Mitarbeiterbindung im Consulting Mehr Raum für Privates

Consultingfirmen bemühen sich stärker darum, auf die Wünsche ihrer Angestellten einzugehen.
Düsseldorf Wenn sich Christoph Müser bei seinem Team bedanken will, bucht er schon mal ein Hotel in Portugal. Mitarbeiter, ihre Partner und Kinder reisen dann gemeinsam für ein paar Tage ins Warme. Und wenn Gespräche über die Zukunft des Unternehmens anstehen, bestellt der Chef nach Feierabend Pizza und Bier. Müser leitet nicht etwa ein Start-up in der IT-Branche, sondern die Düsseldorfer Niederlassung der Beratung Baringa Partners mit Hauptsitz in London. Zu den Kunden gehören vor allem Energie- und Telekommunikationsfirmen.
Baringa taucht nicht mit einer Busladung Beratern beim Kunden auf. Man wolle weniger mit der Größe der Projektteams überzeugen, sagt Müser, sondern mit einer hohen fachlichen Expertise. „Daher ist es uns wichtig, Mitarbeiter lange zu binden.“ Zumal jede Neurekrutierung schnell Kosten von mehreren Zehntausend Euro verursache.
Der Baringa-Partner verlangt seinen Beratern viel ab: Oft sind sie vier Tage in der Woche bei Kunden. Doch Müser achtet auf Ausgleich – die Ansprüche hätten sich verändert. „Früher konnte es für viele Berater gar nicht schnell genug mit der Karriere nach oben gehen. Heute haben wir Teilzeitberater, Heimarbeitsverträge, gewähren Sabbaticals oder zusätzliche bezahlte Elternzeit über die gesetzliche Norm hinaus.“ Stolz verweist Müser auf eine Fluktuationsrate von acht Prozent – üblich seien über 15 Prozent.
Nicht nur Müser sieht die Branche vor einer Trendwende. „Die Beratungswelt befindet sich derzeit in einem Umbruch“, erklärt Fabian Kienbaum, Geschäftsführer von Kienbaum Consultants International. Jahrelang hat das berühmte Pyramidenmodell das Image der Unternehmensberatungen als harte, aber attraktive Arbeitgeber geformt: Berater stiegen entweder im Unternehmen auf – oder mussten gehen. Als Trostpflaster winkten Jobs bei Kunden. Der ständige Personalaustausch war im Sinne der Beratungen, die sich so riesige Alumni-Netzwerke aufbauten. Das Motto: heute Mitarbeiter, morgen Kunde.
Nun gerät das System ins Wanken. Der Grund: Unternehmen verlangten eine kenntnisreichere Beratung als früher, sagt Kienbaum. „Dadurch wird es für die Beratungsunternehmen immer wichtiger, erfahrene Mitarbeiter zu halten oder junge Kollegen in diese Positionen zu bringen.“ Das aber sei fordernd: Gerade junge Mitarbeiter ziehen heute schnell die Reißleine, wenn der Arbeitgeber die versprochenen spannenden Aufgaben nicht bietet oder das Privatleben zu sehr in den Hintergrund gerät.
Wichtige Wertschätzung
Als Alternative locken Jobs bei Industrieunternehmen, IT-Firmen und Start-ups. „Den Beratern stehen heute viel mehr Wechselmöglichkeiten offen“, sagt Daniel Nerlich, Partner bei der Personalberatung Odgers Berndtson. Nerlich vermittelt Kandidaten für die Consultingbranche. 2014 ließ er mehr als 2.000 Unternehmensberater über Personaltrends in der Branche befragen. Das Ergebnis: Mitarbeiter zu binden zählen viele zu den größten Herausforderungen.
Auch innerhalb der Branche wächst der Wettbewerb um Talente – immer wieder gibt es Ausgründungen, die plötzlich stark wachsen. „Viele Berater haben große und verkrustete Strukturen mit Anträgen und Bürokratie satt und liebäugeln mit solchen Gelegenheiten“, sagt Nerlich. Seinen Kunden empfiehlt er deshalb, auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen – schicke Büros können dabei genauso ein Mittel sein wie Promotionskredite. Besonders wichtig sei jedoch die individuelle Wertschätzung. „Wenn ein Mitarbeiter gerade jetzt mehr Zeit mit der Familie oder etwa für ein zeitintensives Hobby wie Triathlon braucht, dann sollten Arbeitgeber das berücksichtigen“, erklärt der Odgers-Berndtson-Partner. Vor allem große Unternehmen stelle das vor Herausforderungen.
Mit maßgeschneiderten Modellen lockt etwa KPMG. Über die letzten Jahre hat die Beratungsgesellschaft die Arbeitszeiten flexibilisiert: Möglich ist eine geringere Wochenstundenzahl. Es gibt sogar das Modell, dass Berater nur die Hälfte des Jahres arbeiten. Mitarbeiterbindung bedeute einen kooperativen Führungsstil, sagt Carsten Müller, KPMG-Partner und Verantwortlicher für Personalfragen im Bereich Consulting. „Es bedeutet zugleich, gezielt den Wünschen der Mitarbeiter nach Flexibilität und persönlicher Entwicklung nachzukommen.“
Den Managern komme die Aufgabe zu, nicht nur einen guten Draht zu Mitarbeitern aufzubauen, sondern ihnen auch Karriereoptionen aufzuzeigen. „Wir möchten weiter wachsen und gleichzeitig den veränderten Ansprüchen unserer Mitarbeiter gerecht werden“, erklärt Müller. So wollen die Berater im härteren Wettbewerb um Talente mit anderen Branchen mithalten. Der Ansatz bei KPMG fruchte, sagt Müller: Allein im vergangenen Geschäftsjahr sei die Fluktuation im Consultingbereich um vier Prozentpunkte zurückgegangen.
Christoph Müser ist froh, dass die Herangehensweise bei Baringa Partners bereits geübt ist. So nutzt die Beratung seit jeher ein System der Mitarbeiterbewertung, das nicht nur Geschäftsergebnisse berücksichtigt, sondern auch Engagement im Unternehmen – wie Mentoring für andere Mitarbeiter oder das Führen eines Firmenblogs. „Wir bewerten Mitarbeiter ganzheitlich und befördern nicht, weil es diese Stellen gibt, die besetzt werden müssen, sondern wenn ein Mitarbeiter selbst bereit ist.“ Jährlich gibt es bis zu vier Beförderungsrunden. „Am Anfang hatten viele Angst, dass dieser individuelle Blick mit dem Wachstum des Unternehmens verloren geht“, sagt Müser. „Bisher hat sich das aber nicht bewahrheitet.“
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