Energie Insolventer Billigstromanbieter: BEV-Gläubiger und -Kunden gehen fast leer aus

Billigstromanbieter locken mit günstigen Preisen. Nicht selten endet das allerdings zum Nachteil für den Verbraucher.
Düsseldorf Einen Großteil ihres Geldes werden die Gläubiger des insolventen Stromanbieters Bayerische Energieversorgungsgesellschaft (BEV) wohl nicht mehr wiedersehen. Über 300.000 Forderungen in Höhe von 512 Millionen Euro waren nach der Pleite des Billigstromanbieters eingegangen. Zwei Jahre später steht fest, dass der durchschnittliche BEV-Kunde nur mit einer Mini-Rückzahlung rechnen kann.
„Trotz aller bisherigen Erfolge zur Realisierung von Insolvenzmasse und zur Klärung der bestehenden Forderungen und Verbindlichkeiten gibt es in diesem Verfahren leider keine Aussichten auf eine überdurchschnittliche Gläubigerbefriedigung“, sagte Insolvenzverwalter Axel Bierbach am Dienstag.
In Anbetracht von bisher knapp 190 Millionen Euro Passiva und noch anzuerkennender Forderungen rechnet der Insolvenzverwalter daher nur mit einer sehr geringen Quote im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
Der bayerische Strom-Discounter hatte im Januar 2019 Insolvenz angemeldet. Wo Kunden anfangs mit Billigtarifen und saftigen Bonuszahlungen gelockt wurden, stellte sich nach den ersten ein bis zwei Jahren oft Enttäuschung ein, wenn der Strompreis dann doch in die Höhe schnellte. Aber immer mehr Kunden durchschauten das Modell und wechselten den Anbieter.
Hohe Kündigungsquoten trugen letztlich zur Pleite der BEV bei. Jedoch hatte es auch schon lange vor der Insolvenz bei dem Münchener Unternehmen massenhaft Beschwerden gegeben, weil die monatlichen Grundpreise teilweise um hundert Prozent erhöht werden sollten.
Schnell war klar, dass finanzielle Engpässe wohl der Grund für die radikalen Preiserhöhungen waren. Das Geschäftsmodell der BEV funktionierte nicht mehr. Der Energieversorger rechtfertigte sein Vorgehen erst über gestiegene Strompreise – bevor er am Ende doch Insolvenz beantragte.
Selbst Großgläubiger gehen leer aus
Seitdem warten Hunderttausende Gläubiger und Kunden auf ihr Geld. Unter ihnen auch Stromnetzbetreiber wie Amprion und Tennet. Auf die Großgläubiger entfällt fast die Hälfte der Forderungen.
Für die andere Hälfte will der Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV) zumindest den bei Vertragsabschluss beschlossenen Bonus sichern. Elf Monate nach der Pleite hatte der VZBV deshalb eine Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht München eingereicht und recht bekommen.
Mit der Klage sollte geregelt werden, dass der Bonus auch dann zu gewähren sei, wenn Verbraucher kein volles Jahr lang mit Strom oder Gas beliefert wurden. Grund für die zu kurze Lieferung war, dass BEV vor Ablauf der Jahresfrist zahlungsunfähig wurde.
Laut VZBV soll der Neukundenbonus außerdem von der Nachforderung des Insolvenzverwalters abgezogen werden. Deswegen legte Bierbach Revision gegen das Urteil ein. Nun muss auf die Entscheidung der letzten Instanz, des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe, gewartet werden.
„Solange über die Musterfeststellungsklage, die derzeit vor dem Bundesgerichtshof anhängig ist, nicht entschieden ist, wird eine Anerkenntnis dieser Neukunden-Bonusforderungen nicht erfolgen können“, machte Bierbach am Dienstag deutlich. Man wollte mit den betroffenen Neukunden nun Kontakt aufnehmen.
Discounter rutschen immer wieder in die Pleite
„Die gesamte Forderungsprüfung war eine Mammutaufgabe“, sagte Bierbach. In ganz Deutschland gab es bisher nur wenige Insolvenzen mit derart vielen Gläubigern. Die Teldafax-Pleite hatte beispielsweise ähnliche Dimensionen. Das Unternehmen hatte jahrelang ein Schneeball-System aufgebaut und am Ende seine Insolvenz verschleppt. Es blieben zahllose geprellte Kunden und ein Schaden von 500 Millionen Euro. Der Fall Teldafax wurde zum Fanal für die gesamte Strombranche.
Seitdem rutschen gerade Discounter immer wieder in die Pleite – vor allem bei den derzeit rekordverdächtigen Strompreisrallys an der Börse. Otima Energie AG, Smiling Green Energy und Lition Energie aus Berlin sind nur die jüngsten aus einer Reihe von Insolvenzen im Stromsektor.
Solange der Strompreis nicht gestiegen war, hatten Discounter am Markt den Vorteil niedrigerer Beschaffungskosten, anders als beispielsweise Grundversorger wie die jeweiligen Stadtwerke. Die kaufen ihren Strom oft mehrere Jahre im Voraus ein. Seit ein paar Jahren ist der Strompreis allerdings kräftig nach oben geschnellt. Während eine Megawattstunde im Großhandel Anfang 2017 kaum mehr als 20 Euro kostete, waren es am vergangenen Montag über 130 Euro.
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