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Standards in der Tattoo-Branche Gute Zeichen, schlechte Zeichen

Tattoos sind in der Mittel der Gesellschaft angekommen. Doch in puncto Standards hat die Branche großen Nachholbedarf. Nun wollen die Tinten-Künstler mit dem DIN-Institut einheitliche Regeln erarbeiten.
17.07.2016 - 20:08 Uhr Kommentieren
Bei den unter 30-Jährigen ist bereits jeder Vierte tätowiert. Quelle: Imago
Tattoo-Kult

Bei den unter 30-Jährigen ist bereits jeder Vierte tätowiert.

(Foto: Imago)

Düsseldorf Die Fußballer machen es – und zehn Millionen Menschen in Deutschland auch. Denn was den Arm und die Schulter von Nationalspieler Jérôme Boateng ziert, fasziniert immer mehr Männer und Frauen, die sich nicht zu den Promis zählen: Tattoos. Sich Blumen, Namen oder Ethno-Muster unter die Haut ritzen zu lassen, gehört gesellschaftlich (fast) zum guten Ton. Das gilt vor allem für Jüngere: Bei den unter 30-Jährigen hat sich schon jeder Vierte für ein Tattoo entschieden.

Nur hat die Branche vor allem in Fragen des Gesundheitsschutzes ihrer Kunden mit dieser stürmischen Entwicklung nicht Schritt gehalten. Zwar gibt es allgemeine Vorschriften, doch viele sind freiwillig oder funktionieren nur auf Länderebene – und sind unterschiedlich geregelt. Das gilt vor allem für die hygienische Beschaffenheit der Maschinen. „Es kann nicht sein, dass jemand ein Starter-Set über Ebay kauft und sofort loslegt“, klagt Andreas Schmidt, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Tattoo (BVT). Mit zum Teil verheerenden Folgen: So drohen bei mangelnder Aufklärung allergische Schocks, bei fehlender Hygiene der Tätowiergeräte und Arbeitsräume Infektions- und Viruserkrankungen wie Hepatitis B – von missglückten Motiven mal ganz abgesehen.

„Unmöglich“, findet selbst der BVT, der seit Jahren bundesweit einheitliche Arbeits- und Hygienestandards für die Branche und einen Befähigungsnachweis fordert – bislang vergeblich. „Da gibt es jede Menge Gesetzeslücken“, sagt Schmidt vom BVT. Um diese zu schließen, haben sich die Tätowierer jetzt unter das Dach des Deutschen Instituts für Normung begeben – besser unter der Bezeichnung DIN bekannt. Ziel ist es, dort eine deutsche und europäische Norm für die Branche zu erarbeiten, die sich selbst irgendwo zwischen Handwerk und Kunst einordnet.

Tätowierer bieten sich als Ratgeber an

Auch die Politik hat sich angesichts der massenhaften Verbreitung von Tattoos inzwischen der Thematik angenommen. „Wer so eine sensible Arbeit macht und damit Einfluss auf die Gesundheit der Verbraucher hat, muss sein Handwerk nachweisbar beherrschen“, forderte jüngst Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), in dessen Ressort auch der gesundheitliche Verbraucherschutz fällt. So läuft seit kurzem eine Informationskampagne „Safer Tattoo“, die auf der gleichnamigen Webseite unter anderem über Risiken aufklärt.

Die Tätowierer wollen sich solchen politischen Initiativen nicht verschließen und bieten sich als Ratgeber an. Gleichzeitig fürchten sie sich vor wirklichkeitsfremden Verordnungen oder Gesetzen. „Wir sind die Fachleute“, sagt Schmidt vom BVT. „Es nutzt nichts, wenn politische Entscheidungen ohne Sachkenntnis getroffen werden.“ Also ergreift die Tattoo-Branche, der immer noch der Ruf des Rebellenhaften anhaftet, zur mildesten Form der Selbsthilfe. Im Rahmen des DIN will sie mit Wissenschaftlern, Gesundheitsbehörden, Hygieneexperten und Verbraucherverbänden entsprechende Normen erarbeiten, an die sich die Tätowierer dann halten sollen. Grundlage sind die eigenen Richtlinien, die sich die Branche schon früher gegeben hat.

Einerseits fehlt es diesen Vorgaben an Akzeptanz, andererseits möchte die Branche sie aber auf europäischer Ebene installiert sehen. „Viele von uns arbeiten im europäischen Ausland und sehen sich dort mit anderen Vorschriften konfrontiert“, sagt BVT-Vorstandsmitglied Schmidt.

Für das Gewerbe sollen Richtlinien erarbeitet werden

Die eigentliche Stoßrichtung der etablierten Tätowierer ist aber eine andere: Es geht um die Bekämpfung des Wildwuchses. Schmidt schätzt die Zahl der Studios auf rund 6000 in Deutschland, in denen rund 10.000 Tätowierer arbeiten. Doch die Dunkelziffer ist hoch – laut Schmidt könnten auch 20.000 oder mehr Menschen in dem Gewerbe tätig sein: „Die angemeldeten Studios lassen sich kontrollieren, aber nicht diejenigen, die in Kellern oder in der Küche arbeiten.“ So warnte auch Minister Schmidt davor, sich übereilt im Urlaub ein Tattoo stechen zu lassen. „Sie sind ein Souvenir, das einem ein Leben lang erhalten bleibt und das leider auch Risiken birgt“, erklärte der Minister.

Weniger als drei Jahre wird es nach Einschätzung von DIN-Projektleiterin Inga Bergmann dauern, solche Normen für das Tattoogewerbe zu erarbeiten. Parallel dazu laufen die Arbeiten auf europäischer Ebene. Verbindlich sind sie dann allerdings nicht. Alles, was die verschiedenen Interessengruppen auf DIN-Ebene beschließen, ist freiwillig. Aber Prüforganisationen wie der TÜV könnten auf Basis der beschlossenen Normen Tattoo-Studios zertifizieren – und den Verbrauchern ein Stück Sicherheit geben. Auch wenn der Gesetzgeber mit einer eigenen Verordnung eingreifen sollte, weil sich Fälle von missglückten Tattoos häufen, könnte er auf diese Normen zurückgreifen.

Ein wichtiges Thema bleibt weiter ausgeklammert: die Qualität und Unbedenklichkeit der verwendeten Farben. Zwar existiert in Deutschland in der Tätowiermittelverordnung eine Negativliste für Inhaltsstoffe mit ungefähr 100 Substanzen. Für Schmidt vom BVT ist das zu wenig. „Wir hätten viel lieber eine Positivliste, die uns sagt, was wir benutzen dürfen“, bemerkt er. „Aber eine entsprechende Forschung ist sehr teuer – und wir Tätowierer können die Kosten dafür nicht aufbringen.“

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