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Sommermärchen „Flankierender Einsatz“ – Wie Bayern München und Adidas halfen, die gekaufte WM 2006 nach Deutschland zu holen

Es gibt kaum noch Zweifel, dass die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gekauft war. Ein neuer Untersuchungsbericht schildert die Rolle von Adidas und dem FC Bayern München.
28.08.2021 - 08:34 Uhr 2 Kommentare
Umstrittene Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Quelle: dpa
Fifa-Präsident Blatter, Franz Beckenbauer als Leiter des Organisationskomitees und Fedor Radmann (v.l.)

Umstrittene Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006.

(Foto: dpa)

Berlin, Düsseldorf, München Die Affäre um mutmaßliche Bestechung bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 hat eine neue Facette: den FC Bayern München. Ein vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) in Auftrag gegebener Bericht kommt zu dem Schluss, der deutsche Serienmeister sei maßgeblich an der Bewerbung um das größte Fußballturnier der Welt beteiligt gewesen.

Mittel zum Zweck sollen dabei sportlich wie wirtschaftlich sinnlose Freundschaftsspiele in Ländern gewesen sein, deren Stimme Deutschland für den WM-Zuschlag brauchte. „Der flankierende Einsatz des FC Bayern München und damit in Zusammenhang stehende Zahlungen im Bewerbungsfinale wirkten sich vermutlich entscheidend für den Sieg aus“, heißt es laut Insidern in dem Bericht.

Erstellt hat ihn die Firma Esecon, eine auf Sicherheitsfragen spezialisierte Unternehmensberatung aus Berlin. Ihr Bericht sollte eigentlich längst veröffentlicht sein. Dann entschied sich das DFB-Präsidium mit 8:1 Stimmen dagegen.

Der DFB äußert sich auf Anfrage nicht zu den Untersuchungsergebnissen. Er verweist auf eine Pressemitteilung von Ende Juli, wonach er die Ergebnisse der Untersuchung aus Haftungsgründen nicht veröffentlichen wolle. Nur die ermittelnden Behörden sollen den Bericht erhalten.

Geht es nach Deutschlands mächtigsten Fußballfunktionären, ist die Affäre um die Weltmeisterschaft 2006 damit beendet. Deutschland hatte sein Sommermärchen, die versprochene Aufarbeitung ist geleistet. Nun ist Schluss. Fast niemand beim DFB hat ein Interesse, nach dem eigenen Gesichtsverlust zwei weitere Aushängeschilder des deutschen Fußballsports zu belasten: Rekordmeister Bayern München und Ausrüster Adidas.

Beide, dies ergibt sich aus dem gut 120-seitigen Untersuchungsbericht, sind Teil der Affäre rund um das sogenannte Sommermärchen. Für Adidas bedeutete die Weltmeisterschaft im Heimatmarkt eine mehrwöchige Werbekampagne und riesige Sonderumsätze. Der FC Bayern brauchte demnach die Weltmeisterschaft in Deutschland zur Umsetzung handfester eigener wirtschaftlicher Interessen.

Der Sportartikel-Hersteller kaufte 2002 für 77 Millionen Euro zehn Prozent der Anteile an der FC Bayern München AG. Quelle: dpa
Adidas-Filiale

Der Sportartikel-Hersteller kaufte 2002 für 77 Millionen Euro zehn Prozent der Anteile an der FC Bayern München AG.

(Foto: dpa)

Die Ausgangslage war schlecht. Vor der Abstimmung am 6. Juli 2000 hatte Deutschland nur acht bis neun Stimmen auf seiner Seite, der Rivale Südafrika kam auf zwölf. Obwohl Fußballikone Franz Beckenbauer als WM-Botschafter monatelang um den Globus geflogen war, sprach alles dafür, dass 2006 die erste Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden stattfinden würde.

Dem FC Bayern passte das laut Bericht nicht ins Konzept. Die Vereinsoberen wollten demnach ein moderneres Stadion – das alte Olympiastadion hatte im Laufe der Jahre den Spitzenplatz in Deutschland verloren. Die Stadt München aber machte die Genehmigung eines neuen Stadions laut Beteiligten von einer erfolgreichen WM-Bewerbung abhängig. Die Bayern sahen sich unter Zugzwang.

Dies galt umso mehr, als dass ein neues Stadion nur Teil ihrer Pläne war. Ende der 1990er-Jahre überlegte der FC Bayern, aus der gemeinsamen Vermarktung mit den anderen Bundesligisten auszuscheren.

Der Verein wollte selbst über seine Fernsehrechte verhandeln – und mehr Geld herausschlagen. Dies beunruhigte den Medienunternehmer Leo Kirch, der die Bundesligarechte zur Finanzierung seines Bezahlsenders Premiere brauchte.

Noch 1999 schloss Kirch deshalb einen Geheimvertrag mit den Bayern. In den ersten drei Jahren sollten sie bis zu 30 Millionen Mark erhalten, von der Saison 2003/2004 an wären bis zu 50 Millionen Mark pro Spielzeit fällig gewesen. Die Liga erfuhr davon zunächst nichts.

Nach der Vertragsunterzeichnung setzte sich Bayern-Manager Uli Hoeneß im Liga-Ausschuss dafür ein, dass die Kirch-Gruppe die TV-Rechte für die ganze Liga erhielt. Als Jahre später die Nebenabsprache der Bayern mit Kirch öffentlich wurde, schimpften die anderen Klubs über eine nicht akzeptable Wettbewerbsverzerrung.

Der Schaden war nicht mehr zu beheben. Kirch fiel als Ansprechpartner aus – Premiere meldete 2002 Insolvenz an. Die Bayern hatten ihr Geld – und damit die Grundlage für eine absolute Dominanz in Fußballdeutschland. Seither gewannen sie 15 von 20 Titeln in der Bundesliga und nahmen mit einer einzigen Ausnahme jedes Jahr an der Champions-League teil – mit Zugang zu weiteren Geldtöpfen.

Fußball-WM in Deutschland als Muss

Vor seiner Insolvenz betrachtete auch Leo Kirch die Weltmeisterschaft in Deutschland als Muss. Als TV-Vermarkter wäre für sein Medienimperium ein Turnier in Deutschland 250 Millionen Euro mehr wert als in Südafrika. Zur WM-Bewerbung bildete sich deshalb eine mächtige Allianz: Adidas, der FC Bayern München und Kirch.

„Ich bitte zu überprüfen, zu welchen Mitgliedern Adidas besondere Beziehungen hat und wo möglicherweise dezent, aber effektiv Einfluss in unserem Sinne ausgeübt werden kann“, schrieb Fedor Radmann am 3. März 1999 an Adidas-Vorstand Erich Stamminger. Radmann war früher selbst einmal sportpolitischer Direktor bei Adidas und zum Zeitpunkt seines Schreibens Vizepräsident des von Franz Beckenbauer geleiteten Organisationskomitees der Fußball-WM 2006.

Anfang Oktober 1999 präsentierte Radmann in Malaysia ein Adidas-Ausrüstungspaket für 25 finanzschwache Mitgliedsverbände der asiatischen Fußball-Konföderation AFC. Adidas übernahm laut Bericht drei Viertel der Kosten von 1,5 Millionen Euro, den Rest zahlte der DFB.

Wenige Tage vor der Entscheidung über die WM-Vergabe gab es einen weiteren Vertrag. Der Nord- und Mittelamerika-Verband Concacaf sollte rund zehn Millionen Mark vom DFB erhalten, darunter Adidas-Ausrüstung im Wert von vier Millionen Dollar. Im DFB-Untersuchungsbericht wird das Abkommen unter „stimmensichernde Maßnahmen/Last-Minute-Aktionen“ geführt.

Die Fußballikone flog im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 monatelang als WM-Botschafter um den Globus. Quelle: AP
Franz Beckenbauer

Die Fußballikone flog im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 monatelang als WM-Botschafter um den Globus.

(Foto: AP)

Nach Angaben von Adidas gehörte „die Lieferung von Produkten an regionale Verbände zur Förderung des Fußballs, insbesondere auf Jugendebene“, sowohl „damals wie heute zum industrieüblichen Sponsoring-Engagement“ des Konzerns.

Das Unternehmen sei offiziell nationaler Förderer der WM-Bewerbung 2006 gewesen und habe ansonsten „keine Rolle in der WM-Bewerbung" gespielt und „daher auch keinerlei Einfluss auf die Entscheidung über die WM-Vergabe“ gehabt. Dass Adidas in Bestechung im Zusammenhang mit der Turnierbewerbung eingebunden gewesen sein könnte, weise man entschieden zurück.

Der DFB-Untersuchungsbericht betont die Grauzone. Es liege nahe, dass über Adidas in Form von Sachleistungen weitere geldwerte Vorteile im Rahmen der WM-Bewerbung flossen. Die Gesamtdimension sei aber ungeklärt. Eine Aussage, ob dies im Rahmen „des Üblichen“ erfolgte, sei nicht möglich.

Warum zahlte Kirch Media zehn Millionen Franken an einen Libanesen?

In der Affäre um die gekaufte WM gibt es aber auch ganz andere Akteure. Kirch Media etwa zahlte dem Libanesen Elias Zaccour zehn Millionen Schweizer Franken für Medienberatung. Zaccour war Fifa-Insider, hatte aber keinerlei Medienerfahrung.

Zaccour sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließlich Verteiler von Bestechungsgeldern“, gewesen, folgert der DFB-Bericht. Kirch Media und das deutsche WM-Komitee hätten dabei Hand in Hand gearbeitet.

„Herr Radmann bittet darum, dass die erste Rate von USD 250.000 sofort überwiesen wird. Die Kontonummer von Herrn Zaccour ist in §2 angefügt“, heißt es in einem Schreiben vom 6. Juni 2006. In einem Vertrag ist vermerkt, Zaccour solle eine der Millionen „frühestens einen Tag nach der WM-Abstimmung“ erhalten. Radmann will sich auf Nachfrage nicht dazu äußern, weist aber Vorwürfe, dass er an Stimmenkauf mitgewirkt habe, per Anwalt zurück.

Die Bayern absolvieren Testkicks ohne jeden Wert

Der FC Bayern war für Leistungen zuständig, die man sich nicht so einfach kaufen konnte. Zwar waren Devisen beliebt bei den Fifa-Funktionären, die Darstellung des eigenen Einflusses galt jedoch ebenfalls als wichtig. Im Fußball gab es dafür kaum bessere Beweise als ein Besuch der Bayern im eigenen Stadion.

Zwischen dem 3. Juni 2000 und dem 17. Januar 2001 reiste die Mannschaft um Oliver Kahn und Stefan Effenberg nach Thailand, Malta und Tunesien. Die Freundschaftsspiele hatten laut Bericht weder sportlichen noch wirtschaftlichen Sinn – die Partien waren bloße Gelegenheiten, die richtigen Hände zu füllen.

Zwei davon gehörten Joseph Mifsud, dem damaligen Präsidenten des maltesischen Fußballverbandes. Laut einer Aktennotiz vom 22. Februar 1999 wurde Mifsud dem DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach als „unsicherer Kandidat“ identifiziert, was sein Abstimmungsverhalten in der WM-Vergabe betraf.

Am 3. März 1999 schrieb Fedor Radmann an Adidas-Vorstand Stamminger, Mifsud gehöre zu denen, „an denen wir noch arbeiten müssen“. Im Juni 2000 erhielt Mifsud von einer Kirch-Firma die vertragliche Zusage über eine Million Schweizer Franken.

Das erste Spiel des Turniers gewannen die Deutschen mit 4:2 gegen Costa Rica. Quelle: dpa/epa
Eröffnungsfeier in der Allianz Arena in München

Das erste Spiel des Turniers gewannen die Deutschen mit 4:2 gegen Costa Rica.

(Foto: dpa/epa)

Der FC Bayern ließ eine Anfrage zu den Hintergründen der Freundschaftsspiele unbeantwortet. Die geplanten Partien gegen Trinidad & Tobago sowie Costa Rica blieben der Mannschaft erspart. Ob trotzdem Geld floss, ist laut Bericht unklar. Im „Bewerbungsfinale“ sei der Einsatz des FC Bayern München“ jedenfalls sehr wichtig gewesen.

„Die bisher bekannten Sachverhalte legen überzeugend nahe, dass Stimmenkauf stattfand“, schließt der Bericht. Einen harten Beweis sollen auch die Esecon-Fahnder nicht gefunden haben. Allerdings sagte der erfahrene Fifa-Funktionär Guido Tognoni schon 2016: „Natürlich hat der DFB nicht nur wegen der schönen Augen von Franz Beckenbauer die Weltmeisterschaft bekommen.“

Er bedauere, so Tognoni, dass die Deutschen so taten, als ob sie die Einzigen wären, die sauber eine Weltmeisterschaft an Land geholt hätten. „Der DFB hätte doch von Anfang sagen sollen, der größte Teil der Mitglieder des Exekutivkomitees ist korrupt“, riet der Fifa-Mann. „Wir mussten da mitspielen. Wir haben mitgespielt, in welcher Form auch immer.“

Die Deutschen entschieden sich gegen eine solche Offenheit. Das „bis dato sehr defensive Verhalten aller befragten Beteiligten“ habe nicht dazu beigetragen, die Fragen zu klären, die man klären wollte, heißt eine Schlussforderung. Vor allem Franz Beckenbauer habe entscheidende Einzelheiten vergessen.

Mehr: Adidas hebt Prognose erneut leicht an – doch es bleiben Sorgen in der Branche.

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2 Kommentare zu "Sommermärchen: „Flankierender Einsatz“ – Wie Bayern München und Adidas halfen, die gekaufte WM 2006 nach Deutschland zu holen"

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  • (...) Beitrag von der Redaktion gelöscht. Bitte bleiben Sie sachlich.

  • Wir haben 2006 eine tolle WM in Deutschalnd gehabt. Mich interessiert 0,0 ob das was "flankiert" wurde. Hört doch endlich auf, darin herumzurühren, wer auch immer das tut.

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