Paketdienste Zoll-Razzia entlarvt Heils Paketzusteller-Gesetz als Schnellschuss

Der Zoll entlarvte zahlreiche Paketfirmen, die gegen das Arbeitsrecht verstoßen.
Berlin, Düsseldorf Die vorläufige Bilanz der bundesweiten Zoll-Razzia gegen 648 Paketfirmen, die am 8. Februar flächendeckend Arbeitsrechtsverstöße ahndete, entlarvt die Gesetzesinitiative von Arbeitsminister Hubertus Heil als Schnellschuss. Der SPD-Politiker will Paketdienste wie DHL, DPD oder GLS per „Nachunternehmerhaftung“ in die Pflicht nehmen, sobald deren Subunternehmer den Sozialkassen fällige Abgaben vorenthalten.
Mit dem Gesetzentwurf, der auf Widerstand von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stößt, plant Heil, Lohndumping und Sozialbetrug zu beseitigen. Jetzt aber nährt ein Zwischenbericht der Bonner Generalzolldirektion, der dem Handelsblatt vorliegt, Zweifel an der Verhältnismäßigkeit.
„Eine aktuelle bundesweite Auswertung der Schwerpunktprüfung zum Stichtag 23.04.2019“, ist dort zu lesen, führte zu folgendem Ergebnis: Im Anschluss an die 12.860 Personenbefragungen ließen die Fahnder bislang gerade einmal 24 Strafverfahren einleiten, in denen es um die „Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen“ geht. Ein einziges Verfahren leiteten sie wegen Leistungsmissbrauch ein. Nötig waren dazu 2923 Einsatzkräfte.
„Auch nach den Zollkontrollen gibt es keine Anzeichen für Sozialbetrug“, hält ein DPD-Sprecher Heils Gesetzesplan entgegen. „Der Vorstoß geht an der Sache vorbei.“ Selbst dort, wo die Paketdienste schon heute für Verstöße ihrer Subfirmen haften – beim Mindestlohn –, liegen DPD, Hermes und DHL nach eigenen Angaben keine Rückmeldungen des Zolls vor. „Die Ermittlungen laufen noch“, begründet dies ein Zoll-Sprecher auf Anfrage.
Zunächst hatte es in 2143 Fällen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten gegeben. Doch mit massenhaften Anklagen ist auch hier kaum noch zu rechnen. Bislang folgten der Razzia wegen „Mindestlohnunterschreitung“ gerade einmal fünf Ordnungswidrigkeitsverfahren.
Setzt Heil die Nachunternehmerhaftung in der Kurier-, Express- und Paketbranche durch, wie sie seit 2002 im Baugewerbe und seit 2017 in der Fleischwirtschaft gilt, haften die Paketdienste künftig dafür, dass von ihnen beauftragte Subunternehmer Sozialversicherungsbeiträge zahlen.
DHL, Hermes und Co. könnten sich dann allerdings von den Krankenkassen bescheinigen lassen, dass der Subunternehmer als korrekter Zahler bekannt ist, und sich so von der Haftung befreien. Auch soll es, wie in der Bauwirtschaft, die Möglichkeit zur sogenannten „Präqualifizierung“ geben. Subunternehmer können sich einer Eignungsprüfung unterziehen und in eine Liste „sauberer“ Anbieter aufnehmen lassen. Wenn der Generalunternehmer Firmen dieser Liste beauftragt, haftet er nicht.
Trotz der wenig spektakulären Zwischenbilanz des Zolls und der Kritik des Bundeswirtschaftsministers, der ein Übermaß an Bürokratie fürchtet, hält Heil an seinem Gesetzesvorhaben fest. Es könne nicht sein, dass bei Kontrollen des Zolls jeder sechste Arbeitsplatz in der Branche als „mindestens fragwürdig“ beurteilt werde.
Der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing hält den Vorstoß eher für einen „symbolischen Schritt“. „Wir haben heute schon eine Haftung für das Mindestentgelt“, sagt er. „Wenn die nicht durchgesetzt wird“, gebe es auch keinen Grund, dass sie für die Sozialbeiträge durchgesetzt werde.
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