Nachwuchssuche im Consulting Täglich grüßt der Headhunter

Unternehmensberater investierten kräftig in die Nachwuchssuche.
Köln Wildern gehört zum Geschäft: Zwei- bis dreimal pro Woche rufen Personalvermittler bei führenden BearingPoint-Beratern an, um sie abzuwerben. Das berichtet Kiumars Hamidian, Deutschlandchef der Managementberatung. Er arbeitet in einer Branche, in der talentiertes Personal rar und extrem begehrt ist: Im Schnitt 4,5 Jobangebote im Jahr erhalten Berater, ermittelte das Forschungsinstitut Trendence.
Eigentlich sind es goldene Zeiten für Beratungsfirmen. Vor allem die Digitalisierung sorgt für Aufträge. Allerdings bremse der Fachkräftemangel das Wachstum, beklagen 86 Prozent der Managementberatungen laut einer Studie des Marktforschers Lünendonk. Sie suchen vor allem erfahrene Experten – denn die wechseln häufig in die Industrie. Um die High Potentials nicht an Innovationsabteilungen großer Konzerne oder an Digitalunternehmen zu verlieren, die auch an Beliebtheit gewinnen, müssen neue Strategien her.
„Headhunter sind im Consulting teilweise recht aggressiv unterwegs“, sagt Studienautor Jonas Lünendonk. Selbst sie kommen nicht mehr leicht ans Ziel. Denn der Bedarf an frischen Beratern ist riesig: Detecon will im kommenden Jahr deutschlandweit 150 Mitarbeiter einstellen, BearingPoint 400. BCG hat 2017 in Deutschland und Österreich mehr Mitarbeiter eingestellt als je zuvor und will 2018 erneut über 500 Personen anheuern. Accenture möchte sogar 1.700 Stellen frisch besetzen.
Neben cleveren Personalern und hartnäckigen Headhuntern brauchen die Arbeitgeber vor allem eines: attraktive Arbeitsbedingungen. Um die Wünsche besser zu verstehen, hat die Boston Consulting Group (BCG) 1.100 Top-Talente befragt. „Nach wie vor dominieren klassische Generation-Y-Bedürfnisse“, sagt BCG-Recruitingchef Philipp Jostarndt. „Es geht um Themen wie Flexibilität, Verantwortung und Attraktivität der Arbeitsinhalte.“ Jostarndt ist sicher, punkten zu können. So arbeite man bei BCG „vom ersten Tag an mit Kunden auf Top-Management-Ebene zusammen“.
Umworbene IT-Experten
Auch um die gesuchten Digitalexperten zu ködern, hat die Managementberatung und Telekom-Tochter Detecon an diesem Mittwoch in Berlin ihr viertes Digital Engineering Center eröffnet. Ein Ort, um digitale Geschäftsideen zu entwickeln und zu testen. „Der Charme von Detecon ist, dass wir sehr technologie- und umsetzungsorientiert sind“, sagt Steffen Kuhn, Gründer der Center. Fast alle größeren Beratungen mit eigenen Innovationsabteilungen suchen längst nicht mehr nur Wirtschaftswissenschaftler, deren Anteil beständig zurückgeht, sondern auch Maschinenbauer, Designer oder Innovationsexperten. Besonders gefragt sind Datenanalysten.
Nur Powerpoint und Excel – das war einmal, bestätigt BCG-Partner Jostarndt: „Viele Kundenprojekte sind ohne moderne Datenanalysen nicht mehr möglich.“ Meist spanne man bei einem Projekt fünf bis sieben Berater mit zwei oder drei Data-Scientists zusammen.
Doch woher nehmen? „Ganz entscheidend ist: Die Arbeitgeber müssen noch flexibler werden“, sagt Personalberater Daniel Nerlich, Partner bei Odgers Berndtson. In einer Studie fand er heraus: Sechs von zehn Beratern wünschen sich mehr Zeit für Freunde und Familie, fast 90 Prozent fordern flexiblere Arbeitszeitmodelle wie Teilzeit oder Homeoffice.
Trotz aller Fortschritte: Noch immer arbeitet kaum eine Berufsgruppe so viel. Accenture startete kürzlich ein Pilotprojekt. Einige Mitarbeiter können ihre Arbeitsverträge jedes Jahr neu anpassen und so auch ihre Urlaubstage mitbestimmen. Üblich sei es auch, nach abgeschlossenen Projekten längere Auszeiten zu nehmen. Auch BearingPoint flexibilisiert: „Wenn unsere Mitarbeiter eine Familie haben, versuchen wir zu ermöglichen, dass ihre Projekte nah an ihrem Wohnort liegen“, sagt Deutschlandchef Kiumars Hamidian. Auch Homeoffice- oder Teilzeitmodelle seien einfacher zu managen: Früher musste ein Berater fünf Tage die Woche beim Kunden sein – das Rollenverständnis wandele sich. In der noch jungen Berliner Digitalberatung RCKT, gegründet von drei Rocket-Internet-Alumni, arbeiten die Berater jeden Freitag von zu Hause aus.
Doch die Flexibilisierung hat Grenzen. „Ein Partner einer großen Beratung verriet mir kürzlich: Sabbaticals und Teilzeit würden viel stärker nachgefragt als erwartet. Das habe es schwierig gemacht, alle Projekte passend zu besetzen“, sagt Personalberater Nerlich.
Zielgruppe Frauen
Vor allem für Frauen können solche Modelle den Beraterjob attraktiver machen. Nur jeder vierte Berater ist weiblich, auch wenn die Quote laut Lünendonk-Studie leicht gestiegen ist. Um Frauen auf sich aufmerksam zu machen, hat Accenture eine Kampagne gestartet. Vor allem weibliche Mitarbeiter sollen in Interviews zeigen, wie divers der Job ist. „Tatsächlich haben sich dadurch schon deutlich mehr Frauen als üblich bei uns beworben“, resümiert Recruiting-Managerin Dagmar Zippel.
An originellen Kampagnen sparen Beratungen nicht. Detecon hat im vergangenen Jahr ein Quiz für digital affine Studenten und Absolventen initiiert – und die Gewinner ins Silicon Valley eingeladen. Es wird nicht gekleckert: „Oft nimmt man potenzielle Mitarbeiter bei Recruiting-Events auf Reisen mit – etwa einen Segeltörn“, sagt Nerlich. Workshops, Karrieretage oder Case-Studies an Top-Universitäten sind da nur das kleine Einmaleins des Recruitings.
Angesprochen werden potenzielle Mitarbeiter über verschiedene Wege: Neben Hochschulmarketing und klassischen Ausschreibungen gilt es auch, die eigenen Mitarbeiter zu motivieren, Talente zu empfehlen und zu kontaktieren. „Rund 25 Prozent des neuen Personals finden wir auf diesem Weg, das entspricht einer Steigerung von 65 Prozent im Vergleich zu 2015“, sagt Kiumars Hamidian. BearingPoint belohne erfolgreiche Vermittler mit einer Provision.
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