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Pauschalurlaub Neuer Sicherungsfonds setzt die angeschlagene Reisebranche unter Druck

Die Bundesregierung will ab November einen Sicherungsfonds für Urlaubsanzahlungen einführen. Doch insbesondere für Marktführer Tui wird die Teilnahme ein Kraftakt.
03.05.2021 - 16:26 Uhr 1 Kommentar
Die Absicherung angezahlter Kundengelder wird für die Reiseveranstalter deutlich teurer. Quelle: dpa
Tui-Reisebüro

Die Absicherung angezahlter Kundengelder wird für die Reiseveranstalter deutlich teurer.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Stattliche 106 Millionen Euro kostete den Steuerzahler bislang die Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook („Neckermann“, „Öger“, „Condor“) im September 2019. Das Nachspiel aber wird für die Wettbewerber jetzt noch ungleich teurer. Am härtesten trifft es, wie vor wenigen Tagen eine Anhörung im Bundestags-Rechtsausschuss zeigte, den Marktführer Tui.

Denn mit der für die Branche bislang günstigen Versicherungslösung soll es nach dem Willen des Bundesjustizministeriums zum 1. November vorbei sein. Die Versicherung deckte nach Veranstalterpleiten die Schäden bislang nur mit 110 Millionen Euro Haftungssumme – zu wenig, wie sich im Fall Thomas Cook zeigte. An ihre Stelle tritt ein Reisesicherungsfonds, den lediglich nutzen darf, wer vorab sieben Prozent seines Jahresumsatzes als Sicherheit hinterlegt.

Für die Tui ist das ein besonderer Kraftakt. Der Marktführer fand schon Anfang 2020 für die damals geforderten 110 Millionen Euro keinen Versicherungspartner mehr und musste das Geld in bar hinterlegen. Nach heutigem Stand müsste der Konzern für den neuen Sicherungsfonds rund 350 Millionen Euro beibringen – auch wenn der Konzern diese Zahl angesichts der noch schwebenden Gesetzgebung nicht bestätigen mag.

Jährliche Einzahlungsprämien, die sich ebenfalls am Umsatz bemessen, kämen künftig noch hinzu. Wird das Geld nicht gezahlt, dürften Pauschaltouristiker wie Tui keine Reiseanzahlungen mehr verlangen.

Den bisherigen Minimalschutz hatte Berlin jahrelang wohlwollend genehmigt, obwohl die EU seit 1990 eine unbeschränkte Haftung verlangt. Laut einer Brüsseler Richtlinie müssen Pauschalreise-Anzahlungen vollständig abgesichert sein, ebenso die kostenfreie Heimkehr insolvenzgeschädigter Urlauber aus den Ferienregionen. Weil die Bundesregierung diese Anforderungen hartnäckig ignoriert hatte, haftete sie am Ende bei der Thomas-Cook-Pleite für sämtliche Schäden, die den versicherten Betrag überschritten.

Das geplante „Gesetz über die Insolvenzabsicherung durch Reisesicherungsfonds“ soll das in Zukunft ausschließen. Doch die enormen Lasten, die es den Pauschalreisefirmen aufbürdet, dürften deren eigener Insolvenzabsicherung kaum dienlich sein. Im Gegenteil: Vielen Veranstaltern, die seit Ausbruch der Coronakrise aus der Substanz zehren, wird dies den Weg in die Pleite womöglich erst ebnen.

Entsprechend versucht die Branche, die drohenden Lasten schon vor dem Fondsstart wieder auf den Steuerzahler abzuwälzen. Die Sicherheitsleistungen sollten zunächst nicht wie geplant von Banken oder Versicherungen, sondern vom Staat gestellt werden, forderte der Onlinereiseverband VIR in der Bundestagsanhörung. Dirk Inger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reiseverbands (DRV), sagte: „Wir müssen auch über Bundesbürgschaften reden.“

Drohender Interessenkonflikt

Tatsächlich ist der Steuerzahler zunächst ohnehin in der Haftung, wenn es zur Pleite eines Reiseveranstalters kommt. Denn erst nach und nach soll das Fondsvermögen aufgebaut werden, indem ihm Tui und Co. jeweils ein Prozent des Reisepreises überweisen. Bis voraussichtlich Ende 2026 das Zielvermögen von 750 Millionen Euro zur Verfügung steht, haftet der Staat somit weiterhin.

Nicht nur zusätzliche Bundesbürgschaften für die zu hinterlegenden Sicherheiten sind deshalb umstritten. Auch zu den vier voraussichtlichen Gesellschaftern des Reisesicherungsfonds, der als GmbH geführt werden soll, gibt es kritische Stimmen. So haben die Verbände DRV, VIR, der Mittelstandsverband ASR und die Bustouristikorganisation RDA beim Bundesjustizministerium beantragt, den Fonds gemeinsam zu managen. Doch Branchenexperten, darunter der Reisebüroverband VUSR und der Grünen-Abgeordnete Markus Tressel, Mitglied im Tourismusausschuss des Bundestags, warnen vor einem Interessenkonflikt.

So weist eine Ausführungsvorschrift im geplanten Gesetz darauf hin, dass sich der Reisesicherungsfonds weigern darf, Reiseanbieter abzusichern, „die ihm ein unzumutbares Risiko auferlegen und eine erhebliche Belastung des Fondsvermögens in absehbarer Zeit nahelegen“.

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Nach heutigem Stand könnte ein solches Risiko insbesondere auf ein Unternehmen zutreffen: Tui. Dem europäischen Marktführer attestieren die Ratingagenturen S&P und Moody’s aktuell mit „CCC+“ und „Caa1“ eine unzureichende Bonität. Doch der Konzern aus Hannover zählt zu den größten Beitragszahlern des Deutschen Reiseverbands, der künftig darüber mitentscheiden will, wer in den Fonds darf und wer nicht.

Auf einen möglichen Interessenkonflikt angesprochen teilte der DRV mit: „Im laufenden Gesetzgebungsverfahren können und werden die vier Verbände keine Prognosen abgeben, ob und welche Unternehmen zukünftig über den Fonds abgesichert werden. Solche Entscheidungen obliegen nach Abschluss des Erlaubnisverfahrens der Geschäftsführung des Fonds, die solche Entscheidungen nach den Bestimmungen des Gesetzes, der in der Erstellung befindlichen Verordnung und unter Aufsicht des BMJV zu treffen hat.“

Die Skepsis beseitigt das kaum. Aus einem großen Versicherungsunternehmen hieß es, das Engagement des DRV bei der Kundengeldabsicherung rufe bei vielen in der Branche ein „Déja-vu“ hervor. Über Jahre hinweg hatten DRV-Präsident Norbert Fiebig und seine Vorgänger den Deutschen Reisepreis-Sicherungsverein (DRS) als Aufsichtsräte überwacht, einen Verein auf Gegenseitigkeit, der den DRV-Mitgliedern Tui und DER Touristik die Zahlung von Versicherungsprämien ersparte – bis die Bafin diese trickreiche Form der Absicherung Ende 2019 für unzulässig erklärte.

Versicherung ohne Bafin-Aufsicht

Beim jetzt geplanten Reisesicherungsfonds bräuchten die Verbandsoberen eine solche Einrede allerdings nicht mehr zu fürchten. „Dieser Fonds ist wegen der hohen Staatshaftung ein Sonderkonstrukt“, erklärt ein Bafin-Sprecher, weshalb seine Behörde hier nicht mehr zuständig ist. Die Aufsicht führe allein das Justizministerium.

Gegenüber dessen Beauftragtem Ivo Thiemrodt trug vergangene Woche nun auch der Reisebüroverband VUSR das Ansinnen vor, den geplanten Fonds führen zu wollen. „Anders als der DRV sind wir völlig unabhängig von denen, die am Ende einzahlen sollen“, warb Verbandschefin Marija Linnhoff. Ebenso soll ein großer Versicherungskonzern aus der Schweiz einen solchen Antrag gestellt haben.

Dennoch dürften die vier Verbände um den DRV im Rennen vorn liegen, zumal die Zeit drängt. Schon zum 1. Juli laufen für viele Reiseveranstalter die alten Versicherungsverträge aus, warnt Nils Hellberg vom Assekuranzverband GDV, sodass zu diesem Zeitpunkt ein Nachfolger am Start stehen müsse – und damit sogar noch früher als vom Gesetzgeber geplant. Das Verbände-Quartett habe dazu längst die notwendige Infrastruktur geschaffen, heißt es beim DRV. Zwei designierte Geschäftsführer stünden bereit.

Die Tui zeigt sich derweil auf Anfrage optimistisch, auch künftig eine anerkannte Kundengeldabsicherung bieten zu können. „Tui kennt die verschiedenen Modelle und die wirtschaftlichen Auswirkungen“, erklärt ein Sprecher, „und wir sind finanziell und organisatorisch vorbereitet.“ Es gebe einen „guten und intensiven Dialog unter Einbeziehung der Branche und auch externer Berater der Ministerien“.

Mehr: Frist der Bafin bringt Tui in Bedrängnis

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1 Kommentar zu "Pauschalurlaub: Neuer Sicherungsfonds setzt die angeschlagene Reisebranche unter Druck"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Reisebüros mit Vertriebler welche Abschlussprovisionen bekommen ist einfach ein veraltets Geschäftsmodell. Vor allem in Zeitalter des Internets!!

    TUI zu retten war ein großer und teurer Fehler.

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