Kursplattform Iversity insolvent: Geplatzter Traum vom Onlinestudium
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Kursplattform Iversity insolventGeplatzter Traum vom Onlinestudium
Digitale Bildung, kostenlos und für jedermann – das war das Ziel des deutschen MOOC-Anbieters Iversity. Doch die Plattform ging pleite. Nun versuchen die Gründer einen Neustart – mit einem Angebot für Unternehmen.
US-Plattformen sind bei Hochschulkursen im Netz führend.
(Foto: Imago)
Düsseldorf Harvard oder Stanford für alle – der Traum wurde vor wenigen Jahren wahr. Da stellten erst renommierte Universitäten in den USA, später Hochschulen weltweit Seminare ins Netz: Digitale Bildung, kostenlos und für jedermann verfügbar. Um diese Hochschulkurse, Massive Open Online Courses oder kurz MOOCs genannt, entstand 2012 ein Hype, der auch Deutschland erfasste und ein Jahr später die Onlineplattform Iversity zum deutschen MOOC-Anbieter aufsteigen ließ. Anfang Juni allerdings kam der Fall: Iversity meldete Insolvenz an. Mitgründer Hannes Klöpper ist aber überzeugt: Es gibt eine Zukunft für die Plattform. Mit kostenloser digitaler Bildung könnte die allerdings nicht mehr viel zu tun haben.
Iversity sei an der Finanzierung gescheitert, sagt Klöpper. Die einstigen Hauptgeldgeber und Anteilseigner – die mittlerweile zu Grabe getragene Beteiligungstochter T-Venture der Deutschen Telekom und der Risikokapitalgeber BMP – konnten kein Geld mehr zuschießen, so dass eine eigentlich schon zugesagte Brückenfinanzierung letztlich nicht zustande kam, so Klöpper. Das Hauptproblem, da sind sich so manche in der Branche einig, ist aber ein anderes: Iversity hatte kein richtiges Geschäftsmodell und kam gegen die übermächtige, mit vielen Millionen Dollar ausgestattete Konkurrenz aus den USA nicht an.
Iversity-Gründer Hannes Klöpper
„Es gibt wenig Anreize für Hochschulen, im digitalen Bereich etwas zu tun.“
Dabei wagte sich Iversity mit einem durchaus innovativen Modell auf den Bildungsmarkt. Studenten können nicht nur Hochschulkurse online belegen, sondern bei einigen auch gegen Gebühr eine Prüfung ablegen. Wer die besteht, kann sich die Punkte an der eigenen Hochschule für seinen Abschluss anrechnen lassen. Doch das Interesse war offenbar nicht sehr groß – vermutlich auch, weil jede Hochschule selbst entscheidet, welche Seminare der Konkurrenz sie anerkennt. Frank Piller, Betriebswirtschaftsprofessor an der RWTH Aachen, hat so einen Kurs auf der Plattform angeboten. In einem Semester hätten sich nur ein Dutzend Studenten für die Bezahl-Klausur interessiert. Sein Fazit: „Geld zu verlangen war ein Experiment, das in diesem Format auf dem deutschen Markt nicht funktioniert hat.“
Eine neue Finanzierungsrunde ist in Arbeit
Hinzu kommt: Iversity hat nur wenige renommierte deutsche Universitäten für sich gewinnen können und die meisten ausländischen Hochschulen auf der Plattform sind – vorsichtig formuliert – eher wenig bekannt. Die Kursauswahl war im Vergleich zu den amerikanischen Plattformen überschaubar. „Es gibt wenig Anreize für Hochschulen, im digitalen Bereich etwas zu tun. Meist sind es einzelne Professoren, die etwas anbieten“, sagt Klöpper.
Die RWTH etwa arbeitet seit einem halben Jahr mit einem der wichtigsten MOOCs-Anbieter in den USA zusammen – genauso wie die Technische Universität München. Edx heißt der, eine Plattform mit bisher mehr als 950 Kursen und 90 Partnerhochschulen weltweit, die die renommierten US-Universitäten Harvard und MIT ins Leben gerufen haben. Sie haben nach eigenen Angaben schon zu Beginn jeweils umgerechnet 27 Millionen Euro in Edx gesteckt, Gewinne soll die Plattform nicht erwirtschaften. Zum Vergleich: Iversity hat insgesamt nur mehr als sechs Millionen Euro Risikokapital eingesammelt.
Und arbeitet derzeit an einer neuen Finanzierungsrunde. Damit will das auf vier Köpfe geschrumpfte Team um Hannes Klöpper die Werte aus der Insolvenzmasse herauskaufen und in einer neuen Gesellschaft weitermachen, für die neue Investoren gesucht werden. Bis zum 1. August muss das Geld beschafft sein, an diesem Tag wird das Insolvenzverfahren eröffnet. „Es gibt ein konkretes Angebot“ sagt Klöpper. Noch sei aber nichts unterschrieben.
Man plane einen „Neustart“ steht in einer Mitteilung aus der vergangenen Woche. Für etwa 20 Mitarbeiter heißt das allerdings: ohne sie. Iversity will sich auf Online-Weiterbildungskurse für Unternehmen konzentrieren, ein Schwenk, den die Plattform vor einem Jahr angestoßen hat. Zusammen mit der WHU – Otto Beisheim School of Management wurde damals etwa ein Kurs in „Visual Thinking for Business“ angeboten, für den die Teilnehmer 399 Euro zahlen sollten. „Der didaktische Ansatz von Iversity setzt auf die Interaktion und gegenseitiges Feedback zwischen den Lernenden, wobei der Fokus auf der Vermittlung praktischer Fähigkeiten liegt“, hieß es vor einem Jahr. Zudem hatte Iversity ein Weiterbildungspaket entwickelt, das vier Kurse und eine Projektarbeit einschloss und je nach Betreuung 1400 bis 2400 Euro kosten sollte.
Idee und Konzept von Iversity soll weiterleben
Anders als etwa der US-Konkurrent Udacity adressiert Iversity nicht den einzelnen Lerner, sondern Unternehmen, die ihren Mitarbeitern die Weiterbildung bezahlen. „Die Weiterbildungsangebote für Unternehmen wurden gut angenommen, wir haben eine ganze Reihe an Deals in der Pipeline“, sagt Klöpper heute. Und: „Es gibt Pläne für eine Zusammenarbeit mit Unternehmen wie der Telekom, der Bahn, KPMG, Bosch, Merck oder Klöckner.“ Für die Akademie der Bahn etwa hat Iversity schon Kurse durchgeführt. Die wurden laut einer Bahn-Sprecherin „als sehr wertbringend empfunden“. Daher sei man an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert, wenn die Idee und das Konzept von Iversity in einer neuen Form weiterlebten.
Der Markt für MOOCs
Den Markt für kostenlose Hochschulkurse im Netz (MOOCs) dominieren die US-Plattformen Coursera und Edx.
Die US-Anbieter haben Millionen Nutzer, die meist kostenlos lernen, aber für ein Zertifikat zahlen müssen. Bei Coursera sind das etwa 18 bis mehr als 180 Euro. Die einstige MOOC-Plattform Udacity setzt heute auf Weiterbildung im IT-Bereich, die Kurse kosten 200 Euro im Monat.
Mit Weiterbildung lässt sich einiges verdienen: Der Autozulieferer Bosch beispielsweise gibt nach eigenen Angaben weltweit 250 Millionen Euro im Jahr dafür aus. Der Schwenk auf das Geschäft mit der Weiterbildung sei viel zu spät erfolgt, kritisiert daher einer, der die Branche gut kennt. Zudem sei Iversity das Ganze nicht gut genug angegangen.
Wie es mit den MOOCs, den kostenlosen Hochschulkursen, weitergeht, ist noch offen. Für einen Branchenkenner steht damit eine viel größere Frage im Raum. „Möchte man das Feld komplett den Amerikanern überlassen?“ US-Plattformen wie Edx und Coursera dominieren weltweit, hierzulande gibt es neben Iversity keine unabhängige Plattform.
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