Paketgeschäft der Deutschen Post Was passiert, wenn Amazon geht?

Noch Partner, bald Konkurrenten?
Bonn Auf eines konnte sich die Deutsche Post in den vergangenen Jahren verlassen: das Paketgeschäft. 2015 war das nicht anders. Der Onlinehandel sorgte dafür, dass der Zustellmarkt in Deutschland von 8,8 auf 9,5 Milliarden Euro wuchs.
Ein doppelter Erfolg für die Deutsche Post: Der zur Briefsparte zählende DHL-Paketdienst baute seine Position in Deutschland weiter aus, obwohl ihn ein vierwöchiger Streik bremste. Mit 43,7 Prozent Marktanteil – nach 43,0 Prozent im Vorjahr – vereinte der Gelbe Riese mehr Umsatz auf sich als die drei größten Verfolger UPS, Hermes und DPD zusammen. Mit 4,15 Milliarden Euro übertrafen die Erlöse den Vorjahresumsatz um 8,7 Prozent.
Doch die Stimmung ist alles andere als gelöst. Ausgerechnet Großkunde Amazon, der DHL bislang beim Wachsen kräftig unter die Arme griff, könnte dem Dax-Konzern gefährlich werden. Der US-Konzern, dem die Post nach Schätzung von Experten mehr als jeden vierten Transportauftrag verdankt, schickt sich an, selbst ins deutsche Logistikgeschäft einzusteigen.
Seit wenigen Monaten testet der US-Konzern in München die Zustellung in Eigenregie. Sechs Subunternehmer hat das Onlinekaufhaus dazu ins Rennen geschickt – mit 240 Lieferwagen. Seither, berichten Betreiber von Poststellen, sei das DHL-Paketvolumen in der bayerischen Hauptstadt um 25 bis 30 Prozent geschrumpft.
Briefvorstand Jürgen Gerdes mag diese Zahlen nicht kommentieren. München sei nicht Deutschland, sagt er. Wolle Amazon ein bundesweit flächendeckendes Paketnetz aufbauen, werde es für den US-Konzern teuer – mit ungewisser Aussicht auf Erfolg. Dass es soweit kommt, glauben allerdings nur wenige. Amazon werde sich stattdessen die Rosinen herauspicken und überwiegend Großstadtregionen beliefern, in denen die Wege kurz sind, glaubt KPMG-Logistikexperte Steffen Wagner.
Hohe Anlaufverluste können sich die Amerikaner locker leisten, wie ein Blick in ihren jüngsten Geschäftsbericht zeigt. Aus dem operativen Geschäft floss Amazon 2015 dreimal so viel Geld zu wie der Deutschen Post. Hinzu kommt, dass die Konzernkasse der Amerikaner prall gefüllt ist. 7,3 Milliarden Dollar Nettoguthaben stehen dort zu Buche, während die Deutsche Post zum Jahresende 1,1 Milliarden Euro Nettofinanzschulden drückten.
„Amazon wird versuchen, die gesamte Wertschöpfungskette abzudecken“, glaubt Markus Fromm von Accenture. Seit längerem schon stehe der US-Konzern bei den Warenverteilzentren in Konkurrenz zur Lagerdienstleistungs-Sparte der Post. Derzeit folge der Einstieg in die Frachtlogistik – mit 40 gecharterten Frachtflugzeugen, die Hälfte davon aus Beständen von Atlas Air. Kostenvorteile gebe es allein schon, weil Amazon nur Punkt-zu-Punkt-Verbindungen benötige – und kein teures Zustellnetz wie DHL. „Außerdem weiß Amazon mit 99-prozentiger Genauigkeit, wie viele Artikel in der nächsten Woche wo gebraucht werden“, sagt Fromm.
Post-Vorstand Gerdes kontert mit seinem effizienten Paketnetz, das Neueinsteigern den Wettbewerb schwer mache. Anders als in den USA und Großbritannien, wo Amazon den nationalen Postgesellschaften schon heute massive Konkurrenz entgegensetzt, habe sich die Deutsche Post nicht einmal im hektischen Weihnachtsgeschäft Schwächen geleistet.
Wohl aber im vierwöchigen Streik nach zu Ostern 2015, der die Planungen bei Amazon offenbar ins Rollen brachte. Für Appel keine leichte Aufgabe: Ohne das Internetkaufhaus geraten seine für 2020 formulierten Wachstumsziele ins Wanken.