Medical Park Luxus-Kur mit Aussicht

Jedes Jahr soll ein neues Haus dazukommen.
Bernau-Felden Beim Spaziergang auf der Promenade am Chiemsee lassen sich Surfer beim Wellenritt beobachten, beim Blick in die Gegenrichtung blitzt das zwölf Meter hohe Gipfelkreuz der markanten Kampenwand (1669 Meter) vor dem weißblauen Himmel. Am Empfang begrüßt gut geschultes Servicepersonal im Dirndl die Gäste. Die größte Suite im Haus ist 190 Quadratmeter groß. „Wir haben schon Vier-Sterne-Niveau“, ist Ulrich Mauerer überzeugt, der weitere Häuser unter anderem am nicht minder beschaulichen Tegernsee betreibt.
Mauerer ist nicht Chef einer Hotelkette, sondern Vorstandsvorsitzender der Medical Park AG. In seinen 4-Sterne-Häusern erholen sich Patienten – und der deutsche Reha-Markt. Während viele Kliniken knapp an oder unter der Profitabilitätsgrenze arbeiten, wächst Medical Park seit Jahren und schreibt deutlich schwarze Zahlen. Vor zwei Jahren stieg Wolfgang Reitzle in das Unternehmen seines langjährigen Freunds Ernst Freiberger ein und übernahm den Aufsichtsratsvorsitz. Seither ist noch mehr Zug drin, Reitzle drängt unter anderem auf eine Vereinheitlichung der IT. „Wir sind sehr dynamisch und voller Energie“, beteuert Mauerer. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz um 15 Prozent auf erstmals über 200 Millionen Euro, die Auslastung der zwölf Fachkliniken und zwei ambulanten Gesundheitszentren liegt bei mehr als 90 Prozent und ist damit nur noch schwer zu steigern. Daher will Mauerer im Schnitt etwa ein neues Haus im Jahr eröffnen. „Wir wollen auch durch Zukäufe wachsen, aber nur wenn es zu uns passt“, sagt Mauerer.
Auf dem deutschen Klinikmarkt schließen sich derzeit die Häuser, ähnlich wie in den USA, zu immer größeren Ketten zusammen. Sie reagieren damit auf den enormen Kostendruck und Überkapazitäten. Laut einer Faustregel ist hierzulande etwa ein Drittel der Häuser defizitär, ein Drittel verdient kaum Geld, und nur der kleinere Teil erzielt ordentliche Margen. Die Ketten aber können Synergien wie Einkaufsvorteile nutzen. Größter europäischer Klinikbetreiber ist Fresenius.
Auf Nachbehandlungen spezialisiert
Medical Park ist auf die Nachbehandlung von Patienten zum Beispiel nach einem Herzinfarkt, einem Schlaganfall oder einer Hüftoperation spezialisiert. Dieser Reha-Markt wuchs im vergangenen Jahr von 8,7 auf neun Milliarden Euro. Noch ist der Markt zersplittert, und es gibt Überkapazitäten. Doch haben laut einer Studie der Beratungsgesellschaft BDO seit dem Höhepunkt Mitte der 90er-Jahre 220 Reha-Kliniken zugemacht, die durchschnittliche Auslastung ist seither von 62 auf über 81 Prozent gestiegen.
Vor allem bei Premium-Häusern in guter Lage seien gute Renditen möglich, berichten die BDO-Experten. Marktführer sind die Median-Kliniken zusammen mit der RHM-Kette, die vor zwei Jahren für rund eine Milliarde Euro an den Finanzinvestor Waterland verkauft wurden.Der Trend zur Größe sei derzeit unvermeidlich, meint ein Manager einer anderen Klinikkette. Es gebe noch immer eine „große Asymmetrie des Marktes“. So stünden auf der Nachfrageseite sehr große Player – die Kranken- und Rentenkassen, die in den meisten Fällen die Kosten für Kur oder Anschlussbehandlung übernehmen. Sie verhandelten mit kleinen, inhabergeführten Häusern. Das schaffe Preisdruck.Auf der anderen Seite müssten die Häuser, wenn sie einmal 20 bis 30 Jahre alt sind, oft aufwendig renoviert werden, um ein modernes Niveau zu erreichen.
Die Folge: „Die Einzelbetriebe sterben aus, die Kettenbildung nimmt zu“, so der Branchenkenner. Finanzinvestoren hätten die Branche für sich entdeckt. Im Rehabereich sei derzeit Median der große Konsolidierer. Medical Park sei in dieser Funktion bislang noch nicht aufgetreten – die Branche beobachte die Entwicklung des Unternehmens aber genau. Auch Medical-Park-Chef Mauerer ist überzeugt: „Die Konsolidierungstendenz wird sich fortsetzen.“ Er kann sich grundsätzlich auch die Übernahme „größerer Brocken“ und das Zusammengehen mit einer anderen Kette vorstellen. Allerdings wohl nur als Senior-Partner, die Unabhängigkeit gehöre zu Freibergers Grundprinzipien.
Der Medical-Schwerpunkt liegt in Bayern
Auch um die Unabhängigkeit zu wahren, ist die Eigenkapitalquote mit 75 Prozent außergewöhnlich hoch. Etwa drei Viertel der Gäste sind Kassenmitglieder, der Rest sind Privatpatienten und Selbstzahler. Letztere kommen vor allem aus dem Ausland. So erholen sich viele arabische Gäste am Chiemsee. Ernst Freiberger war 1994 in eine boomende Reha-Branche eingestiegen, indem er drei Häuser übernahm. Kurz darauf kam der Abschwung, ausgelöst durch eine Gesundheitsreform, die kräftig bei den Kuren sparte. Freiberger investierte dennoch massiv in seine Häuser. Geld verdiente der Unternehmer damals unter anderem als einer der größten Produzenten von Fertigpizza.

Jedes Jahr soll ein neues Haus dazukommen.
Das Geschäft verkaufte er später. Heute ist er auch noch im Immobiliensektor tätig – ihm gehört zum Beispiel der Spreebogen, eines der spektakulärsten Bürogebäude Berlins. Manche Branchenexperten halten es für nicht ausgeschlossen, dass er eines Tages Immobilien und Betrieb der Häuser trennen könnte. Doch das sind nur Spekulationen. Heute hat Medical Park zwölf Kliniken mit 2800 Betten. Schwerpunkt ist Oberbayern – die idyllische Umgebung gehört zum Konzept. Alle Kliniken lägen „in den schönsten Urlaubsregionen Deutschlands“, wirbt Medical Park auf seiner Homepage. In schönerer Umgebung, ist Mauerer überzeugt, gesundet man schneller. Inzwischen gibt es auch Standorte in Bad Camberg und Berlin, diese könnten zu Clustern nach dem Vorbild von Chiemsee und Tegernsee ausgebaut werden. Auch den Großraum Köln-Bonn kann sich Mauerer vorstellen.
Sich auf das Premiumsegment zu konzentrieren sei eine nachvollziehbare Strategie, meint ein Branchenexperte. Anfangs hätte Medical Park vor allem auf das Drumherum geachtet, bei „sehr ordentlicher“ medizinischer Versorgung. Inzwischen setze die Kette auch einiges daran, auch die auf ein hohes Niveau zu heben. Abwarten müsse man aber, welche Größenordnung Medical Park für die Zukunft anstrebe.
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an
Ärger gab es kürzlich im Haus am Tegernsee, wo wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug eine Hausdurchsuchung stattfand. Drei Ärzte sollen Visiten bei Privatpatienten möglicherweise falsch abgerechnet haben. Zwar war der Auslöser eine vergleichsweise kleine Summe, doch schlug der Fall hohe Wellen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauerten noch an, sagt Mauerer. Er spricht von einem Einzelfall als Auslöser, man prüfe aber, ob es „ähnliche Konstellationen“ bei anderen Abrechnungen gebe. Auch Brancheninsider tun sich bislang noch schwer, den Fall einzuordnen.
Verändert haben sich in den vergangenen Jahren vor allem die Kundenansprüche. „Die Transparenz ist viel größer geworden“, sagt Marcus Müller, der das Haus am Chiemsee leitet. Wenn etwas nicht passt, spricht sich das in Bewertungsportalen im Internet sofort rum. Bietet ein Konkurrent wiederum ein Zusatzschmankerl, macht das ebenso schnell die Runde.
Daher investieren und renovieren Müller und Mauerer unentwegt. Bei der Ergotherapie steht sogar ein Mittelklassewagen, an dem die Patienten den Alltag üben können. Abends geht es dann unter Kastanien entlang in den Biergarten mit Blick auf das Kreuz der Kampenwand. Der Ausblick soll ja heilsam sein.
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