Energietechnik Siemens Energy bekommt 700-Millionen-Auftrag aus Brasilien für schwächelnde Kraftwerkssparte

Im Rahmen des aktuellen Stellenabbaus bei Siemens Energy fallen allein in Deutschland 2600 Arbeitsplätze weg.
München Siemens Energy hat einen Großauftrag für seine kriselnde Kraftwerkssparte aus Südamerika erhalten. Der Dax-Konzern soll ein schlüsselfertiges Gas- und Dampfkraftwerk in Brasilien errichten. Das Gesamtprojekt hat ein Volumen von rund einer Milliarde Euro – laut Branchenschätzungen dürften etwa 700 Millionen davon auf Siemens Energy entfallen.
Für Siemens Energy hat das Projekt große Bedeutung. Zum einen kann die Sparte „Gas and Power“ jeden Auftrag dringend gebrauchen: Der Weltmarkt für große Gasturbinen, bei denen Siemens traditionell stark ist, ist in den vergangenen Jahren stark eingebrochen, weil in Zeiten der Energiewende vor allem kleinere, dezentrale Lösungen gefragt sind.
Deswegen ist die Sparte in einer permanenten Restrukturierung. Im Rahmen des aktuellen Stellenabbau-Programms fallen erneut rund 2600 Arbeitsplätze in Deutschland weg.
Zudem dringt Vorstandschef Christian Bruch schon länger darauf, dass Gas bei der Energiewende eine größere Rolle spielen müsse. „Mit Gaskraftwerken können wir die Versorgungssicherheit auch bei steigendem Bedarf effizient gewährleisten“, sagte er kürzlich bei Vorlage der Bilanz für das Geschäftsjahr 2020/21. Im Vergleich zu Kohle spare Gas bis zu zwei Drittel der klimaschädlichen Emissionen ein.
Mit dieser Forderung steht Bruch in der Wirtschaft nicht allein da. „Es würde für die Welt absolut Sinn ergeben, alle Kohlekraftwerke sofort zu schließen und durch Gaskraftwerke zu ersetzen“, sagte der künftige Linde-Chef Sanjiv Lamba dem Handelsblatt. Der noch amtierende CEO Steve Angel ergänzte: „Wenn ich mit Industriemanagern spreche, ist allen klar, dass wir auch Gas brauchen.“ Es sei enorm teuer, mit einem Schlag auf erneuerbare Energien umzustellen.
Gaskraftwerke: Nur noch 80 statt 400 Turbinen pro Jahr
Doch trotz aller Forderungen und Hoffnungen ist der Markt gerade für große Gasturbinen weiter schwach. Die Hersteller hatten einst im Boom Kapazitäten für etwa 400 Turbinen im Jahr aufgebaut. Zuletzt hat sich der Markt bei etwa 80 verkauften Turbinen im Jahr eingependelt.
Da kommt ein Auftrag wie aus Brasilien gerade recht. Die Projektgesellschaft Gás Natural Açu will neben der bestehenden Anlage GNA 1 in Porto do Açu im Bundesstaat Rio de Janeiro, die ebenfalls unter Siemens-Beteiligung realisiert wurde, ein LNG-to-Power-Projekt realisieren. Die Gas- und Dampfkraftanlage soll also mithilfe von Flüssiggas Strom erzeugen.
Mit einer Leistung von 1,7 Gigawatt soll es sich um die größte Anlage ihrer Art in Lateinamerika handeln. Insgesamt kommt der Komplex dann auf drei Gigawatt und kann laut Siemens Energy rund 14 Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Die Anlage könnte in Zukunft noch um weitere Kraftwerke erweitert werden.
Siemens Energy wird drei große Gasturbinen der HL-Klasse, eine Dampfturbine, vier Generatoren, drei Abhitzedampferzeuger und die Elektro- und Leittechnik liefern. Zudem übernehmen die Münchener Service und Betrieb.
„Dieses Projekt ist von strategischer Bedeutung, nicht nur aufgrund seiner Dimension, sondern auch wegen seiner geografischen Lage in der Nähe der beiden wichtigsten Gaspipelinesysteme im Nordosten und Südosten Brasiliens“, sagte Siemens-Energy-Vorstand Jochen Eickholt. Die Gasturbinen seien so ausgelegt, dass sie in Zukunft auch mit Wasserstoff betrieben werden könnten.
Brasilien will mit dem Projekt seinen Stromerzeugungsmix diversifizieren. Aktuell nutzt das Land laut Experten zu zwei Dritteln Wasserkraftwerke.
Siemens Energy verdient vor allem mit Service Geld
Im Geschäftsjahr 2020/21 war der Umsatz von „Gas and Power“ leicht auf 18,4 Milliarden Euro gestiegen. Die angepasste operative Marge lag bei 2,1 Prozent. Damit kommt die Sanierung mit ordentlichen Schritten voran.
Vor allem der Service in der Kraftwerkssparte ist noch lukrativ. Wachsendes Neugeschäft sollen aber eigentlich die erneuerbaren Energien bei Siemens Energy beisteuern.
Doch ausgerechnet die Windkrafttochter Siemens Gamesa schwächelt seit Jahren – und bescherte dem Gesamtkonzern im vergangenen Geschäftsjahr einen Verlust von 560 Millionen Euro.
Probleme hatte unter anderem der Hochlauf der neuen Windkraftanlagen-Generation 5.X bereitet. Diese ist die erste gemeinsam entwickelte Plattform von Siemens Gamesa für Windräder an Land und die bislang leistungsstärkste Onshore-Turbine mit Getriebe.
Einen ersten Großauftrag erhielt das Unternehmen ebenfalls aus Brasilien. Allerdings ist dort ein Anteil lokaler Fertigung gefordert – und der Aufbau der neuen Produktion bereitete Schwierigkeiten.
Solche Probleme sind bei dem neuen Kraftwerk in Brasilien nicht zu erwarten. Die Turbinen werden im traditionsreichen Siemens-Energy-Turbinenwerk in Berlin gefertigt.
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