Energietechnik Wasserstoff: Siemens Energy sucht Standort für Elektrolyseur-Fertigung

Siemens-Werk im sächsischen Görlitz.
München, Düsseldorf Beim neuen Dax-Konzern Siemens Energy gibt es derzeit eine zweigeteilte Welt. Die konventionelle Kraftwerkstechnik schwächelt, den erneuerbaren Energien und dem Wasserstoff gehören die Zukunft. Und so ist das Interesse der traditionellen Standorte groß, sich innovative Produkte zu sichern.
Dabei muss die Siemens-Abspaltung nach Informationen des Handelsblatts aus Industriekreisen bald eine wichtige Entscheidung treffen: Gesucht wird ein Standort für die industrielle Fertigung von Elektrolyseuren, mit denen Wasserstoff produziert wird. „Um den Zuschlag gibt es einen konzerninternen Wettbewerb“, heißt es. Große Interesse soll es in Görlitz, Berlin und Mülheim geben.
„Wasserstoff ist einer der wesentlichen Bausteine für den Erfolg der Energiewende“, sagte Siemens-Energy-Vorstand Jochen Eickholt dem Handelsblatt. „Damit dieser auch ein Wirtschafsfaktor wird, müssen wir die Produktionskosten auf ein wettbewerbsfähiges Maß senken, zum Beispiel durch die industrielle Fertigung von Elektrolyseuren.“ Siemens Energy prüfe alle Optionen, wie das gelingen könne.
Für den Energietechnikkonzern bietet sich mit dem Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten die Chance auf einen Milliardenmarkt. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.
Immer mehr Länder entwickeln ihre eigenen Wasserstoffstrategien, Japan und Australien setzen auf das nachhaltige Molekül und selbst Saudi-Arabien plant erste Projekte. Laut einer Studie im Auftrag der EU-Kommission könnten bis 2050 allein in der europäischen Wasserstoffindustrie mehr als 5,4 Millionen Arbeitsplätze entstehen – bei einem Umsatz von mehr als 800 Milliarden Euro im Jahr.
Große Wasserstoff-Ziele, bisher aber nur kleine Projekte
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kündigte an: „Wir wollen bei Wasserstofftechnologien als Europäer gemeinsam die Nummer eins in der Welt werden und Arbeitsplätze in Europa nachhaltig sichern.“
Die Bundesregierung will in den nächsten Jahren insgesamt neun Milliarden Euro in die Technologie investieren. Bis 2030 sollen so Elektrolysekapazitäten von 5000 Megawatt aufgebaut werden, bis 2040 sollen es 10.000 Megawatt sein. Besonders in der Stahl- und Chemieindustrie, im Wärmebereich, aber auch im Schwerlastverkehr ist der Einsatz von grünem Wasserstoff wesentlich für die Dekarbonisierung.
Bislang gibt es allerdings nur kleinere Pilotprojekte. Aber kaum ein Monat vergeht ohne die Ankündigung für ein neues Wasserstoffprojekt: Der Energiekonzern Uniper will am Standort Wilhelmshaven eine 400 Megawatt große Elektrolyseanlage aufbauen. Das wäre die bislang größte Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff weltweit.
Erst Ende April verkündeten Gasunie, RWE und Shell, über eine Transportleitung grünen Wasserstoff aus der Offshore-Windenergie direkt ans Festland weiterleiten zu wollen. Abnehmer hätte Siemens Energy also in jedem Fall genug.
Noch fertigt das Unternehmen seine Elektrolyseure aber quasi in Handarbeit in Erlangen. Ein Hauptgrund für den hohen Preis von grünem Wasserstoff. Die Anlagen müssen jetzt vor allem größer und billiger werden. Das geht nur über die Skalierung in eine industrielle Fertigung.
Ostsachsen könnte Wasserstoff-Zentrum werden
Für eine Reihe von Siemens-Energy-Standorten ist das eine große Chance. Auch eine Fertigung im Ausland ist denkbar.
Ein potenzieller Kandidat in Deutschland: Ostsachsen. „Wasserstoff ist eine große Hoffnung für Görlitz“, sagte Oberbürgermeister Octavian Ursu dem Handelsblatt. Es entstehe gerade ein Cluster aus Forschung, Entwicklung und Industrie, daher habe die Region beim Thema Wasserstoff viel zu bieten. Die Stadt profitiere zudem von den Mitteln des Bundes für den Strukturwandel.
In der Tat gibt es in der Region derzeit viele Aktivitäten. Die Fraunhofer-Gesellschaft baut auf dem Innovationscampus in Görlitz in Kooperation mit Siemens gerade ein Wasserstoff-Testcenter. In der Anlage sollen zum Beispiel die Lebensdauer und die Haltbarkeit von Elektrolyseuren unter Dauerbelastung erprobt werden.
Auf dem Gelände hat sich mit Metaliq auch bereits ein Wasserstoff-Start-up angesiedelt. Zudem treibt die sächsische Staatsregierung das Thema Wasserstoff auf vielen Ebenen voran.
David Straube, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender am Siemens-Standort Görlitz, ist daher überzeugt, dass die Elektrolyseur-Fertigung sehr gut nach Ostsachsen passen würde. „Wir haben die Erfahrung, wir haben die Leute, wir haben den Platz.“ Der Standort Görlitz wolle den Kunden dekarbonisierte Industrieprozesse anbieten. Da sei die Wasserstofffertigung ein wichtiger Bestandteil.
Auch dank des neuen Fraunhofer-Testzentrums gebe es viel Expertise vor Ort. Görlitz habe eine sehr gute Bewerbung abgegeben. „Die Elektrolyseur-Fertigung gehört hierher.“
Siemens hatte vor gut drei Jahren das Werk in Görlitz schließen wollen. Nach heftigen öffentlichen Protesten wurde der Standort, an dem unter anderem Industriedampfturbinen gebaut werden, fürs Erste gerettet.
Aktuell sei die Stimmung bei den Beschäftigten durchwachsen, sagt Betriebsrat Straube. Einerseits seien die Geschäfte mit Industrieturbinen bis zum Beginn der Corona-Pandemie sehr gut gelaufen. „Wir hatten sehr viel zu tun, das Auftragsvolumen abzuarbeiten.“ Auf der anderen Seite habe die neue Stellenabbaurunde, die in Görlitz noch mal mehr als 120 Arbeitsplätze treffen soll, zu Enttäuschung geführt.
Siemens hatte in einem Zukunftspakt zugesagt, „zielgerichtet innerhalb der nächsten Jahre darauf hinzuarbeiten, die Entwicklungs- und Forschungsaktivitäten am Standort Görlitz im Bereich dekarbonisierte Industrieprozesse aufzubauen und zu konzentrieren“. Ziel sei „die Entwicklung marktreifer Produkte und Lösungen“.
Der Zukunftspakt Görlitz
Oberbürgermeister Ursu sagt: „Wir hoffen sehr, dass das Werk den Zuschlag bekommt.“ Siemens habe zugesagt, den Standort weiterzuentwickeln. „Ich gehe davon aus, dass alle Beteiligten zu dem sogenannten 'Zukunftspakt Görlitz' stehen.“
Auch die sächsische Staatsregierung treibt das Thema voran. Im „Innovationscluster HZwo – Antrieb für Sachsen“ sind 60 Unternehmen und Forschungseinrichtungen entlang der gesamten H2-Wertschöpfungskette von der Forschung über Komponentenproduktion bis zur Anwendung versammelt. Der Freistaat bewirbt sich zudem um das Bundes-Wasserstoffzentrum und ist mit Chemnitz neben dem bayerischen Pfeffenhausen und Duisburg im Finale.
Auch wenn das Umfeld gut ist: Das Rennen um die Siemens-Fertigung ist offen. Eickholt sagte, er wolle sich nicht an Spekulationen über mögliche Standorte beteiligen. „Wenn wir den richtigen Standort gefunden haben, dann werden wir das mit den zuständigen Gremien besprechen.“
Manche im Konzern sehen Berlin vorn. Wenn das Thema Wasserstoff einmal richtig anlaufe, müsse man auch attraktiv für Talente sein. Und da sei die Randlage von Görlitz noch immer ein Nachteil.
Oberbürgermeister Ursu allerdings sieht das ganz anders. „Görlitz hat nur aus deutscher Sicht eine Randlage. Die Stadt liegt mitten in Europa.“
Mehr: Power-to-X könnte der Wasserstoffindustrie den Durchbruch bringen – diesmal wirklich
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ich fasse zusammen:
Wir (bzg. Siemens) suchen einen Standort zur Fertigung...
Am besten mit niedrigen Gewerbesteuern, im besten Falle in Verbindung mit einer hohe Subventionierung, wenn man sich dort niederlässt sowie "günstige" Arbeitskräfte. Da passt der Osten Deutschlands sehr gut ins Schema. Die potenziellen Arbeitskräfte sind auch nah.
Und das witzige daran....die Fertigung erfolgt hier und der Vertrieb und Betrieb ins/im Ausland. Hier lassen sich die Elektrolyse-Anlagen nicht (wirtschaftlich) betreiben, es sei denn der Strom wird quasi kostenneutral angeboten.
Das wird ein höchst politisches Geschacher sein. Gewinnen wird der, der die höchsten (€€€€) Zugeständnisse macht.