Krankenhäuser Der Weg zur digital vernetzen Klinik ist lang

Die digitale Pathologie ermöglicht den Essener Ärzten präzise Diagnosen.
Essen Deutschlands Krankenhäuser haben beim Thema Digitalisierung nach wie vor Nachholbedarf. Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf beispielsweise war 2011 die erste und bislang auch einzige Klinik in Deutschland, die bei ihrer elektronischen Patientenakte die höchste Technologie-Stufe nach dem international anerkannten Bewertungsmodell der Non-Profit-Organisation HIMSS erreicht hat: die papierlose elektronische Patientenakte, die alle klinischen Bereiche integriert und den Austausch mit anderen Leistungserbringern ermöglicht. Diese Stufe 7 erreichen in den USA immerhin knapp 300 Kliniken.
Zu solchen Zahlen will es dann gar nicht passen, wenn 90 Prozent aller Klinikchefs in Deutschland angeben, eine Digitalstrategie zu haben, wie eine Umfrage der Unternehmensberatung Roland Berger vergangenes Jahr ermittelte. Berater Oliver Rong, der den Bereich Gesundheitswesen von Roland Berger Deutschland leitet, hat dafür eine Erklärung: Wenn man von Digitalisierung als IT-Unterstützung von Prozessen im Krankenhaus spricht, dann seien natürlich die meisten Kliniken hier bereits aktiv.
„Aber wenn es darum geht, Digitalisierung als breiten Ansatz zu verstehen, der nicht nur Arbeitsweisen, sondern komplette Prozesse und am Ende vielleicht auch Geschäftsmodelle verändern wird, dann beschäftigen sich nur sehr wenige Kliniken in Deutschland mit diesen Szenarien“, sagt er.
Digitalisierung ist eben nicht gleich Digitalisierung, betont auch Kurt Kruber, Mitglied des IT-Ausschusses im Verband der Universitätsklinika. „Alle Unikliniken beschäftigen sich derzeit intensiv damit, wie sie digitale Projekte vorantreiben können. Sei es in der Diagnostik, beim Thema Elektronische Patientenakte oder der Frage der Vernetzung mit anderen Kliniken oder Arztpraxen im Markt.“
In der Realität aber werde es noch ein paar Jahre dauern, bis all die Projekte und Initiativen integriert und in einen volldigitalisierten Betrieb überführt sind, meint Kruber, der am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München Medizintechnik und Informationstechnik verantwortet.
Neben der technischen Herausforderung, in einem Universitätsklinikum Anwendungen Hunderter verschiedener Hersteller zusammenzuführen, gibt es vor allem auch finanzielle Hürden. „Mit dem durchschnittlichen IT-Budget von 1,5 Prozent des Umsatzes können die Systeme instand gehalten und vielleicht moderat modernisiert werden. Dabei gibt es dann aber keinen Spielraum für große technologische Sprünge“, sagt Kruber.
Diese Herausforderung kennt auch Prof. Jochen Werner, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Essen. Er verfolgt das Ziel, das Uniklinikum künftig als „Smart Hospital“ im Markt zu positionieren. „Das Uniklinikum Essen war einmal ein Städtisches Krankenhaus. Es hat keinen jahrhundertealten Forschungsschwerpunkt wie andere Unikliniken. Jetzt haben wir die Chance, eine neue Geschichte zu schreiben, indem wir uns bei der Digitalisierung vorne positionieren“, sagt er.
Papierloses Arbeiten
In der Diagnostik unterstützen IT-und Wissenssysteme; die elektronische Patientenakte soll in Essen in der zweiten Jahreshälfte eingeführt werden. Und die neue Notaufnahme, die bald an den Start geht, wird technisch so ausgestattet, dass schon in den Einsatzfahrzeugen die Patientendaten an das Klinikum übermittelt werden können.
Für den Mediziner Werner ist es wichtig, dass mit der Digitalisierung auch „die spitzhierarchischen Strukturen in der Medizin“ verändert werden können: „Die neuen Technologien ermöglichen es, dass das Wissen anders verteilt wird.“ So sei es möglich, über das eigene Arbeitsgebiet hinauszuschauen, weil die interessanten Entdeckungen in den Grenzgebieten zu anderen Disziplinen oder in der Zusammenarbeit mit ihnen gemacht werden. „Das schafft ganz neue Teamstrukturen“, sagt Werner.
Finanziert wird der digitale Vorstoß weitgehend aus dem laufenden Betrieb: „Wir sind als Universitätsklinikum Treiber von Innovation, wir müssen selbst aktiv werden.“ Deshalb werde in Essen jede Investition dahingehend hinterfragt, ob sie zum Konzept des Smart Hospitals passe, sagt Werner. Das gelte auch für die Professuren, die besetzt werden.
Mehr als zehn Millionen Euro stellt die Universitätsmedizin Essen jährlich für IT-Aufwendungen bereit, die ganz maßgeblich auch im Kontext der Entwicklung zum Smart Hospital zu sehen sind, so der Kaufmännische Vorstand Thorsten Kaatze. Hinzu kommen Fördergelder und Drittmittel.
Der Jahresabschluss für das vergangene Jahr liegt noch nicht vor, 2016 nahm das Uniklinikum insgesamt 650 Millionen Euro Erlöse ein, verbuchte aber einen Jahresfehlbetrag von 14,3 Millionen Euro.
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