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Thomas Röttgermann und Klaus Allofs Fortuna-Düsseldorf-Chefs: „Wir brauchen einen Neuanfang beim DFB“

Die Chefs des Traditionsklubs beklagen die Probleme des Fußballverbands. Im Profigeschäft sollten weiterhin Vereinsmitglieder das Sagen haben – nicht Investoren.
14.08.2021 - 08:00 Uhr Kommentieren
Beim Aufeinandertreffen der beiden Traditionsvereine in der zweiten Bundesliga blieben Tausende Plätze in der Arena leer. Quelle: imago images/Eibner
Fortuna Düsseldorf gegen Werder Bremen

Beim Aufeinandertreffen der beiden Traditionsvereine in der zweiten Bundesliga blieben Tausende Plätze in der Arena leer.

(Foto: imago images/Eibner)

München In der Debatte um Sonderrechte für Geimpfte sprechen sich Spitzenmanager des Fußball-Zweitligisten Fortuna Düsseldorf für Belohnungen für vollständig Geimpfte aus: „Das heißt, Fußball im Stadion live sehen, wann und wo immer“ sie es wollen, sagt Vorstandschef Thomas Röttgermann im Interview mit dem Handelsblatt. Bei der Ticketvergabe brauche es dringend ein „viel einfacheres“ Verfahren. „Wir müssen zurück zur Normalität.“

Der Profifußballbetrieb läuft nach der Sommerpause wieder an. Die Zweite Bundesliga, in der viele Traditionsvereine wie Fortuna spielen, hat bereits zwei Spieltage hinter sich. Fortuna-Vorstand Klaus Allofs erklärt, die Zweite Liga erfahre derzeit eine so große Aufmerksamkeit wie nie: „Der Abstand zur Ersten Liga verkürzt sich deutlich.“

Kritik übt der frühere Nationalspieler am DFB und der Nationalmannschaft: „Wir haben zuletzt kein gutes Bild abgegeben.“ Der Verband müsse in der Führungskultur ein besseres Bild bieten. „Wir brauchen einen Neuanfang.“

Die Mittelständler, die 50 Millionen Euro umsetzen und zurück in die Erste Liga wollen, sprechen sich für die Vereinsbindung im Fußball aus: „50+1 muss bleiben“, sagt Röttgermann. Man verfechte „das Prinzip ähnlicher Verhältnisse“. Der beste Hebel sei, „besser zu regulieren, wie viel Vereine etwa für Spielerkäufe ausgeben können, zum Beispiel mittels einer Höchstquote gemessen am Gesamtbudget“.

Zur Finanzierung von Investitionen, derzeit etwa von rund 30 Millionen Euro für ein neues Funktionsgebäude für die Spieler, sucht der CEO Partner für jeweilige Projektgesellschaften.

Vorstand Allofs sagte zu seiner Arbeit bei Fortuna: „Wie müssen Ruhe in den Verein bringen. Unsere Strukturen sind zu überprüfen.“ Der Klub habe in 20 Jahren nur drei Spielzeiten in der Ersten Liga verbracht: „Da konnte keine Substanz entstehen, damit müssen wir beginnen.“ Wichtigste Aufgabe sei es, durch verstärkte Nachwuchsarbeit und nachhaltige Spielertransfers Werte zu schaffen.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Allofs, Herr Röttgermann, jüngst spielte Fortuna Düsseldorf in der Zweiten Bundesliga gegen Werder Bremen, einen anderen Traditionsklub. Dennoch war das Spiel nicht ausverkauft, von 18.000 möglichen Plätzen blieb jeder dritte leer. Ist Fußball nicht mehr attraktiv genug?
Klaus Allofs: Nein. Viele Menschen warten nach der langen Corona-Zeit nur darauf, wieder ins Stadion zu können. Was nicht stimmt, sind die Rahmenbedingungen.
Thomas Röttgermann: Normalerweise fahren die Zuschauer zur Arena, kaufen sich eine Karte und setzen sich auf ihren Platz. Nun, mit wechselnden Inzidenzwerten, ist das Verfahren deutlich komplizierter geworden. Plötzlich konnten wir nur 1000 Getestete zulassen, hatten das vorher aber gar nicht abgefragt. Vor dem Hintergrund sind 12.000 Zuschauer beachtlich.

Die Fanszene ist ohnehin nicht dabei.
Röttgermann: Ja, sie hat klar erklärt, erst wiederzukommen, wenn der Fußball wieder sein altes Gesicht hat: mit Gästefans, ohne Restriktionen. Wir brauchen dringend ein viel einfacheres Verfahren und müssen zurück zur Normalität. Das ist unser Appell an die Politik.

Die Pandemie ist nicht vorbei. Was ist Ihr Vorschlag?
Röttgermann: Jeder, der geimpft ist, hat etwas auf sich genommen. Er sollte dafür belohnt werden. Das heißt: Fußball im Stadion live sehen, wann und wo immer er will. Die Hälfte der Stadionkapazität könnte dabei eine erste Grenze sein. Übrigens haben die bloßen Inzidenzzahlen ohnehin an Aussagekraft verloren.

Der 60-Jährige Vorstandschef von Fortuna Düsseldorf saß zuvor in der Geschäftsführung des VfL Wolfsburg saß. Quelle: Imago Images
Thomas Röttgermann

Der 60-Jährige Vorstandschef von Fortuna Düsseldorf saß zuvor in der Geschäftsführung des VfL Wolfsburg saß.

(Foto: Imago Images)

In dieser Saison ist die Zweite Liga bestückt mit wohlklingenden Namen. Ist sie am Ende attraktiver als die Erste Liga mit ihren vielen Klubs aus der Provinz und dem ewigen Meister Bayern München?
Allofs: Die Liga hat wirklich das Zeug dazu, die beste Zweite Liga aller Zeiten zu werden. Sie bekommt eine Aufmerksamkeit, die sie vorher nicht hatte. Der Abstand zur Ersten Liga verkürzt sich deutlich. Für mich sind Spiele gegen Werder Bremen emotional sicher der Höhepunkt. Ich freue mich aber auch auf Schalke oder den HSV. Und zum Reiz der Liga gehören Spiele in Sandhausen oder in Aue. Das mediale Interesse wird Woche für Woche zunehmen. So gibt es nun beim TV-Sender Sport 1 eine „Doppelpass“-Talkshow nur für die Zweite Liga.
Röttgermann: Wir werden etliche Superspiele haben, bei denen das Stadion ausverkauft sein könnte. Den Leuten ist dann egal, in welcher Liga das läuft. Aber so schön die Zweite Liga auch ist – dauerhaft wollen wir uns dort nicht einnisten.

Also Zwang zum Aufstieg?
Allofs: Wir sind maximal ambitioniert, aber auch Realisten, was man dem Rheinländer nicht immer nachsagt. Die Favoritenrolle liegt eindeutig bei den Bundesliga-Absteigern, auch wenn die Favoriten am Ende nicht immer vorn sind.

Der Deutsche Fußball-Bund ist seit Monaten mit Führungsquerelen und der Erfolglosigkeit der Nationalmannschaft in der Krise, zuletzt bei der Europameisterschaft. Wirkt sich das negativ aus?
Allofs: Die Nationalmannschaft ist unser Aushängeschild. Man wünscht sich natürlich, dass sie bei Turnieren erfolgreich ist. Das hat eine positive Wirkung auf den Vereinsfußball. Kleine Jungs, zu denen ich auch einmal gehört habe, sahen Europa- und Weltmeisterschaften am Fernseher und sagten sich: Da will ich auch einmal hin. Das hat eine Sogwirkung. Wir haben zuletzt kein gutes Bild abgegeben. Man hätte nach der erfolgreichen Zeit des Trainers Jogi Löw früher einen Wechsel vornehmen müssen, gute Spieler haben wir genug. Dieser große Verband, der so viel Macht hat, muss in der Führungskultur ein besseres Bild abgeben. Wir brauchen einen Neuanfang.

Röttgermann: Sportlicher Erfolg ist auch das Ergebnis guter Strukturen. Es muss immer eine stringente Verbindung zwischen Breiten- und Spitzensport geben. Trotzdem agieren Profiteams – wie die Frauen-Bundesliga, die Nationalmannschaften oder auch die Dritte Liga – in anderen Umfeldern und unter anderen Bedingungen als der reine Breitensport. Da muss eine neue Organisationsidee her. Für die beiden obersten Männer-Ligen gibt es ja auch eine Deutsche Fußball Liga (DFL).

„50+1 muss bleiben“

Das Bundeskartellamt beschäftigt sich derzeit mit der Wettbewerbsgerechtigkeit im deutschen Profifußball. Im Zentrum steht die „50+1-Regel“, die den Vereinsmitgliedern generell das letzte Wort ermöglicht. Die wird von der Behörde gebilligt, nicht aber Ausnahmeregelungen für Investorenklubs wie Wolfsburg, Bayer Leverkusen oder Hoffenheim. Da müsse eine Neuregelung her. Wie soll die aussehen?
Röttgermann: Man darf nicht vergessen, dass sich diese Klubs sportlich qualifiziert haben. Und für die Werksmannschaften von Wolfsburg und Leverkusen wurde in den Statuten einst nur die Realität festgeschrieben. Der deutsche Fußball sticht international heraus, weil die Leute hierzulande begeistert ihrem Verein folgen. Dieses Weinen und Lachen ist ein wichtiges Merkmal des Fußballs. Und diese Bindung hat viel mit dem Vereinswesen zu tun. Das alles würden wir verlieren, wenn nur noch Aktiengesellschaften gegeneinander spielen. 50+1 muss bleiben. In Berlin sieht man ja bei Hertha BSC, dass trotzdem ein Investor tätig werden kann.

Der 64-Jährige spielte in seiner Karriere 65 Mal für die deutsche Fußball-Nationalelf und war Geschäftsführer von Werder Bremen und VfL Wolfsburg. Quelle: imago images/Beautiful Sports
Klaus Allofs

Der 64-Jährige spielte in seiner Karriere 65 Mal für die deutsche Fußball-Nationalelf und war Geschäftsführer von Werder Bremen und VfL Wolfsburg.

(Foto: imago images/Beautiful Sports)

Aber was ist mit den Forderungen des Kartellamts? Es wird diskutiert, ob die TV-Gelder zulasten der drei Investorenklubs umverteilt werden sollten.
Röttgermann: Ich weiß nicht, ob sich die Behörde damit zufriedengeben würde. Wir verfechten das Prinzip ähnlicher Verhältnisse. Wenn nur das Geld entscheiden würde, bräuchten wir den Sport nicht mehr. Man darf die Möglichkeiten der Klubs, sich zu finanzieren, nicht beschränken. Wettbewerbsgerechtigkeit? Schon die Voraussetzungen sind nicht gerecht. Bei dem einen passen nur 25.000 ins Stadion, beim anderen 80.000. In manchen Regionen gibt es gleich mehrere Dax-Unternehmen, in anderen findet sich überhaupt kein Sponsor. Nein, der beste Hebel ist, besser zu regulieren, wie viel Vereine etwa für Spielerkäufe ausgeben können, zum Beispiel mittels einer Höchstquote gemessen am Gesamtbudget.

Viele Vereine haben das Profigeschäft in Tochtergesellschaften ausgegliedert. Warum geht Fortuna Düsseldorf nicht diesen Weg und will lieber alles im Gesamtverein erledigen?
Röttgermann: Die Bindung der Menschen an den Verein ist wie gesagt die entscheidende Stärke. Ohne diese Bindung hat man keine Anhänger, ohne diese Anhänger keine Financiers. Das ist in Düsseldorf historisch gewachsen. Für das Management kann das anstrengend sein. Vereinsmitglieder sagen ihre Meinung. Aber damit setzen wir uns gern auseinander.

Herr Allofs, Sie waren als Manager vor 17 Jahren bei Werder Bremen sehr erfolgreich. Als Gegenmodell zum FC Bayern München wurde der Klub 2004 Meister. Lässt sich so etwas hier in Düsseldorf wiederholen?
Allofs: Auch Klubs wie der SC Freiburg reüssieren ja. Von dort haben wir ganz bewusst unseren neuen Trainer geholt. Für einen solchen Erfolg wie einst in Bremen sind einige Zutaten nötig. Und es müssen glückliche Umstände hinzukommen. Von daher ist ein solcher Erfolg nur bedingt planbar.

In Bremen bewährte sich eine große Kontinuität in Personalfragen, Geschäftsführung und Trainer arbeiteten viele Jahre zusammen. Darüber hinaus gingen wir ein kalkuliertes Risiko bei der Verpflichtung unserer Spieler ein, das ist der größte Hebel. Das ganze Land fand uns plötzlich sympathisch. Leider konnte man das wirtschaftliche Fundament nicht so bauen, dass der Verein auch schwierige Zeiten durchsteht. In Düsseldorf halte ich es für wenig realistisch, dass wir in fünf Jahren der große Konkurrent von Bayern München sein werden. Die Unterschiede sind zu groß geworden. Wir müssen erst einmal rasch zurück in die Erste Liga.

Wie soll das gelingen?
Allofs: Wir müssen Ruhe in den Verein bringen. Unsere Strukturen sind zu überprüfen. Fortuna hat in den vergangenen 20 Jahren nur drei Spielzeiten in der Bundesliga verbracht. Da konnte keine Substanz entstehen. Damit müssen wir beginnen. Das Funktionsgebäude am Trainingsgelände beispielsweise, mit den Umkleidekabinen für die Spieler, hat nicht wirklich Zweitliganiveau, freundlich ausgedrückt.

Der Neubau kostet rund 30 Millionen Euro. Viel Geld für einen Verein. Rächt es sich, da nicht einfach eine Anleihe am Kapitalmarkt begeben zu können?
Röttgermann: Wir können und wollen den nötigen zweistelligen Millionenbetrag als Verein nicht einfach durch Schulden schultern. Oder Investoren aufnehmen. Die Grenze unserer eigenen Investitionsfähigkeit setzt das Eigenkapital. Das haben wir zwar trotz Corona nicht aufgezehrt, doch es reicht nicht, notwendige Investitionen zu finanzieren. Wir regeln solche Fälle über Projektgesellschaften, bei denen wir Partner haben.

Wir sind mit Interessenten, etwa aus der Baubranche, im engen Gespräch. Partner können das Projekt als Plattform nutzen, um für sich zu werben. Das ist eine besondere Form des Sponsorings. Wir müssen solche Nischen finden. Andere Vereine sind ja nicht im Winterschlaf und finden auch ihren Weg zum Geld.

Umsatz schrumpfte in der Pandemie auf 50 Millionen Euro

Welche Ziele verfolgen Sie bei der Personalplanung?
Allofs: Auch wenn der sportliche Erfolg und der mittelfristige Wiederaufstieg in die Erste Liga von höchster Priorität sind, ist es unsere wichtigste Aufgabe, durch verstärkte Nachwuchsarbeit und nachhaltige Spielertransfers Werte für die Fortuna zu schaffen. Das ist ein großes Projekt. Kontinuität in den Schlüsselpositionen und damit bessere Planbarkeit wird auch ein wichtiger Erfolgsfaktor sein. Bei Werder Bremen war ich bekanntlich zwölfeinhalb Jahre mit einem einzigen Trainer aktiv. Man darf nicht beim ersten Sturm umfallen und wieder alles ändern wollen.

Ökonomisch war Fortuna Düsseldorf zuletzt doppelt negativ getroffen – durch den Abstieg aus der Ersten Liga und durch Corona. Reicht die finanzielle Basis?
Röttgermann: Der Umsatz ist zwangsläufig von 80 Millionen Euro auf etwa 50 Millionen geschrumpft. Aber wir haben keine großen Kostenblöcke und haben teure Projekte konsequent zurückgestellt. Und unsere Partner und Fans waren sehr kooperativ und hilfreich. So verzichteten die Dauerkarteninhaber vielfach darauf, dass wir ihnen für die Corona-Zeit Geld zurückerstatten. Das hätte ihnen zugestanden.

Wie sieht die Zukunft des deutschen Fußballs aus? Werden mehr und mehr Investoren in die Klubs einziehen?
Allofs: Ich kann mir gut vorstellen, dass es in diese Richtung geht – natürlich im Rahmen der bestehenden Regeln. Die Entwicklung in den anderen europäischen Ländern zeigt, wie groß das Interesse von Investoren geworden ist, sich im Fußball zu engagieren. Durch Corona und die damit verbundenen wirtschaftlichen Probleme ist auch die Bereitschaft der Klubs gestiegen, in diese Richtung zu denken.
Röttgermann: Initialfinanzierungen wie in Berlin können Veränderungen auslösen. Aber auch Hunderte von Millionen Euro garantieren noch keinen Platz in der Champions League. Am Ende kommt es auf eine organische, kontinuierliche Entwicklung an. Das ist unser Weg.

Herr Röttgermann, Herr Allofs, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Corona-Jahr drückt BVB tief in die roten Zahlen

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