Mitarbeiterbefragung „Das ist nicht mehr mein ADAC“ – Mitarbeiter rechnen mit Automobilclub ab

Nur wenige Mitarbeiter würden diesen Arbeitsplatz weiterempfehlen.
Düsseldorf „Erschreckender Umgang mit Mitarbeitern.“ Vorgesetzte, deren „Führungsstil auf Angstmachen basiert“. Permanenter Zwist und „Machtspiele, die das Klima vergiften“. Was ADAC-Präsident August Markl in der Vorweihnachtszeit über die Zustände im eigenen Haus lesen musste, war deutlich. Aus einer Mitarbeiterbefragung war eine Generalabrechnung geworden.
Gedacht war das anders. 2014 wurde Europas größter Automobilclub von einem Skandal erschüttert. Der ADAC hatten seinen Preis „Gelber Engel“ für Deutschlands beliebteste Fahrzeuge plump manipuliert. Die Führung dementierte, dann musste sie gehen.
Es folgten weitere peinliche Enthüllungen. Eine Vereinsmanagerin ließ ihren Sohn mit einem Rettungsflugzeug in den Urlaub reisen. ADAC-Pannenhelfer sollen Prämien dafür erhalten haben, ADAC-Mitgliedern überteuerte Autobatterien aufzuschwatzen. Das Münchener Amtsgericht prüfte, ob der ADAC eigentlich noch den steuersparenden Status als Verein verdiente.
Der Club ging in sich und gab 2016 eine Reform bekannt: Fortan würde der ADAC in einer modernen Drei-Säulen-Struktur operieren. Die neue Aufstellung sollte die Aktivitäten des Vereins klarer voneinander trennen, Interessenkonflikte vermeiden und mehr Transparenz schaffen.
Der Verein beschränkt sich seither auf Pannenhilfe, technische und touristische Beratung für die knapp 20 Millionen Mitglieder und den Motorsport. In der Aktiengesellschaft, an der der Verein die Mehrheit hält, sind kommerzielle Aktivitäten wie Versicherungen, die Finanzdienstleistungen sowie die Autovermietung und der ADAC-Verlag gebündelt.
Wir sollen ein ADAC sein? Davon merkt man leider nichts mehr. Jeder versucht nur noch, seinen Arbeitsplatz zu retten. ADAC Mitarbeiter/in, Interne Befragung
Als dritte Säule komplettiert die gemeinnützige ADAC-Stiftung das Konstrukt. In ihr sind die Luftrettung und die ADAC Stiftung „Gelber Engel“ zusammengefasst. Auch sie hält 25,1 Prozent und damit eine Sperrminorität an der Aktiengesellschaft.
Reform zeigt ADAC-Probleme auf
„Unsere ,Reform für Vertrauen‘ ist der beste Weg, den ADAC modern, transparent und zukunftssicher aufzustellen“, sagte Präsident Markl im Mai 2016, nachdem die ADAC-Hauptversammlung in Lübeck die Dreiteilung des Unternehmens beschlossen hatte. Das Votum – 84 Prozent Zustimmung – sei „der Beleg, dass wir mit unserem umfassenden Veränderungsprozess den richtigen Weg gegangen sind“.
Fast schien es so. Bei der ADAC-Kundschaft war der Skandal recht schnell vergessen. Schon 2016 strömten neue Mitglieder zu, am Jahresende zählte der Automobilclub eine halbe Million mehr. Auch der Umsatz des Gesamtkonzerns stieg, 2017 standen knapp 1,2 Milliarden Euro zu Buche, ein Plus von 2,7 Prozent.
Durch die Aufspaltung des ADAC in drei Säulen wurden aber auch einzelne Probleme sichtbar. Große Vermögenswerte wie die Luftrettung lagen nun bei der Stiftung, und der Verein tat sich bilanziell schwer. Ausschüttungen der profitablen ADAC-Firmen an den Verein fehlten, das Jahr 2016 schloss er mit einem Verlust von 26 Millionen Euro ab.
„Die Mitgliedsbeiträge decken derzeit nicht die Kosten der Hilfeleistungen, allen voran der Pannenhilfe“, sagte Markl und forderte: „Wir müssen deutlich wirtschaftlicher und effizienter werden.“
Stichwort
65
Prozent
der Mitarbeiter beim ADAC e. V. bewerten die Stimmung in der Zentrale mit den Noten 5 oder 6. Quelle: Mitarbeiterbefragung
2017 setzte der ADAC deshalb das Zukunftsprogramm „Poleposition“ auf. Der Verein soll vom Pannenhelfer zum modernen Mobilitätsdienstleister mit digitalen Informations- und Buchungsmöglichkeiten aller Art werden.
Die Belegschaft sollte sich wandeln – und schrumpfen. 400 Arbeitsplätze in der ADAC-Zentrale standen auf der Streichliste – die Zahl wurde später auf 220 gesenkt. Im Mai 2018 gab Markl zu: „Gemessen an unserem Anspruch, dass sich ein Verein selbst tragen können muss, ist die unternehmerische Entwicklung des ADAC e.V. weiterhin alles andere als zufriedenstellend.“
Machtspiele vergiften Klima
Im Oktober wollten die Betriebsräte der Säulen „Verein“ und „Aktiengesellschaft“ wissen, wie zufrieden die Mitarbeiter sind, die den Umbau tragen sollen. 1400 der 2400 befragten Mitarbeiter beteiligten sich an der drei Wochen dauernden Abfrage. Am höchsten war die Resonanz der Angestellten im Verein.
Dort antworteten 73 Prozent der Befragten. „Das ist ein ausgezeichneter Wert“, sagt Johann Häußler vom Marktforscher Vocatus, der schon Hunderte solcher Mitarbeiterbefragungen betreute.
Das Urteil der Mitarbeiter allerdings ist ungewöhnlich schlecht. In der Vergangenheit erreichte der ADAC oft Spitzenplätze bei Umfragen nach dem beliebtesten Arbeitgeber. Noch 2016 wollten 68 Prozent der Mitarbeiter den ADAC als Arbeitgeber weiterempfehlen.

Erschüttert über die schlechten Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung.
Nun sind es in der Aktiengesellschaft noch 25 Prozent, im Verein weniger als 20 Prozent. In der Vereinszentrale bewerteten fast zwei Drittel die Stimmung mit den Noten Fünf oder Sechs. „Alle Prozesse wurden erschwert und verlangsamt“, schrieb ein Mitarbeiter. „Jeder versucht nur noch, seinen Arbeitsplatz zu retten“, ein anderer. Ein Dritter: „Das ist nicht mehr mein ADAC.“
Bei der folgenden Betriebsversammlung zeigte sich Markl „vom Ergebnis erschüttert“. Ausgerechnet die neue Säulenstruktur wurde zum Kritikpunkt. Mitarbeiter berichteten, die drei Bereiche würden gegeneinander arbeiten, anstatt gemeinsam ein Ziel zu verfolgen.
Präsident Markl hat viel Arbeit vor sich
Es gelte das Prinzip jeder gegen jeden. Führungskräfte würden ihre Konflikte auf dem Rücken der Mitarbeiter austragen. Zwischen den Geschäftsführern des Vereins und den Vorständen der Aktiengesellschaft herrsche permanenter Zwist, Machtspiele vergifteten das Klima. Ein Mitarbeiter äußerte gar die Angst, die schlechte Stimmung zwischen dem Verein und der Aktiengesellschaft könne die Zukunft des ADAC insgesamt gefährden.
Vom Handelsblatt auf diese Aussagen angesprochen, antwortet Markl: „Die Ergebnisse der Mitarbeiterumfragen haben mich in ihrer Deutlichkeit überrascht, zweifellos.“ Allerdings seien tiefgreifende strategische und strukturelle Veränderungsprozesse „natürlich immer mit Unsicherheiten und neuen Herausforderungen verbunden. Damit verbundene Ängste und Wünsche unserer Mitarbeiter nehmen wir ernst.“
Da hat Markl viel Arbeit vor sich. Beim Reformprozess kamen ihm zwei Chefreformer schon abhanden. Im Frühsommer 2018 verließ Finanzchef Ralf Spielberger den Verein – er war erst zwei Jahre zuvor angetreten. Im Oktober ging Alexander Möller. Der forsche Manager, der 2015 zum ADAC kam, sah sich selbst als Speerspitze der Veränderung. Mit seinem ungeschminkten Selbstbewusstsein und rüden Umgangston soll er es sich sowohl mit mächtigen Funktionären im Verein als auch mit Mitarbeitern verdorben haben.
Möller galt als Vertrauter von Markl, war aber spätestes seit der Weihnachtsfeier 2017 umstritten. Der Geschäftsführer hatte mehr getrunken, als er vertrug. Danach gab es intern eine Reihe von anonymen Beschwerden.
Der ADAC-Chef äußerte sich später in einem hausinternen Video. „So etwas wie auf der Weihnachtsfeier, zu viel zu trinken, ist mir noch nie passiert“, sagte Möller. „Ich entschuldige mich aufrichtig bei denen, die dieses Verhalten zu Recht unverständlich gefunden haben oder die es sogar geärgert hat.“
Diskussionen um Ex-Manager Möller
Das Video verschwand bald aus dem ADAC-Intranet. Möller blieb. Der Mann, der beim ADAC noch 2015 selbst für Compliance zuständig war, überstand eine Compliance-Überprüfung unbeschadet. „Alle im ADAC wussten, was auf der Weihnachtsfeier gelaufen ist“, kommentiert ein Mitarbeiter. „Jeder andere hätte noch am nächsten Tag den ADAC verlassen müssen. Zu Recht!“
Dazu sagt ADAC-Sprecher Christian Garrels: „Das Präsidium hat die Vorwürfe sehr ernst genommen, zeitnah aufgearbeitet und sich seinerzeit auch mit Herrn Möller dazu ausgetauscht.“ Die ADAC-Compliance habe einen Bericht vorgelegt. In dem ging es sogar um Vorwürfe sexueller Belästigung. Keine der befragten Frauen habe sich aber über sexuelle Belästigung beschwert.
Auch der Betriebsratsvorsitzende Bernd Hapke sagt: „Nach allem, was wir wissen, war an den Vorwürfen nichts dran. Für uns ist das Thema längst durch.“
Alle im ADAC wussten, was auf der Weihnachtsfeier gelaufen ist. Jeder andere hätte gehen müssen! Anonymous
Nun ist Möller doch nicht mehr da. Er ging im Oktober, ohne dass er oder der ADAC einen Grund dafür nannten. Die Weihnachtsfeier sei es jedenfalls nicht gewesen, heißt es beim ADAC in München – und auch nicht das erschreckend schlechte Ergebnis der Mitgliederbefragung.
Die Stimmung hat sich seither nicht gebessert – aber die Arbeitslast sich erhöht. Während Stellen gestrichen wurden, blieben in den Büros Waschkörbe voller unbearbeiteter Post liegen. Dazu Geschäftsführer Lars Soutschka: „Viele ehemalige Kollegen haben schnell eine neue berufliche Aufgabe gefunden, was mich sehr freut. Das ging jedoch teilweise schneller als geplant und hatte zur Folge, dass wir einige Wochen lang Spitzen bei der Korrespondenzbearbeitung hatten.“
Samstagsarbeit im Dezember
Im Dezember wurde deshalb auch samstags gearbeitet – mit 100 Prozent Zuschlag. Mitarbeiter sprechen von Misswirtschaft. Geschäftsführer Soutschka: „Die seit einigen Monaten eingeleiteten Maßnahmen entfalten ihre positive Wirkung und haben eine klar erkennbare Trendumkehr eingeleitet.“
ADAC-Präsident Markl steht zwei Jahre nach Reformbeginn vor einer zerrissenen, verunsicherten Belegschaft und einer defizitären Vereinssparte. Dass es dort einen Zusammenhang geben mag, kann Markl in seiner Umfrage nachlesen.
Die Motivation im Haus sinkt, viele wirken als hätten sie längst innerlich gekündigt. ADAC-Mitarbeiter/in, Interne Umfrage
„Die Motivation im Haus sinkt, viele wirken, als hätten sie längst innerlich gekündigt“, schreibt ein Mitarbeiter. Es seien zwar viele Berater im Haus, aber weder würden Mitarbeiter auf den neuen ADAC-Weg mitgenommen, noch würde gesagt, wohin er führt.
„Es gibt keine Vision, kein greifbares Ziel“, schreibt der Mitarbeiter. Ein anderer unkt: „Dass zufriedene Mitarbeiter die besseren Mitarbeiter sind, ist wohl im Kulturwandel verloren gegangen.“
Der Präsident muss sich nun etwas einfallen lassen. Seit 1971 gehört Markl dem ADAC schon an – das Motto der aktuellen Imagekampagne des Clubs („einfach weiter“) wird ihm nicht helfen. 2019 stellt die beißende interne Kritik an der Führungskultur auch den Mann infrage, der die Reform angestoßen hat: Markl selbst.
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