Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke
Energie

Energiepreiskrise Teures Erdgas: Düngerhersteller drosseln europaweit die Produktion

Deutschlands größter Ammoniakproduzent SKW Piesteritz fordert wegen der teuren Energie ein Eingreifen der Politik. Der Gaspreis steigt immer weiter.
06.10.2021 - 06:11 Uhr 1 Kommentar
Bei Ammoniak droht ein starker Engpass. Quelle: imago images/Westend61
Dünger-Ausbringung auf einem Feld

Bei Ammoniak droht ein starker Engpass.

(Foto: imago images/Westend61)

Düsseldorf Der massiv gestiegene Preis für Erdgas setzt den Herstellern von Düngemitteln schwer zu. Jetzt drosseln auch die SKW Stickstoffwerke Piesteritz die Produktion. Die Chemiefirma aus Sachsen-Anhalt ist der größte deutschen Hersteller von Ammoniak, dem Grundprodukt von Düngern. Weitere große Anbieter aus ganz Europa haben bereits ihre Anlagen wegen des teuren Erdgases heruntergefahren.

Die Dynamik des Gaspreisanstiegs sei besorgniserregend, sagte Petr Cingr, Vorsitzender der SKW-Geschäftsführung, am Dienstagabend und ergänzte: „Das mittlerweile erreichte Niveau ermöglicht keine ökonomisch sinnvolle Produktion mehr.“ Unter diesen Bedingungen sehe man sich gezwungen, die Produktion um ein Fünftel herunterzufahren.

Dies könnte nur der erste Schritt sein, wenn sich die Lage auf dem Gasmarkt nicht bessert. „Wir fordern unverzügliches Handeln der Politik. Ohne staatliche Maßnahmen droht in Kürze ein Produktionsstopp“, warnt Cingr. Die Konsequenzen könnten weitreichend sein, vor allem für die deutsche Landwirtschaft, die auf die Düngemittel angewiesen ist.

Die Verknappung chemischer Grundstoffe und ein dramatischer Anstieg der Preise für alle Güter, auch der Grundnahrungsmittel, könnten die Folge sein, warnt der Chemiemanager. „Ob die unverzügliche Inbetriebnahme von Nord Stream 2 oder eine Alternative: Die Politik ist hier gefordert – und zwar sofort.“ SKW Piesteritz ist auch der größte Harnstoffproduzent Deutschlands und Marktführer bei der Herstellung von Adblue, einem Entstickungsmittel für dieselbetriebene Fahrzeuge.

Die Gaspreise steigen seit Monaten immer weiter. Am Dienstag kostete eine Megawattstunde (MWh) auf dem europäischen Spotmarkt TTF über 90 Euro und damit fast doppelt so viel wie Ende August. Nach kalten Wintern und leeren Speichern führt die nach der Coronapandemie deutlich schneller angezogene Weltwirtschaft derzeit überall auf der Erde zu einer ungewöhnlich hohen Gasnachfrage.

Grafik

Besonders beim Flüssigerdgas, auch Liquefied Natural Gas (LNG) genannt, schießen die Preise weiter nach oben. Allein in China stieg der Bedarf im ersten Halbjahr 2021 um 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Land will zur Erreichung seiner Klimaziele deutlich mehr Erdgas einsetzen und muss dafür vor allem auf LNG-Importe via Schiff zurückgreifen.

Aber während die Lieferungen nach China seit Beginn des Jahres um zwölf Prozent gestiegen sind, fielen die LNG-Lieferungen nach Europa im Vergleich zum Vorjahr deutlich geringer aus. Und das obwohl die Gasnachfrage auch hierzulande auf das Niveau vor der Pandemie gestiegen ist.

Engpässe nicht ausgeschlossen

Die Auswirkungen in der europäischen Wirtschaft sind längst spürbar. Getroffen sind vor allem die Firmen, die sich nicht über längerfristige Energielieferverträge abgesichert haben oder die gleich zweifach auf Erdgas angewiesen sind. Das ist bei den Herstellern von Ammoniak der Fall.

Für die Düngerproduzenten ist Erdgas einerseits ein wichtiger Energieträger für den Betrieb der Anlagen. Wichtiger aber ist: Es ist der entscheidende Rohstoff für die Ammoniakfertigung. Aus dem Gas wird mit Hilfe von Wasser der benötigte Wasserstoff gewonnen.

Nun könnte es zu einem veritablen Engpass kommen. Denn zahlreiche große Anbieter haben in den vergangenen Tagen ihre Produktion gedrosselt oder sogar komplett eingestellt. BASF etwa hat die Fertigung an den Standorten Ludwigshafen und Antwerpen zurückgefahren. Die Bedingungen für einen wirtschaftlichen Betrieb einer Ammoniakanlage in der Region hätten sich erheblich verschlechtert, heißt es beim weltgrößten Chemiekonzern mit Blick auf die Gaspreise.

Zuvor schon hat die norwegische Yara als weltweit zweitgrößter Ammoniaklieferant daraus die die Konsequenzen gezogen und die Produktion um 40 Prozent gedrosselt. Konkurrent CF Industries aus den USA hat in Großbritannien vor zwei Wochen gleich zwei Anlagen komplett geschlossen.

Eines der CF-Werke soll mit finanzieller Hilfe der britischen Regierung nun wieder produzieren. Denn es geht nicht allein um die Düngerversorgung. Die Ammoniakproduktion ist wichtig für die Belieferung mit Kohlendioxid, das in Schlachtbetrieben und in der Lebensmittelindustrie gebraucht wird. Ein anhaltender Engpass würde sich direkt auf die Nahrungsmittelversorgung auswirken.

Branchenexperten berichten, dass es auch in Deutschland mittlerweile immer schwieriger werde, überhaupt neue Lieferverträge für Gas abzuschließen. Weil der Preis sich täglich ändere, könne man den Bedarf oft nur noch von Tag zu Tag an den Spotmärkten einkaufen.

Die hohe Volatilität beim Gas alarmiert auch die Hersteller petrochemischer Produkte. Mehrere Anbieter hätten Verhandlungen mit ihren Kunden über neue Chemikalienlieferverträge für 2022 gestoppt, berichtet die führende Chemie-Marktforschungsgesellschaft ICIS. Grund: Neben den Transportkosten seien auch die mittelfristigen Energiekosten derzeit kaum abschätzbar.

Mehr: Gaspreiskrise: Der LNG-Boom in Asien steht erst am Anfang

Startseite
1 Kommentar zu "Energiepreiskrise: Teures Erdgas: Düngerhersteller drosseln europaweit die Produktion"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Und wieder eine Runde Gejammer. Und der obligatorische Ruf nach der Politik. Gehört das jetzt in Deutschland zu unserer "vaterländischen" DNA? Von E-Autos über die Subsitution von Elematarschadensversicherungen durch Staatshilfe bis nun zur Hilfe für die erdgasabhängige Düngemittelindustrie?

    Dabei hat der Erdgasmarkt förmlich "geklingelt", um die Akteure darauf hinzuweisen, dass sich hier was zusammenbraut. Zur Einordnung - worüber reden wir hier? Ein Erdgaskontrakt kostete in der Spitze im Jahr (Angaben in USD/10 Mio Btu) 2000: 11.00, 2005: 15.78; 2008: 13.70; 2014: 6.49 - und heute: 6.45. Extreme Anstiege kamen immer wieder vor, dieser hier wurde wie alle anderen auch "angekündigt" durch die Preisentwicklung an den Terminmärkten. Hier befindet sich der Markt seit Oktober 2020 in einer Backwardation, d.h. die kurz terminierten Lieferverpflichtungen sind teurer als die langfristigen. Das ist der Ausnahmezustand, der auf einen kurzfristigen Nachfrageüberhang (oder einen Angebotsmangel, ganz wie's beliebt) hinweist. Schon Monate zuvor waren die Preise zwischen den verschiedenen Lieferterminen auf den ersten Blick "komisch", ein Großverbraucher hätte sich zu diesem Zeitpunkt zwingend absichern MÜSSEN. Wenn das nicht geschehen ist, dann ist das - so leid's mir tut - ein Versagen in der Beschaffung, keine für die Politik relevante schicksalhafte Heimsuchung von Unbeteiligten, denen die Allgemeinheit zur Seite springen müsste. Diese "Opfer" haben den Erlös des Preisverfalls aus dem zwischenzeitlichen Rückgang des Erdgaspreises auf 1.44 (06.2020) auch nicht mit uns geteilt.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%