Uber steuert strategisch um Diplomatie statt Konfrontation

Die Firma ist an der Börse 50 Milliarden Dollar wert.
Düsseldorf, Brüssel Manchmal könnte sich Uber-Chef Travis Kalanick an Gulliver erinnert fühlen, jenen fiktiven Abenteurer, der auf seinen Reisen bei den Liliputanern strandete – und sich trotz seiner scheinbaren Überlegenheit kurz nach seiner Landung gefesselt am Boden wiederfand. Auch in Deutschland haben die Zwerge den Mobilitätsriesen noch fest im Griff. Regionale Taxigenossenschaften und ihre Vertreter machen Uber das Leben schwer. Und je stärker der Riese sich wehrt, desto enger ziehen sich die Schnüre.
Dabei gilt Uber als Plattform für die Mobilität der Zukunft und ist mit einem Wert von 50 Milliarden Dollar längst ein internationales Schwergewicht. In Deutschland sieht das anders aus: Den Dienst Uber-Pop stoppte die deutsche Taxilobby kurz nach dem Start gerichtlich. Private Fahrer ohne Personenbeförderungsschein dürfen seitdem nicht mehr für Uber fahren. Und auch die Nachfolgedienste UberX sowie Uber-Black in München, der eingetragene Mietwagenunternehmer vermittelt, und Uber-Taxi in Berlin, wachsen langsamer als vorhergesagt. Aus Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf hat sich Uber im vergangenen Jahr zurückgezogen. „Einige Behörden haben uns Steine in den Weg gelegt“, sagt Deutschlandchef Christian Freese im Gespräch mit dem Handelsblatt. Behördenprozesse seien bis zur Maximalzeit ausgereizt worden.
Ubers neue Diplomatie
Die Folgen der konfrontativen Strategie waren verheerend, nun schlägt Uber neue Töne an. „Wir müssen besser erklären, was wir vorhaben und was wir beitragen können“, meint Freese. Das Taxi sei kein Gegner, sondern ein Partner. „Wir aktivieren eine völlig neue Nachfrage, indem wir eine neue und viel größere Zielgruppe ansprechen“, sagt er. Die Botschaft: Wir können euch helfen. Ähnlich überzeugte Gulliver die Liliputaner, ihn zu befreien.
Um die neue Diplomatie voranzutreiben, hat Uber mächtige Fürsprecher verpflichtet: Neben dem ehemaligen US-Verkehrsminister Ray LaHood berät künftig auch eine europäische Spitzenpolitikerin die Mobilitätsplattform. Die ehemalige EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes soll ihre Kontakte spielen lassen – und Uber damit einige Türen in Europa öffnen. „Uber muss anders kommunizieren“, erklärte sie ihre Strategie im Interview mit der „Financial Times“.
Ubers Deutschlandchef Freese hat das längst verinnerlicht. „Euphorisiert durch das Feedback unserer Nutzer sind wir zu unserem Start in Deutschland an der ein oder anderen Stelle zu forsch aufgetreten“, sagt er heute selbstkritisch. Den deutschen Markt – immerhin einer der lukrativsten in Europa – habe man nicht aufgegeben. Strukturell seien 50 bis 60 deutsche Städte für Uber interessant, bemerkt Freese. UberX soll nach Berlin zurückkommen. Und auch Uber-Pool – eine App, über die sich Kunden gemeinsame Fahrten teilen können, soll bald in Deutschland starten.
Rückendeckung in Deutschland
In diesem Sommer soll sich klären, ob sich der Riese endgültig von seinen Ketten befreien kann. „Es kommt Bewegung in die Sache“, heißt es in Kreisen der EU-Kommission, auch wenn man sich öffentlich noch zurückhalt. „Die Sharing Economy führt zu einer größeren Auswahl und geringeren Preisen”, sagt ein Sprecher des EU-Transportkommissars auf Handelsblatt-Anfrage. Man müsse aber noch wichtige Themen wie Verbraucherrechte, Steuern und arbeitsrechtliche Fragen klären.
Insgesamt vier Beschwerden hat der US-Riese bei der Kommission eingereicht: zwei gegen Frankreich, und jeweils eine gegen Deutschland und Spanien. Im Juni will die Europäische Kommission eine Mitteilung zur partizipativen Wirtschaft veröffentlichen, drei Monate später folgt eine Mitteilung zu Plattformen. Darin soll die europäische Haltung festgelegt werden.
Rückendeckung bekommt Uber aber auch in Deutschland. In einem Gutachten warb der Bundesverband der Verbraucherzentralen zuletzt für eine Liberalisierung des Taximarktes – gerichtet ist das Schreiben an die Monopolkommission des Bundes. Und auch CNetz, ein netzpolitischer Flügel von CDU und CSU sprach sich zuletzt für eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes aus. Die strenge Regulierung, die Taxiunternehmer jahrelang vor scharfem Wettbewerb schützte, wackelt.

„Das Taxi ist kein Gegner.“
Ob Ubers neue Diplomatie Erfolg hat, dürfte spätestens mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs am Ende des Jahres feststehen. Für den Riesen wird sich dann klären, ob die Geschichte besser endet als für Gulliver: Der musste am Ende aus Liliput flüchten, um dem Hungertod zu entgehen.