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Energie

Energieversorger EnBW und MVV Streit unter Nachbarn

Die EnBW aus Karlsruhe will ihren Anteil an MVV Energie auf eine Sperrminorität aufstocken. Der Mannheimer Versorger wehrt sich vehement – auch beim Bundeskartellamt. Der Konflikt reicht weit zurück in die Vergangenheit.
05.09.2017 - 17:00 Uhr Kommentieren
Die beiden regionalen Versorger pflegen seit jeher eine tiefgehende Rivalität. Quelle: imago/R. Wittek
Gemeinsames Großkraftwerk von RWE, EnBW und MVV in Mannheim

Die beiden regionalen Versorger pflegen seit jeher eine tiefgehende Rivalität.

(Foto: imago/R. Wittek)

Düsseldorf Zwischen Mannheim und Karlsruhe liegen nicht einmal 70 Kilometer. Zwischen der Mannheimer MVV Energie und der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) aus Karlsruhe erstrecken sich aber Welten. Die beiden Energiekonzerne pflegen seit jeher eine tiefgehende Rivalität.

Vor gut zwanzig Jahren, als das Land Baden-Württemberg die EnBW durch die Fusion mehrerer Regionalversorger schuf, konnten sich die Mannheimer der staatlich gelenkten Konsolidierung geschickt entziehen und die Unabhängigkeit wahren. Seitdem sitzt der Argwohn gegen den größeren Konkurrenten und dessen Expansionsgelüste aber tief.

Und jetzt eskaliert der Streit. Die EnBW greift beim Nachbarn nach der Sperrminorität – und die MVV Energie wehrt sich vehement. Offiziell hält sich der Mannheimer Versorger zwar bedeckt. Im Hintergrund versucht er, die Pläne des Konkurrenten aber zu durchkreuzen. „Die EnBW ist ein Wettbewerber von uns. Deshalb lehnen wir den Schritt ab", heißt es in Unternehmenskreisen.

Der einzige börsennotierte Kommunalversorger Deutschlands macht vor allem beim Bundeskartellamt Stimmung. In einem Schreiben an die Behörde, das dem Handelsblatt vorliegt, führt die MVV Energie massive „wettbewerbsrechtliche Bedenken“ an: „Mit der Anteilsaufstockung überschreitet EnBW nicht nur formal die 25-Prozent-Anteilsschwelle, sondern erweitert auch materiell die Einflussmöglichkeiten auf die strategische und operative Geschäftstätigkeit von MVV erheblich.“

Eigentlich geht es nur um wenige Prozentpunkte. Die EnBW hatte im März mitgeteilt, dem französischen Versorger Engie dessen Anteil von 6,3 Prozent an der MVV abzukaufen und die eigene Beteiligung damit auf 28,8 Prozent auszubauen, was einem Wert von 450 Millionen Euro entspricht. Den bisherigen Anteil von 22,5 Prozent hatte der Energiekonzern über mehrere Jahre hinweg und in mehreren Tranchen erworben. Im Hintergrund tobt aber ein Streit getrieben von Misstrauen, gegenseitigen Vorwürfen und auch persönlichen Ressentiments.

Die EnBW gibt sich unschuldig. „Es handelt sich bei dem Erwerb um eine reine finanzielle, nicht strategische Beteiligung, so dass wir die Bedenken nicht nachvollziehen können“, erklärte das Unternehmen auf Nachfrage. Die Aktien sind nach Angaben der EnBW Teil der Finanzanlagen, mit denen langfristige Verpflichtungen abgesichert werden – etwa Pensionszusagen oder die Finanzierung des Atomausstiegs. Die MVV-Aktie erwirtschafte „eine attraktive Dividende“, heißt es. Gemessen am aktuellen Kurs liegt die Rendite in der Tat bei ansehnlichen vier Prozent. Von einem strategischen Interesse könne jedenfalls keine Rede sein, betont das Unternehmen. Im Gegenteil: Die EnBW habe in der Vergangenheit wiederholt versucht, wieder auszusteigen, wenn auch erfolglos.

Kartellamt prüft intensiv

Die EnBW muss davon aber weniger den Konkurrenten überzeugen als das Bundeskartellamt. Nach ersten Bedenken aus Bonn zog der Energiekonzern seinen Antrag zunächst zurück, überarbeitete ihn und reichte ihn im Sommer erneut ein. Seit kurzem läuft nun das Hauptprüfverfahren. Schließlich geht es zwar um zwei Versorger, die einen regionalen Schwerpunkt haben. Beide Unternehmen sind aber große Spieler auf dem deutschen Energiemarkt und auch überregional aktiv. MVV Energie ist eines der einflussreichsten Stadtwerke-Netzwerke und setzte im vergangenen Jahr mit rund 6.000 Mitarbeitern immerhin 4,1 Milliarden Euro um. EnBW ist mit 22 000 Mitarbeitern und 19 Milliarden Euro Umsatz noch ungleich größer – und gehört neben Eon, RWE, Innogy, Vattenfall und Uniper zur ersten Riege der Energiewirtschaft.

Die EnBW rechnet im November mit einer Entscheidung. Offenbar hat die Behörde im Energiesektor weniger Bedenken, im Entsorgungsgeschäft aber sehr wohl. Dabei werden die Kartellwächter auch das harsche Schreiben berücksichtigen, das die Anwälte der MVV ausgearbeitet haben. Die sehen in dem Anteil alles andere als eine Finanzbeteiligung, sondern schlicht den Versuch, die Kontrolle zu übernehmen: „Zum einen wäre die EnBW in der Lage, aufgrund der Sperrminorität strukturelle Entscheidungen, für die in der Hauptversammlung eine Sperrminorität erforderlich ist, zu blockieren“, heißt es. Zum anderen könnte die EnBW Entscheidungen beim gemeinsam betriebenen Großkraftwerk Mannheim „unmittelbar oder mittelbar blockieren“. Bisher habe die MVV trotz der Minderheitsbeteiligung „als unabhängiger und innovativer Wettbewerber“ der EnBW agieren können. Bei einer Aufstockung des Anteils wäre MVV „jedoch stets gezwungen“, die Interessen der EnBW zu berücksichtigen. Das „derzeitige Wettbewerbsverhältnis zwischen EnBW und MVV und die Handlungsfreiheit des Vorstands von MVV“ würden „stark beschränkt“ beziehungsweise „eingeschränkt“.

 Für MVV Energie ist die Unabhängigkeit von Großkonzernen aber zentral. Der Kommunalversorger war zwar 1999 an die Börse gegangen, die Stadt Mannheim hält aber bis heute die Mehrheit. Mit Unterstützung des Großaktionärs konnte MVV zu einem der größten Versorger aus der zweiten Reihe aufsteigen. MVV erwarb Beteiligungen in Kiel, Ingolstadt und Offenbach, expandierte sogar im Ausland.

Das Management begrüßte zwar selbst im Jahr 2007 im Zuge einer Kapitalerhöhung den Einstieg eines Partners, des Kölner Regionalversorgers Rheinenergie. Aber auch die Kölner bekamen damals nur 16 Prozent angeboten. Und die EnBW war gegen den Willen der Mannheimer eingestiegen. „Die EnBW hat sich über Jahre angeschlichen“, wird in MVV-Kreisen geschimpft.

Tatsächlich baute der Konkurrent den Anteil schrittweise auf. 2004 erwarb EnBW ein erstes Paket von 15 Prozent. Das sicherte sich der Versorger von der damals größten deutschen Gasgesellschaft Ruhrgas. Die EnBW hatte mit anderen Klägern die Übernahme der Ruhrgas durch Eon blockiert und bekam im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung die MVV-Aktien. Damals sicherte die EnBW dem Bundeskartellamt explizit zu, keine weiteren Aktien erwerben zu wollen.

Trotzdem hielt EnBW die 15 Prozent bei zwei Kapitalerhöhungen nicht nur konstant. Sie stockte den Anteil auch heimlich auf. Bei der Kapitalerhöhung 2007 hatte auch die Barclays Bank einen Anteil von sieben Prozent übernommen. Die agierte aber im Auftrag der EnBW, wie der Konkurrent 2012 einräumen musste. 2014 übernahmen die Karlsruher den Anteil dann auch offiziell. „Dabei hatte die EnBW doch 2004 zugesagt, den Anteil nicht aufstocken zu wollen“, heißt es in den MVV-Kreisen.

Die EnBW hält entgegen, man habe ja in der Vergangenheit mehrfach versucht auszusteigen. Eine „werthaltige Veräußerung“ sei aber – „sicher auch aufgrund der allgemein schwierigen Entwicklung der Energiemärkte“ – nicht möglich gewesen. In Unternehmenskreisen werden sogar wiederum Vorwürfe gegen Mannheim erhoben. In die Pläne seien jeweils die Stadt und das Unternehmen eingebunden gewesen, heißt es. Beide seien aber nicht kooperativ gewesen. Im Klartext: Jeder Interessent, den die EnBW anschleppte, sei auf Widerstand gestoßen.

Die Verhandlungsposition der EnBW könnte sich aber mit dem Erwerb der Sperrminorität entscheidend verbessern: „Wir gehen anhand der bisherigen Marktreaktionen davon aus, dass eine Aufstockung über 25 Prozent die Fungibilität unseres Anteils deutlich erhöhen kann“, hält die EnBW fest. Das Paket wird insgesamt attraktiver.

Für die auf die Unabhängigkeit bedachte MVV-Führung ist das Szenario dagegen genauso schlecht wie eine vermeintliche Einflussnahme der EnBW. Der Konkurrent mag die Sperrminorität vielleicht nicht selbst nutzen, er könnte sie aber gewinnbringend an einen unliebsamen Investor verkaufen.

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