Die tschechische Energie- und Industrieholding EPH hat den Zuschlag für die Übernahme der Braunkohle-Sparte von Vattenfall in Ostdeutschland erhalten. Die Tagebaue und Kraftwerke in Brandenburg und Sachsen werden auf einen Wert von 3,4 Milliarden Euro taxiert. In Deutschland ist der Investor aus dem Nachbarland noch relativ unbekannt. Einige Hintergründe in Fragen und Antworten.
Quelle: dpa
Der Kopf hinter dem Unternehmen heißt Daniel Kretinsky. Er ist erst 40 Jahre alt - und doch schon einer der reichsten Tschechen. Nach dem Jura-Studium in Brünn (Brno) legte er eine Blitzkarriere beim slowakischen Finanzinvestor J&T hin. Gemeinsam mit dem Finanzmogul und J&T-Mitgründer Patrik Tkac startete Kretinsky 2009 die EPH-Gruppe, die innerhalb kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Akteure in der mittelosteuropäischen Energiebranche avancierte.
Nein. EPH hat sich mit einem zahlungskräftigen Partner zusammengetan, der PPF-Gruppe des Multimilliardärs Petr Kellner. Nach einer Schätzung der Zeitschrift „Forbes“ ist Kellner der reichste Tscheche. Er soll Berichten zufolge mit einer privaten Boeing 737 durch die Welt jetten.
Kretinsky ist überzeugt davon, dass erneuerbare Energiequellen wie Wind, Solar und Biomasse die fossilen Träger Kohle, Gas und Atom noch lange nicht ersetzen können. Bis zum Ende der Übergangszeit jedenfalls lasse sich mit den alten Kraftwerken vielleicht noch gutes Geld verdienen. Die Wirtschaftszeitung „Hospodarske Noviny“ aus Prag spricht von einer „Wette darauf, dass die Energiepolitik einiger europäischer Staaten undurchdacht ist“ - gemeint ist damit auch die Energiewende in Deutschland. Zugleich brauchen die klassischen Versorger dringend frisches Geld, um ihre Geschäfte angesichts immer unrentablerer Kohlekraftwerke neu zu ordnen. Da lässt sich aus Sicht der Tschechen das eine oder andere „Schnäppchen“ machen. Deutschland ist für EPH kein Neuland: Seit 2011 ist der Braunkohleförderer Mibrag mit Sitz in Zeitz (Sachsen-Anhalt) eine 100-prozentige Tochter.
Einige der größten Braunkohle-Tagebaue in Nordböhmen wie „Bilina“ bei Teplice und „Nastup“ bei Chomutov gehören dem zu zwei Dritteln staatlichen Energiekonzern CEZ - und stehen nicht zum Verkauf. Andere gingen bei der oftmals undurchsichtigen Privatisierung großer Teile des einstigen Staatsvermögens an konkurrierende Finanzgruppen. Tschechien hat den Tagebau-Ausbau zudem im Jahr 1991 per Gesetz begrenzt und bestimmte Fördergebiete festgelegt. Seither wurden die geltenden Beschränkungen nur stellenweise aufgeweicht.
Kretinsky ist Mitbesitzer des Fußballvereins Sparta Prag. Nur seine Fußball-Leidenschaft sei noch größer als seine Begeisterung für die Energiebranche, heißt es. Er spielt Golf, sammelt Kunst und mag italienische Sportwagen. Kretinsky lebt nach eigener Aussage in einer Villa, die einst der kunstinteressierte und bibliophile Bankier Jaroslav Preiss (1870-1946) für sich und seine Geliebte bauen ließ. Im Kommunismus wohnte dort zeitweise das ZK-Mitglied Vasil Bilak. Obwohl er mitunter wegen seines Bubengesichts belächelt wird, gilt Kretinsky als harter Verhandler.
Finanzanalysten weisen auf den hohen Schuldenstand hin. Bei einem Umsatz von knapp 3,7 Milliarden Euro 2014 lag der Gewinn vor Steuern und Abschreibungen bei fast 1,4 Milliarden Euro - die Schulden nach einer Schätzung der Zeitschrift „Ekonom“ aber zugleich bei über 5 Milliarden Euro. Ein teilweiser Börsengang ist in Planung, um Geld in die Kassen zu spülen. Andere halten Kretinsky für ein „weißes Pferd“ - im Tschechischen ein Begriff für Stellvertreter, hinter denen sich anonyme Besitzer verstecken. Sein Name taucht auch im Zusammenhang mit den „Panama Papers“ auf. Dass ihm die Firma „Wonderful Yacht Holdings“ auf den Britischen Jungferninseln gehört, bestreitet sein Sprecher nicht: „Ihr einziger Zweck ist der Besitz eines Katamarans.“