Doppel-Interview Eon und EDF: „Wir haben keine Angst vor Google und Co.“
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Doppel-Interview Eon und EDF„Wir haben keine Angst vor Google und Co.“
Europas große Energieversorger stehen vor gewaltigen Problemen. Im Doppelinterview sprechen die Chefs von EDF und Eon über neue Konkurrenten, die Chancen der Energiewende und die Gefahren nationaler Alleingänge.
Eon-Chef Johannes Teyssen (links) und EDF-Lenker Jean-Bernard Levy beim Interview im Ritz Carlton.
(Foto: Marko Priske für Handelsblatt)
BerlinBis vor wenigen Tagen hatten Johannes Teyssen und Jean-Bernard Lévy nur per Telefon Kontakt miteinander, bei einem Treffen des europäischen Branchenverbandes Eurelectric Anfang dieser Woche in Berlin begegneten sie sich erstmals auch persönlich. Der erste Eindruck: Zwischen den Chefs von Eon und EDF stimmt die Chemie – auch wenn die Unternehmen völlig unterschiedliche Strategien fahren.
Herr Lévy, Ihr Kollege Johannes Teyssen hat die Branche mit einem radikalen Strategiewechsel aufgeschreckt. Er will Eon aufspalten. Wie bewerten Sie Eons neue Strategie? Jean-Bernard Lévy: Ich bin doch noch gar nicht so lang in der Branche tätig, als dass ich mir das anmaßen würde... Ich bin jetzt seit acht Monaten Chef von EDF und hatte genug damit zu tun, mein eigenes Unternehmen kennen zu lernen.
Und Sie sehen keinen Bedarf, bei EDF etwas Ähnliches zu machen? Lévy: EDF schlägt sich in Anbetracht des schwierigen Marktes sehr gut – und wird sein integriertes Geschäftsmodell behalten. Es gibt keinen Grund, daran etwas grundsätzlich zu ändern.
Aber glauben Sie, dass andere Unternehmen Eons Beispiel folgen werden? Lévy: Natürlich wird das, was Herr Teyssen da macht, von jedem in der Branche sehr aufmerksam verfolgt. Wir wollen alle wissen, ob es funktioniert und ob es wirklich Mehrwert für die Aktionäre schafft. Spannend wird auch zu beobachten sein, wie sich der deutsche Markt durch Eons radikalen Schritt verändern wird.
Rechnen Sie denn mit Nachahmern, Herr Teyssen? Johannes Teyssen: Das ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal. Wenn wir den richtigen Weg eingeschlagen haben und wir dadurch schlagkräftiger werden, hoffe ich, dass uns niemand zu schnell folgt. Denn dann haben wir einen richtigen Wettbewerbsvorteil. Uns geht es ja gar nicht darum, ein Vorbild für andere zu sein. Wir wollen neue Kunden gewinnen und uns neue Geschäfte erschließen. Jedes Unternehmen muss aber seine eigenen Antworten finden auf die dramatischen Veränderungen im Energiemarkt.
Die Atomklagen der Energiekonzerne
Eon, RWE und Vattenfall sind gegen den 2011 beschlossenen beschleunigten Atomausstieg vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Den Konzernen geht es nicht darum, den bis Ende 2022 geplanten Ausstieg rückgängig zu machen. Sie fordern jedoch Schadenersatz, da die Bundesregierung wenige Monate vor der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima die Laufzeiten der Meiler noch verlängert hatte. Sollte das Verfassungsgericht den Unternehmen Recht geben, müssten diese den Schadenersatz in weiteren Verfahren erstreiten. Eon fordert mehr als acht Milliarden Euro. Bei RWE gehen Analysten von sechs Milliarden aus. Vattenfall will 4,7 Milliarden Euro und klagt auch vor einem Schiedsgericht in den USA.
Eon, RWE und EnBW klagen auf eine Befreiung und Rückzahlung der 2011 eingeführten Brennelementesteuer. Eon hat nach eigenen Angaben bislang rund 2,7 Milliarden Euro an den Fiskus gezahlt, RWE bis Ende 2015 rund 1,5 Milliarden Euro und EnBW 1,2 Milliarden Euro. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) billigte im Juni 2015 die Steuer. Das Bundesverfassungsgericht könnte sie noch kippen. Eine Entscheidung in Karlsruhe ist noch nicht absehbar.
Eon, RWE und EnBW klagen gegen Bund und Länder wegen des nach der Atomkatastrophe von Fukushima verhängten dreimonatigen Betriebsverbots für die sieben ältesten der damals 17 deutschen AKWs und des damals geschlossenen AKW Krümmel. Das Moratorium lief von März bis Juni 2011 und mündete schließlich im Sommer in den endgültigen Ausstiegsbeschluss. Ursprünglich hatte lediglich RWE geklagt. Nachdem der Energieriese vor Gericht Recht bekam, zogen Eon und EnBW nach. Eon klagt auf Schadenersatz in Höhe von 380 Millionen Euro, RWE auf 235 Millionen und EnBW auf 261 Millionen. RWE und EnBW haben bei ersten Anhörungen vor Gerichten allerdings einen Dämpfer erhalten. Urteile stehen aus.
Künftig haben EDF und Eon aber nur noch wenig gemein. Der eine setzt weiter auf große Kraftwerke, der andere spaltet sie ab. Besonders augenfällig werden die Unterschiede natürlich bei der Bewertung der Kernenergie. EDF baut sogar neue Reaktoren. Eon dagegen lagert die Atomkraftwerke in eine neue Gesellschaft aus – um sie abzuwickeln. Welche Zukunft geben Sie der Kernkraft in Europa noch, Herr Teyssen? Teyssen: Auch bei der Kernenergie gilt: Das muss jeder selbst wissen, wie er mit dem Markt umgeht. Für uns macht ein weiteres Engagement in der Kernenergie einfach keinen Sinn. Unsere deutschen Reaktoren werden wegen der politischen Vorgaben abgeschaltet. Dann haben wir nur noch eine kleine Aktivität in Schweden – und damit sind wir einfach zu klein, als dass wir hier eine wichtige Rolle spielen könnten. EDF ist da doch in einer ganz anderen Situation. Sie haben einen sehr großen Bestand an Reaktoren und viel technologisches Know-how. Für EDF ist das ein ertragreiches Geschäft. Für uns nicht.
Eon hätte sich aber auch im großen Stil engagieren können. Während EDF in Großbritannien neue Reaktoren baut, haben Sie sich bewusst dagegen entschieden. Warum? Aus ideologischen oder aus wirtschaftlichen Gründen? Teyssen: Das waren rein wirtschaftliche und strategische Gründe. Ich bin in der Frage ganz ideologiefrei. Jedes Unternehmen hat nur eine bestimmte Menge an Kapital zur Verfügung – und muss sich entscheiden, wie es dieses am sinnvollsten einsetzt. Wir sind zum Beispiel bei Offshore-Windenergie weltweit die Nummer drei und bei Onshore-Wind die Nummer acht. Wir sind stark bei Verteilnetzen und im Vertrieb. Warum sollten wir unser Kapital auf etwas setzen, wo wir nicht so gut sind? Bei EDF sieht das eben anders aus. Lévy: Wir betreiben 73 Reaktoren – und haben damit einfach die kritische Masse, um das Geschäft erfolgreich zu betreiben. Wir wissen, wie das Geschäft funktioniert und können ein neues Projekt wie jetzt in Großbritannien gut einschätzen. Wir haben auch viele Techniker, die gut ausgebildet sind und viel Erfahrung haben.
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