Wasser- und Umwelt-Dienstleister Veolia will nach der Fusion mit Suez seine Rolle als Champion ausbauen

Die neue Gruppe könnte nach der Fusion perspektivisch auf 70 Milliarden Euro Umsatz kommen.
Paris Wenige Unternehmen können für sich in Anspruch nehmen, am Weltmarkt auf einen Anteil von fünf Prozent oder mehr zu kommen. Veolia, Marktführer für Wasser- und Umweltdienstleistungen in Frankreich, wird nach der Fusion mit seinem kleineren Konkurrenten Suez dazugehören. „Damit sind wir der Champion. Es gibt zwar viele Wettbewerber, aber niemand arbeitet so wie wir auf einer weltweiten Basis“, sagte Antoine Frérot, CEO von Veolia, am Mittwoch in Paris im Gespräch mit einigen internationalen Medien.
Der Fusion ist eine äußerst harte Auseinandersetzung vorausgegangen – vor den Gerichten, in der Öffentlichkeit, auch die Politik und große Investoren hatten sich eingeschaltet. Frérot wurde öffentlich von der Regierung kritisiert. Doch von seiner Analyse ist der Veolia-Chef nicht abgewichen: Sein Unternehmen ist zwar auch allein die Nummer eins. Doch die chinesischen Konkurrenten, die heute international noch keine Rolle spielen, könnten ähnlich wie der Telekomausrüster Huawei innerhalb von zehn Jahren zum großen Sprung nach vorn ansetzen.
Frérot will schneller sein. Gemeinsam mit Suez soll die Kraft bei Forschung, Entwicklung und Investitionen noch einmal zunehmen. Das fusionierte Unternehmen kommt auf 37 Milliarden Euro Umsatz und ein Ergebnis (Ebitda) von sechs Milliarden Euro. Desinvestitionen in Höhe von sieben Milliarden Euro vor allem in Frankreich sind allerdings nötig – ohne die gäbe es keine Zustimmung der Kartellbehörden.
In Frankreich muss das gesamte Wasser- und Müllgeschäft von Suez abgespalten und in einem neuen Unternehmen als Wettbewerber fortgeführt werden. Die Zustimmung von fünf Kartellbehörden ist bereits eingegangen, darunter die der USA. 15 stehen noch aus, darunter die der EU-Kommission. „Wir sind im Plan, um die Fusion im Herbst abzuschließen“, schätzt COO Estelle Brachlianoff.
Getrennt erreichten die aus der Compagnie Générale des Eaux (Veolia) und der Lyonnaise des Eaux (Suez) entstandenen Gruppen ein jährliches organisches Wachstum von zwei bis drei Prozent, „künftig wird es mehr sein“, schätzt Brachlianoff.
Deutschland zählt zu den größten Märkten
Die Absolventin der Eliteschulen Polytechnique und Ponts et Chaussées zeigt sich selbstbewusst: „Kennen Sie viele Unternehmen, die wie wir schon in der zweiten Jahreshälfte 2020 die Folgen der Covid-Pandemie abgeschüttelt hatten?“ Was Brachlianoff und Frérot weniger betonen: Es dürfte kaum ein Unternehmen geben, das so stark vom EU-Wiederaufbaufonds und den nationalen Plänen für die Dekarbonisierung der Wirtschaft profitieren wird.
Beim französischen „Plan Relance“, der sich an den EU-Kriterien orientiert, entfallen gut 40 Prozent der Ausgaben von insgesamt 100 Milliarden Euro auf „grüne“ Geschäftsfelder, in denen Veolia aktiv ist und sich verstärken will. Der EU-Fonds umfasst 750 Milliarden Euro.
„Das heißt nicht, dass wir viele Zahlungen aus dem Fonds erhalten werden, aber unsere Kunden“, stellt Frérot klar. Eine Chance, die das Unternehmen nicht verpassen will: „Wir beraten unsere Kunden dabei, wie sie Projekte aufsetzen können, die für eine Finanzierung durch den Wiederaufbaufonds infrage kommen“, erläutert der CEO.
Welche Wachstumsperspektiven Veolia hat, zeigt eine Schätzung des Weltmarktes für „ökologischen Wandel“: 1,4 Billionen Euro. Bei dem oben genannten Marktanteil von fünf Prozent könnte die neue Gruppe also perspektivisch auf 70 Milliarden Euro Umsatz kommen.
Einen großen Teil der Recycling-Aktivitäten hat Suez vor der Fusion an die Schwarz-Gruppe verkauft – als Teil der Abwehrstrategie, um für Veolia weniger attraktiv zu sein. Die Eigentümerin des Discounters Lidl übernimmt 125 Standorte für 1,1 Milliarden Euro. Suez bleibt aber über seine Tochter Belland Vision am Dualen System in Deutschland beteiligt. Der Restumsatz liegt bei 300 Millionen Euro pro Jahr. Veolia ist mit 1,9 Milliarden Euro wesentlich größer. Mit kombiniert 2,2 Milliarden Euro Umsatz, mehr als in ganz Lateinamerika, wird Deutschland zu den größten Märkten der neuen Gruppe zählen.
Rückzug aus klassischem Gebäudemanagement
Frérot begründet die Fusion – die er im Französischen nur „Annäherung“ nennt – mit der Notwendigkeit, rasch in künftige Wachstumstechnologien zu investieren. Bei der Frage nach Zahlen vermeiden er und Brachlianoff jedoch genaue Angaben und klare Formulierungen: Es werde so viel investiert, dass die Verschuldung nach der Fusion wie vor dem Zusammenschluss nicht das Dreifache des Ebitda übersteigt.
Genauere Informationen gibt es dazu, wo die neue Gruppe wachsen und wo sie schrumpfen will. Zulegen will Veolia bei der Entsorgung gefährlicher Abfälle, dem Recycling und der Verwertung von Kunststoffen, der Energieeffizienz, der Aufbereitung von stark belastetem Wasser für industrielle Prozesse und der Luftreinhaltung in Gebäuden.
Als konkretes Beispiel nennt Frérot das Recycling von Batterien aus E-Autos. In zehn Jahren müssten rund eine Million dieser Stromspeicher in ihre Grundstoffe zerlegt werden. Gelinge das nicht, drohen laut dem Veolia-Chef in einigen Jahren Engpässe bei Rohstoffen wie Nickel und Lithium. Auch die Verbesserung der Luftqualität in Gebäuden sieht der CEO als Wachstumstreiber.
Schrittweise aussteigen will Veolia dagegen aus dem klassischen Gebäudemanagement, der Müllentsorgung, Kläranlagen oder Fernwärme. Das seien Aktivitäten, die wegen ihrer reifen Technologie eine zu geringe Marge liefern.
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