EnBW plant subventionsfreien Windpark Viel Wind mit nichts

Die beiden Energieversorger EnBW aus Karlsruhe und Dong aus Dänemark wollen in der deutschen Nordsee bis 2025 die ersten Windparks der Welt errichten, die völlig ohne staatliche Förderung auskommen.
Düsseldorf Teuer, nutzlos, unkalkulierbar: Die Pioniere der Offshore-Wind-Branche mussten sich anfangs viel Spott und Häme gefallen lassen. Verbraucherschützer wetterten gegen das „kostspielige Hochseeabenteuer“, und Energieökonomen warnten vor dem Entstehen von „Subventionsruinen“. Lange schien es so, als hätten die Nörgler recht. Doch nun dreht sich der Wind.
Seit Jahresanfang erhalten Windanlagenbetreiber keine gesetzlich festgelegte Förderung mehr für den Strom, den sie produzieren. Sie müssen sich stattdessen im Wettbewerb um etwaige Zuschüsse streiten. Erstmals angewandt, hat das Auktionssystem kürzlich zu einer Sensation geführt: Die beiden Energieversorger EnBW aus Karlsruhe und Dong aus Dänemark wollen in der deutschen Nordsee bis 2025 die ersten Windparks der Welt errichten, die völlig ohne staatliche Förderung auskommen.
Voraussichtlich noch in dieser Woche dürfte die Bundesnetzagentur nun die Ergebnisse für die erste Auktionsrunde für Windkraftanlagen am Festland veröffentlichen. Auch hier zeichnet sich ein Preissturz ab. Denn in puncto Technologie und Kosten werde es „weitere Fortschritte“ geben, sagte Frank Mastiaux dem Handelsblatt.
Der EnBW-Chef setzt aber vor allem auf Windmühlen auf hoher See. Er will beweisen, dass Offshorewind zur günstigsten Stromquelle überhaupt werden kann, und setzt die gesamte Ökoindustrie damit gewaltig unter Duck.
Denn bisher kassierten Offshoreanlagenbetreiber über 20 Jahre hinweg im Schnitt zwölf Cent für jede erzeugte Kilowattstunde. Am Festland sind es bis zu acht Cent. Zum Vergleich: Im Großhandel kostet Strom aktuell weniger als drei Cent. Bezahlen mussten die Differenz zum Marktpreis die Verbraucher über Umlagen. Gelingt es Konzernen wie EnBW und Dong tatsächlich, völlig ohne staatliche Zuschüsse auszukommen, wäre das der lang ersehnte Durchbruch bei der Energiewende. Das deutsche Jahrhundertprojekt könnte sich dann nach mehr als zwei Jahrzehnten vom Milliardenfiasko zum Erfolgsprojekt wandeln. Geht die Wette schief, zahlen freilich die Verbraucher die Zeche.
Mastiaux zählt zu den großen Zockern in diesem Spiel. Er selbst sieht sich freilich nicht als Hasardeur, sondern als kühl kalkulierenden Manager. Im Mittelpunkt seiner Kostenrechnung steht der technologische Fortschritt bei Windrädern. „Das ist reine Physik“, sagt Mastiaux. „Je größer der Rotordurchmesser, umso größer ist die Fläche. Das geht im Quadrat, entsprechend größer ist der Ertrag.“
Tatsächlich ist vieles denkbar, sollte sich die Windkrafttechnologie so rasant weiterentwickeln wie in der Vergangenheit. Die ersten größeren Windräder auf hoher See ragten mit einer Gesamthöhe von bis zu 110 Metern aus dem Wasser. Heute sind Anlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 160 Metern längst Standard. Künftig könnten die Mühlen aber nicht nur höher als der Kölner Dom (159 Meter) aus dem Wasser ragen, sondern sogar die Ausmaße des Eiffelturms erreichen (324 Meter). Die Voraussetzung dafür ist, dass sich die Leistung der Turbinen, der wichtigsten Komponente, von aktuell acht Megawatt auf 15 Megawatt erhöht. Damit könnten dann bei stetigem Wind rund 18.000 Haushalte mit Strom versorgt werden.
„Aus technologischer Sicht war die Frage nach der Turbinenleistung und der Flügelspannweite nie wirklich ein Thema“, sagt Jens Tommerup, Chef von MHI Vestas, einem Joint Venture für Offshore-Windanlagen bestehend aus Vestas, dem größten Turbinenbauer der Welt, und dem japanischen Mischkonzern Mitsubishi. Auch Jürgen Geißinger sieht noch enormes Potenzial für Windkraft auf hoher See. „Es ist nun an der Zeit, dass die Politik die Ergebnisse der anfangs benötigten Subventionierung erntet“, erklärt der Vorstandsvorsitzende von Senvion.
Der Miteigentümer des Hamburger Windanlagenherstellers tüftelt mit seiner Entwicklungstruppe gerade an einer Turbine mit einer Leistung von mehr als zehn Megawatt. Das sei ein „Quantensprung“ bei der Herausforderung, die Kosten für Offshore-Windenergie zu drücken, erklärt Geißinger. Der Ex-Chef des Automobilzulieferers Schaeffler prophezeit, dass Windkraft auf hoher See „global großes Potenzial entwickeln wird“.
Das kostspielige Abenteuer, Windräder in den Meeresboden zu rammen, wagte bisher allerdings nur Europa im größeren Stil. Etwa 88 Prozent aller Anlagen weltweit drehen sich in der Nord- und Ostsee. Dirk Briese, Chef von Windresearch, glaubt aber, dass die Null-Cent-Gebote jetzt dazu führen werden, dass auch anderswo über den Aufbau von Offshoreanlagen nachgedacht wird. „In Ländern wie den USA horcht man nun auf“, sagt Briese. „Wir werden einen boomenden Weltmarkt sehen.“
Konkret rechnet der Marktforscher mit einem Wachstumspotenzial von 150 bis 200 Gigawatt bis 2030. Das entspräche mehr als einer Verzehnfachung der aktuellen Kapazitäten. Denn laut dem Global Wind Energy Council waren Ende 2016 lediglich Offshoreanlagen mit einer Leistung von rund 14,4 Gigawatt weltweit angeschlossen.
Trotz der guten Aussichten, sieht Briese angesichts des heutigen Marktniveaus in den Geboten von EnBW und Dong aber eine „brutale Wette“. Einerseits auf steigende Strompreise und steigende CO2-Preise, andererseits auf enorme technologische Fortschritte über alle Bereiche hinweg – von der Turbine über das Fundament und die Rotorblätter bis hin zur Logistik. Auch bei Wettbewerbern stoßen EnBW und Dong auf Kritik. „Wir ‧verfolgen Projekte nicht um jeden Preis“, hielt Innogy-Chef Peter Terium vor kurzem fest. Sein Unternehmen hatte sich auch an der Ausschreibung beteiligt – war aber klar unterlegen.
Im Hintergrund werden Konkurrenten deutlicher. „Das ist eine sehr riskante Wette“, heißt es bei einem Unternehmen. Es möge ja sein, dass es in wenigen Jahren tatsächlich 13 bis 15 Megawatt starke Turbinen gebe, die wären aber dann erst einmal wieder deutlich teurer: „Die Preise sind doch nur so stark gesunken, weil die aktuelle Generation von vielen Unternehmen abgenommen wird.“ Die größte Unsicherheit sei aber die Entwicklung der Strompreise. Die müssten von unter drei Cent je Kilowattstunde deutlich über fünf Cent klettern.
Hermann Albers nimmt die Null-Cent-Gebote noch argwöhnischer zur Kenntnis. Der Chef des Bundesverbands Windenergie (BWE) ist der Oberlobbyist der Windkraftbranche an Land und fürchtet, dass der Preisverfall bei Offshore-Windanlagen unrealistische Erwartungen bei den Auktionen für Windanlagen am Festland weckt. Albers warnte jüngst gar vor „energiewirtschaftlichen Verwerfungen“, die drohen würden, falls sich die Annahmen von EnBW und Dong nicht erfüllen und die Konzerne die Windparks doch nicht bauen sollten.
Die Strommengen aus den Offshore-Windparks, mit denen die Bundesregierung bis 2025 fest kalkuliert, müssten dann ersetzt werden. Strom müsste womöglich teuer importiert werden oder Kohlekraftwerke hierzulande länger als nötig am Netz bleiben, heißt es beim BWE. Die Rechnung dafür würden die Verbraucher zahlen.
Martin Neubert beschwichtigt. Der Deutschland-Chef von Dong versichert, die Parks ohne Förderungen bauen zu wollen. „Das ist keine Spekulation. Wir haben eine Kostendegression von mehr als 60 Prozent allein in den letzten vier Jahren gesehen“, sagt Neubert. Und er will die Kosten in allen Bereichen weiter drücken. Ein Beispiel: „Mit neuen Serviceschiffen, die zwischen den Windparks hin- und herpendeln, werden wir den Wartungsaufwand enorm verringern.“ Neubert ist überzeugt: „Offshore-Wind wird zum Rückgrat der Energiewende.“
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