB gehört so viel mehr. Wir haben eine Verantwortung für mehr als sieben Millionen Mitglieder aus der Mitte unserer Gesellschaft. Es muss deshalb unser Interesse sein, im Sog des Profibereichs auch den Fußball an der Basis wieder zu beleben. Unter Auflagen ist es vielen Amateurvereinen mittlerweile erlaubt, wieder zu trainieren. Zur Unterstützung hat der DFB allen Vereinen ein Konzept mit dem Titel „Zurück auf den Platz“ an die Hand gegeben. Eine Rückkehr in den Amateur-Spielbetrieb mit 1,5 Millionen Spielen im Jahr ist noch weit weg. Aber der Sport, das Vereinsleben und die Gemeinschaft haben in Krisenzeiten einen höheren Wert denn je. Der Fußball wird gebraucht.

Wie sieht das Konzept genau aus, um den Amateursport zu stärken?
Manche Bundesländer wollen Wettkampfsport im Juni erlauben, andere erst Ende August. Im Grunde entscheiden die DFB-Landesverbände mit den örtlichen Behörden über den für sie jeweils richtigen Weg. Da will und muss der DFB mit seinen Mitgliedsverbänden Überzeugungsarbeit im Sinne der Vereine betreiben sowie Ratgeber und Hilfe für die Klubs sein. Wir werden den Masterplan „Amateurfußball 2024“, der bereits vor der Coronakrise in Arbeit war und die Stärkung des Vereinsfußballs zum Ziel hat, aufgreifen und so konsequent wie möglich vorantreiben.

Die 3. Liga soll am 30. Mai starten, die Landesverbände in Sachsen und Sachsen-Anhalt wollen jedoch den Abbruch. Ist Ihr Ziel, dass möglichst viele die Saison zu Ende spielen?
Für die ersten drei Ligen, die Frauen-Bundesliga sowie den DFB-Pokalwettbewerb habe ich ganz klar diese Präferenz. So würden wir uns sehr viele Rechts- und Haftungsfragen sparen. Zumal wir statuarisch dazu verpflichtet sind, alles zu tun, um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. Der Fußball lebt davon, dass die Entscheidung auf dem grünen Rasen fällt — und nicht am grünen Tisch.

Und wo bleibt die oft geforderte langfristige Reform der 3. Liga?
Wir werden beim Bundestag eine Task Force einsetzen, die sich mit der wirtschaftlichen Stabilität der 3. Liga und der Struktur des Profifußballs unterhalb der Bundesligen befasst. Darin sollen Expertinnen und Experten aus vielen Bereichen, auch außerhalb des Fußballs, eingebunden werden. Ziel ist es, die 3. Liga als bundesweite Spielklasse fortzuführen.

Die Welt des FC Bayern oder auch des HSV ist weit entfernt.
Durch die sprunghafte Entwicklung der TV-Gelder in der Bundesliga und Zweiten Liga ist der Abstand immer größer geworden. Die 3. Liga schafft hier ein Angebot, um Auf- und Abstieg verträglich zu gestalten. Mit Fernsehen und Sponsoring setzen wir immerhin knapp 25 Millionen Euro um. In Europa schaffen viele Länder dies nicht mit ihrer Zweiten Liga. Diese Entwicklung war nur als eingleisige Profiliga möglich.

In Zeiten des Virus wird das Nicht-Sportliche wichtiger. So streiten die Profiklubs über eine Verlängerung der Saison in den Juli oder über Modalitäten bei einem Abbruch.
Was wäre die Alternative? Es ist ja davon auszugehen, dass bis September noch kein Impfstoff gefunden sein wird. Das heißt, auch im Herbst werden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit Spiele unter Ausschluss der Zuschauer erleben, und ein Hygienekonzept wird nötig sein. In der neuen Normalität muss sich auch der Fußball neu orientieren. Wir können nicht warten, bis das Virus wieder weg ist. In diesem Fall würde es auch den DFB irgendwann wirtschaftlich extrem hart treffen.

Der Ton wird rauer. Ihr Präsident Fritz Keller kritisiert einige Profis als „Neureiche am Ball, die mit ihrem Geld herumprotzen“. Und Karl-Heinz Rummenigge vom FC Bayern München fordert den DFB auf, „vor seiner eigenen Tür zu fegen“. Krisen habe es da genug gegeben.
Uns eint das Ziel, den Fußball zukunftsfähig zu gestalten. Der DFB muss sich jetzt Gedanken über die Zeit machen, in der der Ball wieder ganz normal rollen wird. Dabei ist auch zu fragen, was man künftig vielleicht besser macht. Die Debatte wird mit einer gewissen Emotionalität geführt, weil es um Existenzen geht.

Die DFL will im Herbst in einer „Task Force Zukunft“ über Gehaltsobergrenzen und Quoten im Budget für Spielerkäufe reden. Offenbar ist einiges aus dem Ruder gelaufen.
Genau diese Punkte hat DFB-Präsident Keller mit seinem Fünf-Punkte-Plan für mehr Nachhaltigkeit im Fußball ja angeregt. Wir beim DFB werden das für die 3. Liga tun. Die Coronakrise wirkt wie ein Brandbeschleuniger, Entwicklungen und Probleme werden mit ungeheurer Geschwindigkeit auf die Spitze getrieben. Da müssen wir schnell antworten, obwohl die Dinge komplex sind. Es geht hier um langfristige Spielerverträge und die Vereinbarkeit mit den Regeln in der EU: Sie hat bei Gehaltsobergrenzen entscheidend mitzureden.

Bedingt durch Corona fielen 2020 Länderspiele und die EM aus – und damit wichtige Einnahmen aus TV und Vermarktung. Beim DFB drohen 55 Millionen Euro Jahresverlust. Rufen Sie zum großen Sparen auf?
Zeigen Sie mir eine Firma in Deutschland, in der in der jetzigen Phase nicht extrem auf Budget und Haushalt geachtet wird! Das gehört zu unserer Verantwortung, auch mit Blick auf den Erhalt der Arbeitsplätze. Wir müssen uns auch Gedanken machen, was diese Krise für die Zusammenarbeit mit unseren Partnern bedeutet.

Bundestrainer Joachim Löw – Spiele ohne Zuschauer im Stadion. Quelle: dpa
Nationalmannschaft

Bundestrainer Joachim Löw – Spiele ohne Zuschauer im Stadion.

(Foto: dpa)

2018 lieferte die Nationalmannschaft 58 Millionen Gewinn ab…
…es ist ja kein Geheimnis, dass die Erlöse aus der Vermarktung der Nationalmannschaft die Haupt-Einnahmequelle des DFB darstellen. Fakt ist auch, dass wir weder mit der 3. Liga noch der Frauen-Bundesliga Geld verdienen. Deshalb müssen wir an Szenarien arbeiten, die uns möglichst in die Lage versetzen, dass im Herbst wieder die Nationalmannschaft auf dem Platz steht. Ich habe Oliver Bierhoff gebeten, hierfür ein Konzept zu erarbeiten, damit wir im September wieder starten. Einen ersten Zwischenstand hat er bereits vorgestellt.

Mit Geisterspielen?
Ja. Das ist in der aktuellen Situation das Naheliegende. Wenn wir im Sommer eine zweite Pandemiewelle erleben sollten, sieht es natürlich noch mal ganz anders aus. Zu Länderspielen reisen Nationalspieler durch ganz Europa, da wird es schwieriger, mittels Testungen festzustellen, dass kein Infektionsrisiko vorliegt. Der Kalender des europäischen Fußballverbands Uefa sieht für den Herbst Länderspiele vor. Der Zeitraum ist im Rahmenterminkalender geblockt.

Sie haben die große Modernisierung des DFB ausgerufen. Was wird daraus, wenn Sie ganz mit Corona-Krisenmanagement eingedeckt sind?
Die Pandemie schafft andere Rahmenbedingungen, das Ziel ändert sich nicht: den DFB zukunftssicher, transparent und glaubwürdig aufstellen. Um ihn stark zu halten, damit er seine gesellschaftliche Aufgabe erfüllen kann. Wir haben schon viel erreicht. Der Neubau der DFB-Zentrale mit seiner Akademie ist voll im Zeit- und Kostenplan. Es ergeben sich spannende Aufgabenfelder wie etwa E-Football, für uns ein Wachstumsfeld. Der DFB-E-Pokal wird Realität.

Ihr Verband will bis 2021 den kommerziellen Geschäftsbetrieb in die DFB GmbH völlig ausgliedern . Wie läuft die Trennung?
Das ist ein ganz wichtiger Baustein. Viele Fragen des Steuerrechts und der Haftung sind berührt. Wir sind mit der Finanzverwaltung sowie den Steuer- und Wirtschaftsprüfern in ständigem Austausch. Kommt von deren Seite das finale „Go“, können wir die letzten Schritte vollziehen.

Sie sind sowohl Geschäftsführer der DFB GmbH als auch des DFB e.V. Eine Interessenskollision?
Ich bin in erster Linie Generalsekretär des DFB. Damit stehe ich in der Verantwortung sowohl für den kommerziellen als auch den ideellen Teil. Beide Teile brauchen einander – wir sind eine Mannschaft. Wie das später personell aussehen wird, beantworten wir, wenn es soweit ist. Die Gewinne der Hundertprozent-Tochter GmbH werden an den e.V. ausgeschüttet. Jeder Euro muss dem Zweck der Verfassung entsprechen.

Sie reden oft von der Zukunft. Ihr Präsident arbeitet aber noch mal die dubiose Vergabe der WM 2006 nach Deutschland auf. Stört Sie das?
Ganz im Gegenteil. Ich habe den Gedanken unseres Präsidenten, eine Generalinventur durchzuführen, unterstützt. Das gibt uns die Chance, die Dinge, die wir seit 2015 verändert haben, von externer Stelle überprüfen und mit einem Qualitätssiegel versehen zu lassen. Fritz Keller sagt immer, dass er als Winzer regelmäßig schaut, welche Weine noch gut und welche nicht mehr so gut sind.

Haben Sie eigentlich einen Slogan für den DFB-Umbau?
Ja – „gemeinsam die Zukunft gestalten“. Man darf Veränderung auch bei einer 120 Jahre alten Organisation nicht scheuen.

Herr Curtius, wir danken Ihnen für das Interview.

Mehr: So fühlt sich Bundesliga-Fußball im leeren Stadion an.

Startseite
Mehr zu: Interview - DFB-Generalsekretär Curtius: Nationalmannschaft soll im September wieder antreten
0 Kommentare zu "Interview: DFB-Generalsekretär Curtius: Nationalmannschaft soll im September wieder antreten"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%