Türkei-Tourismus In der Nische aus der Krise: Diesen türkischen Hotelier kann Corona nicht stören

Der frühere Unternehmensberater steckte 2017 sein Geld in die Tourismusbranche.
Istanbul Ein erfolgreicher Hotelier zu sein ist derzeit nicht leicht. Auch nicht in der beliebten Urlaubsdestination Türkei. Wenig verwunderlich also, wenn Tourismus-Unternehmer dort derzeit weder investieren noch expandieren.
Ali Ispahani, Gründer und Eigentümer der türkischen Boutique-Hotelkette „The Stay“, ist da eine Ausnahme. „Wir haben kurz vor Beginn der Pandemie unser viertes Hotel eröffnet“, erzählt der 43-Jährige im Gespräch mit dem Handelsblatt, „und haben nicht im Traum daran gedacht, einen Schritt zurückzugehen.“
Stattdessen hat er seine Expansionspläne stur weiterverfolgt: Als Hotels, Restaurants und Wellness-Einrichtungen im vergangenen Jahr schließen mussten, kauften Ispahani und sein Co-Eigentümer mehrere neue Grundstücke, um dort Hotels zu errichten. Ausbauen statt aussetzen: Mit dieser Strategie ist er eine Ausnahme in der krisengebeutelten Tourismusbranche.
Ispahani sitzt im Restaurant eines seiner Hotels im Istanbuler Nobelviertel Bebek, leger im hellblauen Hemd und Chino. Das Restaurant ist bis auf den letzten Platz gefüllt, von jedem Sitz aus geht der Blick auf den Bosporus und die vorbeifahrenden Jachten und Containerschiffe. Zwei der Hotels liegen in Nobelvierteln direkt am Bosporus, das andere in einem noch edleren Einkaufsbezirk auf einem Hügel.
Mit diesen Lagen will er vor allem internationale Menschen, die das Schöne lieben und interessiert an Städtereisen, Kunst und Kultur sind, erreichen. „Ich habe in der Türkei Potenzial für eine Nische gesehen“, erklärt er. Und die Fokussierung auf genau diese Nische habe ihm geholfen, seine Hotels schnell wieder zu füllen.
Tatsächlich sind Cafés, Restaurants und andere touristische Einrichtungen in der Türkei seit Juni wieder geöffnet, es gibt keine Ausgangsbeschränkungen mehr. Die Zahl der Neuinfektionen ist zuletzt wieder gestiegen und liegt in dem Land mit rund 84 Millionen Einwohnern täglich bei teilweise mehr als 20.000 Fällen.
Auf eine Verschärfung der Maßnahmen verzichtet das Land aber bislang. Die Lage ist – besonders für Hoteliers – dennoch ungewiss. Eine Situation, die Ispahani nicht groß schockt.
Ein Verständnis für große Investitionen
Ispahanis Karriereweg hat nicht, wie bei den meisten in seiner Branche, im Tourismussektor begonnen. Stattdessen startete er als Unternehmensberater. Für McKinsey baute der gelernte Finanzökonom eine Abteilung für Finanzberatung in Istanbul auf. Danach setzte er seine Karriere beim Private-Equity-Investor Actera fort, dem zwei der größten Beteiligungsfonds der Türkei mit einem Investitionsvolumen in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar gehören.
Ispahani war im Aufsichtsrat mehrerer türkischer Firmen und Start-ups tätig, darunter der landesweit größte Betreiber von Kinos und Fitnessstudios Mars Entertainment, das führende Busunternehmen Kamil Koc, der Outdoorspezialist Karma, der Baby- und Umstandsmodeanbieter Joker und ein Aufkäufer notleidender Finanzkredite.
2017 beschloss Ispahani, sein so verdientes Geld in den Tourismus zu investieren. Erst ließ er eine Lagerhalle an der Westküste in eine Nobelherberge umbauen. Ein Jahr später öffnete sein erstes Hotel am Bosporus. Von Beginn an mit einer klaren Handschrift: In allen Hotels sind zahlreiche Kunstgegenstände ausgestellt. Selbst die obligatorischen Bilder über dem Hotelbett sind von Zimmer zu Zimmer unterschiedlich.
Soziale Medien hätten entscheidend dazu beigetragen, dass sein Konzept genau bei seiner Zielgruppe ankommt, erzählt der Unternehmer. Er glaubt, dass gerade während der Ausgangsbeschränkungen viele Menschen über Instagram und Co. Reisepläne schmiedeten, und lag offenbar nicht ganz falsch damit. „Wir haben in jedem Land einen anderen Ansatz gewählt, um Stammgäste und neue Gruppen anzusprechen“, erklärt Ispahani.
Seine Gäste kommen vor allem aus Großbritannien und den USA, darüber hinaus aus der EU, Russland und der Ukraine. „Viele Menschen haben lange darauf gewartet, wieder verreisen zu können“, weiß Ispahani, „und viele haben das Geld, dies auch wieder zu tun, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet.“
Auch Songül Rosati-Göktas glaubt daran, dass Menschen wieder verreisen werden, sobald sie die Gelegenheit haben. Die Deutschland-Geschäftsführerin des Türkei-Reisespezialisten Bentour erklärt, dass sowohl ihr Unternehmen als auch die Hotels, mit denen sie zusammenarbeitet, während der weltweiten Ausgangs- und Reisebeschränkungen ebenfalls Geld und Zeit investiert haben, um sich auf bessere Zeiten vorzubereiten.
„Viele Hoteliers haben renoviert und die Zeit genutzt, genauer auf ihre Zielgruppen einzugehen“, sagt sie dem Handelsblatt. „Im Ergebnis bieten viele Hotels in der Türkei jetzt deutlich mehr individuelle Dienstleistungen an.“
Rabatte gibt es trotz Krise nicht
Auf einen Rabatt bei den Übernachtungspreisen hat Ispahani verzichtet. Die Preise für ein Zimmer beginnen in der Regel bei über 200 Euro pro Nacht – Netflix-Account inklusive.
In der Branche findet sein Ansatz Anklang. Das Magazin „Vogue“ lobt die außergewöhnliche Architektur seiner Hotels, das Lifestyle-Medium „Harper’s Bazaar“ die Tatsache, dass Ispahani mitten in der 16-Millionen-Stadt Refugien geschaffen hat, die den Großstadttrubel schnell vergessen lassen.
Mitten in der Pandemie hat er sein viertes Hotel sogar noch ausgebaut. Das „Warehouse“ ist, wie es der Hotelname andeutet, ein umgebautes Lagerhaus in Alacati an der Westküste, das wohlhabende Türkinnen und Türken „St. Tropez der Ägäis“ nennen. So setzte er hier im vergangenen Jahr auf reiche inländische Touristen, die wegen der derzeitigen Reisebeschränkungen ihr Geld im Inland ausgeben. „Wir haben erkannt, dass viele Menschen nach Möglichkeiten suchen, im eigenen Land einen schönen Urlaub zu verbringen“, glaubt Ispahani.
Absicherung für langfristige Planung
Aktuell hat er eine Kunstausstellung mit dem Namen „Aegeus“ auf dem Gelände des Hotels organisiert, kuratiert von der bekannten türkischen Kunstexpertin Ayse Pinar Akalin. Mit diesem Konzept hat Ispahani es geschafft, die ausbleibenden internationalen Gäste zum Teil durch Inländer ersetzen zu können.
Geholfen hat dem Finanzberater und Investmentexperten auch das eigene Verhandlungsgeschick, etwa wenn es um Konditionen mit den Eigentümern der Gebäude geht. Über Vertragsdetails möchte er nicht öffentlich sprechen. „Aber wir haben uns abgesichert, damit auch wir langfristig planen können“, versichert Ispahani.
Damit beschreibt er indirekt auch eine Haltung, die auch anderen Unternehmern guttun würde: den Glauben an bessere Zeiten nicht aufzugeben.
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