Marken auf Messen „Das persönliche Treffen wird noch wichtiger“

Der Marketingexperte spricht über einen gelungenen Messeauftritt und die Aufgabenstellung für Unternehmen.
Düsseldorf Auf Messen treffen Unternehmen ihre Kunden, präsentieren ihre Produkte und Dienstleistungen. Es ist eine Chance sich nachhaltig im Bewusstsein des Kunden einzuprägen und Alleinstellungsmerkmale gegenüber den Mittbewerbern zu präsentieren. Doch der Messeauftritt einer birgt auch Risiken. Was müssen Markenverantwortliche bei der Konzeption und Durchführung eines Messeauftritts beachten müssen, erklärt Manfred Kirchgeorg im Interview. Der Marketingexperte forscht zum Thema Messemanagement und hat klare Ziele und Aufgaben für Unternehmen identifiziert.
Welche Rolle spielen Messen für die Markenkommunikation?
Messen spielen zur Schaffung physischer sowie mit allen Sinnen erlebbarer Markenerfahrungen eine wichtige Rolle. Selbst die digitale Welt schafft es heute (noch) nicht, Interessenten zu einem Zeitpunkt und an einem Ort alle wesentlichen Markenangebote physisch erlebbar zu präsentieren. Hierin liegt die Stärke der Messen seit Hunderten von Jahren. Macht man die Bedeutung von Messen am Budgetanteil fest, so nehmen sie im Business-to-Business-Bereich bis zu 50 Prozent des Kommunikationsbudgets ein. Im Bereich der Business-to-Costumer-Produkte ist der Anteil im Vergleich zur klassischen und digitalen Kommunikation relativ gering, was auch daran liegt, dass es kein Instrument der permanenten Kommunikation ist. Besondere Relevanz wird Messen für den Eintritt auf Auslandsmärkten auf Business-to-Business-Märkten beigemessen.
Was macht die Messe für Marken einzigartig?
In vielen Branchen sehen sich Nachfragern nicht zuletzt getrieben durch die Globalisierung einer zunehmenden Anzahl von Produkten innerhalb einer Kategorie gegenüber. Bei der Angebotsflut übernehmen richtig geführte Marken für den Kunden eine Orientierungs-, Vertrauens- und Prestigefunktion. Marken richtig führen heißt heute, die Einzigartigkeit einer Markenidentität über alle Sinne beim Kunden zu verankern. Hier setzen die Instrumente der Live Communication wie Messen oder auch Brand Lands an, denn nur hier ist es möglich, physische Produkterfahrungen in einem adäquat gestalteten Umfeld zu erlangen. Man muss aber kritisch anmerken, dass die multisensuale Markenführung bei vielen Unternehmen noch in den Kinderschuhen steckt. Hierdurch liegt ein erhebliches Differenzierungspotential brach.
Stellt die Digitalisierung eine Bedrohung für Messen dar?
Ich sehe die Digitalisierung als Chance für die Messen, denn die Digitalisierung kann heute noch nicht alle Sinne bedienen, aber sie kann einen Beitrag dazu leisten, dass das Zusammentreffen von Ausstellern und Nachfragern effizienter organisiert wird. So geht es darum, vor, während und nach einer Messe die Instrumente der Digitalisierung gezielt einzusetzen. Digitale Tools gilt es zur Erleichterung und Aufwertung der Live-Erlebnisse zu nutzen. Jene Messeveranstalter, die dies nicht erkennen, werden auf der Strecke bleiben. Aber Messeveranstalter wie auch Aussteller müssen aufpassen, dass sie während einer Messeveranstaltung das Live-Erlebnis mit dem Besucher einzigartig gestalten und nicht Besucher mit digitalen Devices abspeisen.
Generell ist zu erwarten, dass trotz des Voranschreitens der Digitalisierung das persönliche Treffen von Menschen und die physische Produkterfahrung einen noch höheren Stellenwert erlangen wird – quasi als Komplement zur digitalen Welt. Hier können die Messen punkten, wenn sie die wertvolle Zeit der physischen Begegnung von Ausstellern und Besuchern effizient, bequem und mit adäquater Erlebnisatmosphäre gestalten. Zunehmend sind sogenannten Scent und Haptic Devices in der Erprobung, die langfristig dazu führen können, dass über die digitale Distanzkommunikation die Sinne zum Tasten, Riechen und Schmecken auch aktiviert werden. Die digitale Welt wird also langfristig auch über alle Sinne erfahrbar werden. Aber diese Entwicklungen stecken noch in den Kinderschuhen.
Lassen sich Markeneigenschaften in Messestände übersetzen?
Bei einem Messeauftritt geht es insbesondere darum, die Markenidentität und die Einzigartigkeit erlebbar zu machen. Das fängt bei der Einladung, der Gestaltung des Messestandes und der Präsentation von Exponaten an, reicht über Organisation von begleitenden Rahmen- und Konferenzprogrammen bis hin zum Verhalten des Standpersonals. In unseren Forschungen haben wir Tools zur systematischen Übersetzung von Markeneigenschaften in multisensuale Messeauftritte entwickelt und erprobt. Eine Voraussetzung zur multisensualen Übersetzung von Markeneigenschaften ist jedoch, dass die Markenidentität und -persönlichkeit von Ausstellern klar definiert ist. Hier gibt es allerdings vielfach große Defizite zu beklagen.
Worauf sollten Markenverantwortliche bei der Messegestaltung achten?
Es sollten klare markenspezifische Ziele für den Messeauftritt definiert und formuliert werden. Auch erfordern Messebeteiligungen neben der Durchführung eine intensive Vor- und Nachbereitung. Die Messeveranstaltung beginnt bereits mit der Anreise auf dem Weg des Besuchers und endet nach seiner Rückkehr.
Bestehen Risiken für die Markenwahrnehmung?
Die Kraft eines Live-Erlebnisses auf Messen birgt natürlich auch die Gefahr, dass bei der unstimmigen Wahrnehmung – und hier geht es wieder um alle Sinne – Besucher auch negative Eindrücke von einem Aussteller und einem Messebesuch mitnehmen können. Das unterstreicht die Wichtigkeit einer systematischen Planung und Umsetzung eines Messeauftrittes. Wenn sich eine Branche auf einer Messe präsentiert, so sind die Wettbewerber für den Kunden gleich nebenan präsent. Ein Aussteller kann somit das Umfeld nicht so gut kontrollieren als wenn man dem Kunden in der eigenen Filiale oder im Brand Land begrüßt.
Herr Kirchgeorg, vielen Dank für das Gespräch.
Prof. Dr. Manfred. Kirchgeorg ist SVI-Stiftungslehrstuhlinhaber für Marketing, insbesondere E-Commerce und Crossmediales Management, an der HHL Leipzig Graduate School of Management.
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