Energiewende „Kernenergie hat sich für Deutschland erledigt“ – Warum die Energiekonzerne keine Rückkehr der Atomkraft wollen

Die Rückkehr zur Kernenergie ist für die großen deutschen Energieriesen kein Thema.
Düsseldorf Microsoft-Gründer Bill Gates, der neue Linde-Chef Sanjiv Lamba oder Ökonom Hans-Werner Sinn – sie alle kritisieren angesichts der gewaltigen Herausforderungen beim Klimaschutz den deutschen Atomausstieg. Auch eine Gruppe aus Atombefürwortern und Bürgerinitiativen schickte am Dienstag ein Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden der Parteien und verlangte, die gesetzlich festgelegten Stilllegungen der sechs verbliebenen Kernkraftwerke sofort aufzuheben.
Eine Gruppe hat für diese Diskussion aber überhaupt kein Verständnis – und die ist entscheidend: die Betreiber der sechs verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland, Eon, RWE und EnBW. „Kurz vor Abschalten in Deutschland eine Debatte darüber zu starten, ob Kernkraftwerke einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, ist befremdlich“, sagte Eon-Chef Leonhard Birnbaum dem Handelsblatt: „Sie kommt viel zu spät und nutzt keinem mehr.“
Für RWE ist das „Kapitel Kernenergie“ nach eigenen Angaben „abgeschlossen“. Und Georg Stamatelopoulos, Vorstand nachhaltige Erzeugungsinfrastruktur bei EnBW, hält auf Anfrage nüchtern fest: „Der Ausstieg aus der Kernenergie ist im Jahr 2011 im politischen und gesellschaftlichen Konsens beschlossen worden und gesetzlich klar geregelt. Die Nutzung der Kernenergie für die Stromproduktion hat sich damit in Deutschland erledigt.“
Tatsächlich ist der 2011 unter Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima beschlossene Ausstieg aus der Atomkraft fast abgeschlossen. Von den damals noch 17 Reaktoren sind noch sechs in Betrieb. Drei müssen bis zum Jahresende vom Netz, die restlichen bis Ende kommenden Jahres.
Zuletzt ist die Kritik am damaligen Beschluss aber wieder gewachsen. Die Befürworter der Atomkraft argumentieren mit der Versorgungssicherheit und hohen Strompreisen, schließlich sei unklar, wie Deutschland den steigenden Strombedarf und den gleichzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung verkraften könne. Sie argumentieren aber auch mit dem Klimaschutz, schließlich würden Kraftwerke vom Netz genommen, die nahezu CO2-frei Strom erzeugen.
„Der deutsche Atomausstieg war sicherlich nicht genial“, sagte jüngst der neue Linde-Chef Lamba im Interview mit dem Handelsblatt. Atomkraftwerke abzuschalten mache es schwerer, „Versorgungssicherheit und günstige Preise zu gewährleisten“, erklärte zuletzt auch Microsoft-Gründer Bill Gates. Und der ehemalige Präsident des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn bezeichnete den damaligen Beschluss jüngst offen als „Fehler und vor allem eine Kurzschlusshandlung“.
Vereinzelt fordern sogar Politiker und Manager, den Atomausstieg kurz vor dem Vollzug noch zu stoppen. Ex-BASF-Chef Jürgen Hambrecht sprach sich jüngst beispielsweise für eine Laufzeitverlängerung der sechs verbliebenen deutschen Atomkraftwerke aus. Genauso wie zuvor bereits Volkswagen-Chef Herbert Diess.
Frage nach Verlängerung stelle sich nicht
Das ist aber zum einen politisch unrealistisch – bei einer künftigen Regierungsbeteiligung der Grünen. Zum anderen haben die Atomkonzerne selbst kein Interesse mehr daran.
„Der Gesetzgeber hat vor Jahren entschieden, dass Kernkraft in Deutschland keine Zukunft hat. Ein Weiterbetrieb unserer Kernkraftwerke über den gesetzlichen Endtermin 2022 hinaus ist für uns kein Thema“, sagt Eon-Chef Birnbaum, „und dabei bleibt es.“
Die EnBW habe nach dem damaligen Ausstiegsbeschluss eine langfristige Strategie für den Rückbau ihrer Kernkraftwerke ausgearbeitet, die sie seither konsequent umsetze, betonte Vorstand Stamatelopoulos: „Die Frage nach der Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke sowie weitere hypothetische Fragestellungen in diesem Kontext stellen sich deshalb für die EnBW nicht.“
Und auch der RWE-Konzern wird seine zwei verbliebenen Kernkraftwerksblöcke entsprechend der gesetzlichen Fristen stilllegen: „Danach geht es nur noch um den sicheren und verantwortungsvollen Rückbau der Anlagen.“
Die Unternehmen haben daran allein wirtschaftlich kein Interesse mehr. Anfangs hatten sie sich noch mit Klagen und Verfassungsbeschwerden gewehrt, aber schon da ging es nicht um den Atomausstieg an sich, sondern um die Konditionen. Die Atomkonzerne forderten schlicht einen angemessenen Schadensersatz.
Die Frage ist inzwischen geklärt. Vor allem aber wurde entschieden, wer für Rückbau und Entsorgung zuständig ist. Ersteres verbleibt in der Aufgabe der Konzerne, die Entsorgung und die Haftung hat aber ein öffentlicher Atomfonds übernommen.
Atomstrom ist teurer als alle anderen Energieformen
Der Rückbau der Kraftwerke, die Entsorgung von strahlendem Material, die Endlagersuche – all das verschlingt Unsummen. Deutsche Behörden und Forschungsinstitute rechnen deswegen bei Atomstrom mit bis zu 34 Cent pro Kilowattstunde – mit Abstand der höchste Preis aller Energieformen. Für die Konzerne hatte sich das Geschäft mit Atomkraft jahrelang lediglich gelohnt, weil der Staat im Falle eines Supergaus den Großteil der Kosten übernommen hätte.
Aber auch für den Ausstieg mussten die Konzerne Milliarden an Rückstellungen einbringen. Für Eon, EnBW und RWE war das zwar ein Kraftakt aber auch ein Befreiungsschlag. Die unkalkulierbaren Risiken bei der Entsorgung der strahlenden Altlasten hatten schwer auf den Aktienkursen gelastet.
Und obwohl sich die Konzerne lange sperrten, haben sie sich inzwischen allesamt der Energiewende verschrieben. Eon konzentriert sich auf Vertrieb und Netze, EnBW ist einer der größten Betreiber von Offshore-Windparks, und selbst RWE, Deutschlands größter Kohlekonzern, ist inzwischen zu einem vorgezogenen Kohleausstieg bereit und hat die erneuerbaren Energien zum Kerngeschäft erklärt.
Eine Revision des Atomausstiegs wäre aber kurzfristig und auch im Nachgang kaum noch möglich, wie es in Kreisen der Konzerne heißt. Die Betriebsgenehmigungen würden auslaufen. Neue Genehmigungen würden sich jahrelang ziehen. Verträge mit Partnerfirmen sind längst gekündigt.
Die Planungen zielten schon „seit Jahren auf das Enddatum des Leistungsbetriebs“, heißt es bei einem Betreiber. „Wir verfügen nicht mehr über den Brennstoff. Und auch das erforderliche Personal, das wir zum Betrieb unserer Anlagen benötigen würden, steht nach der Abschaltung nicht mehr in ausreichendem Maße für einen Leistungsbetrieb bereit.“ Dies betreffe auch die Zulieferer.
Erneuerbare Energien statt Atomkraft
So entschieden die Energiekonzerne bei der Kernenergie sind – so sehr fordern sie von der künftigen Bundesregierung aber auch entschlossene Maßnahmen, um die drohende Stromlücke zu schließen. „Um die Ziele der Energiewende und damit den Klimaschutz in Deutschland erfolgreich zu machen, braucht es aus unserer Sicht vor allem Tempo“, fordert RWE.
Es gelte jetzt, die Ausbauziele für die erneuerbaren Energien zu erhöhen, den Netzausbau zu beschleunigen und Genehmigungsverfahren etwa für Windenergieanlagen zu verkürzen. RWE sei dabei bereit, beim Zubau von Wind- und Solaranlagen einen großen Beitrag zu leisten und so viele Projekte wie möglich zu realisieren.
Herausforderungen wie die Dekarbonisierung der Industrie, der Hochlauf der Elektromobilität, die Kopplung mit den Sektoren Wärme und Verkehr könnten „nur mit enormen Investitionen in die Stromverteilnetze und in ihre Digitalisierung“ bewältigt werden, heißt es bei Eon.
Für Eon-Chef Birnbaum ist aber auch klar, dass über Umwege auch in Deutschland die Atomkraft noch eine Rolle spielen wird: „Natürlich werden insbesondere die Franzosen auch weiter Strom aus Kernenergie in den europäischen Energieverbund einspeisen“, hält Birnbaum fest: „Und egal, wie wir die erneuerbaren Energien ausbauen, Deutschland wird ein Importland für Energie bleiben. Wenn Sie so wollen, ist das das Gegenstück zu unserem Erfolg als einer der Exportweltmeister.“
Mehr: Eine Revision des Atomausstiegs in Deutschland wird es nicht geben – aus guten Gründen
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Das die Produktion von Atomstrom, wie wir es bisher kannten und in einigen wenigen Kernkraftwerken noch bis zum Ablaufdatum produziert wird, in Deutschland keine Perspektive hat, ist, glaube ich, allgemeiner Konsens.
Aber warum sollen nicht ganz neue Player mit modernen, smarten Minireaktoren neu anfangen, die zum Teil sogar die kontaminierten Hinterlassenschaften der alten Bauweisen verwerten können.
Die Tabuisierung von moderner Technik in der Energieversorgung ist ebenso falsch, wie bei der Antriebstechnologie für Fahrzeuge. Warum schließt man synthetische Kraftstoffe, Wasserstoff und ähnliches aus und fokussiert sich ausschließlich auf eine Technologie, die noch nicht bewiesen hat, dass sie beliebig skalierbar ist. Man stelle sich mal vor, an einer Autobahntankstelle wollen je Stunde rd. 300 Fahrzeuge statt Benzin oder Diesel Strom tanken?
Kurze Fortsetzung: Es gab noch einen interessanten Beitrag von Bloomberg Europe, in Bloomberg Green 2020:
Wind Turbine Blades Can’t Be Recycled, So They’re Piling Up in Landfills
Dazu gibt es ein paar eindrucksvolle Bilder, wie die derzeitige Endlagerung aussieht.
Zu den Standzeiten verfüge ich über Tabellen: Übersicht Unfallereignisse an Windkraftanlagen / Windparks seit 2001- 01.2021
@Herr Axel Kluge, Sie haben die "richtigen" Quellen ihrer Info genannt. Der ÖRR und zweifelhafte Einrichtungen, die die direkt am Geldbeutel der Regierung hängen. Wenn Sie sich darauf beziehen dann schauen Sie vieleicht auch mal was von RTL noch 2007 verkündet wurde:--> https://archive.org/details/derklimaschwindel
Aktueller sind aber folgende Untersuchungen:
Liu, P., & Barlow, C. (2017). Wind turbine blade waste in 2050. Waste Management, 62 229-240. https://doi.org/10.1016/j.wasman.2017.02.007
oder :Ramirez-Tejeda, Katerin, Turcotte, David A. & Pike, Sarah (2017) Unsustainable Wind Turbine Blade Disposal Practices in the United States: A Case for Policy Intervention and Technological Innovation. NEW SOLUTIONS: A Journal of Environmental and Occupational Health Policy 26(4): 581-598.
Oder Dänemark:Andersen, P. D., Bonou, A., Beauson, J., & Brøndsted, P. (2014). Recycling of wind turbines. In H. Hvidtfeldt Larsen, & L. Sønderberg Petersen (Eds.), DTU International Energy Report 2014: Wind energy — drivers and barriers for higher shares of wind in the global power generation mix (pp. 91-97). Technical University of Denmark (DTU).
Ich habe auch einiges an Bildmaterial zur Zwischenlagerung von abgebauten Rotorblättern, aber das interessiert natürlich keinen. In diesem Land gilt nur als koscher was rot-grüner Tirade entspricht und selbstverständlcih: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
Sich mit dem Thema detailiert auseinandersetzen bedeutet Arbeit.
Der ganze ideologische Irrsinn läßt sich auf eine Frage für jeden Bürger reduzieren:
Wollen sie die Abhängigkeit, dass bei einer Dunkelflaute das deutsche Stromnetz zwingend durch ausländische Stromimporte ganz gleich aus welcher Erzeugung akut stabilisiert werden muss?
Wenn sie wegen ihres grünen Gewissens mit ja antworten, dann weiter so.
Das sind freche Behauptungen eines Schwarz-Weiss-Sehers: "Nach 20, maximal 25 Jahren ist eine Windturbine am Ende, Schrott, muss entsorgt werden, weil es bislang kein anderes Konzept gibt ."
--> https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/windrad-rotorblaetter-recycling-101.html
--> https://www.energieagentur.nrw/blogs/erneuerbare/beitraege/recycling-wie-werden-rotorblaetter-entsorgt/
Für Atommüll gibt es ja tolle Konzepte...haha.
Und übrigens, welcher Schaden entsteht denn durch eine defekte Windkraftanlage?
Ich verstehe die Unternehmen vollkommen. Das die Atomkraft gesamtwirtschaftlich das Mittel der Wahl ist ändert ja nichts an der Tatsache, dass mal als Unternehmen in Deutschland besser die Finger davon lässt. Analog und völlig ohne großes Aufsehen werden sich nach und nach die energieintensiven Unternehmen aus Deutschland in Länder ohne die übermässige dogmatische Verblendung verabschieden.
Ich finde es aberwitzig, dass man die Problematik jetzt erst "realisiert".
Ohne weiteres war das bereits damals absehbar.
@Herr Jan Lembach, wenn man sich Entsorgungskonzepte für die Windmühlen anschaut kann einem nur schlecht werde. Die Rotorblätter z.B. können nicht wiederverwendet werden. Man kann sie auch nicht verbrennen. Sie sind in hohem Maße hitzebeständig. Was bleibt ist die Mülldeponie. Aber das ist auch keine sehr gute Lösung, denn gerade weil die Rotorblätter so stabil sind, so hitzebeständig und wasserabweisend, benötigen sie Hunderte von Jahren, um sich ansatzweise zu zersetzen, und während sie sich zersetzen, geben sie u.a. Methan an ihre Umgebung ab, denn sie enthalten auch organische Bestandteile. Für alle, die es nicht wissen: Methan ist eines der Treibhausgase, also eines der Gase, von denen die Klimahysteriker behaupten, sie verursachen den Untergang der bewohnbaren Erde.
Die Probleme, die sich mit der Entsorgung der ineffizienten und hässlichen Windturbinen verbinden, holen uns schneller ein als uns lieb sein kann. Nach 20, maximal 25 Jahren ist eine Windturbine am Ende, Schrott, muss entsorgt werden, weil es bislang kein anderes Konzept gibt, auf Mülldeponien entsorgt werden.
2017 wurden erste Berechnungen durchgeführt was da an Schrott auf uns zukommt: ca. 43.000 t Abfall weltweit nur aus den Rotoren. Die Entsorgung ist aber noch ungeklärt. ca. 11000 t entfallen in etwa auf Europa. Bisher werden sie wie Asbest in voller Länge vergraben. Die Betreiber haben sich in den meisten Fällen vertraglich abgesichert dass die Betonfundamente im Boden verbleiben und nicht von ihnen entfernt werden müssen. Angeblich ist das Fraunhofer Institut dabei eine Entsorgungsmethode zu entwickeln. Ich habe dazu noch jede Menge Info. Diese Problematik darf natürlich nicht bekannt werden um die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht negativ zu beeinflussen. Bis dahin machen die Gangster mit dem grünen Mäntelchen weiter ihren Reibach. Interessant ist auch das Vergütungssystem.
Und Forschung wurde auch gleich eingestellt, schon vor Jahren. Welch ein Unfug. Wird uns China dann die neuesten Kernkraftwerke liefern?
Da Atomkraft gemäß der Ausführungen ja gerade durch die Rückbau- und Entsorgungskosten unwirtschaftlich wird:
Wer bezahlt eigentlich den künftigen Rückbau der Windstromanlagen und die Entfernung der Fundamente, die aus gut 1.000 m3 Stahlbeton im Erdreich bestehen?
Wie werden die Rotoren entsorgt?
Bisher ist der Verbund aus Glas- und Kohlefasern, eingegossen in Kunststoff, jedenfalls kaum zu recyclen.
Im Ergebnis entwerten wir mit der Stilllegung unserer Atomanlagen funktionierende Infrastruktur, die einmal energieintensiv errichtet wurde und ersetzen sie durch neue Anlage, die ebenfalls wieder energieintensiv errichtet werden. Klingt nur eingeschränkt nach Klimaschutz.
Fehlende Strommengen kaufen wir dann bei den Nachbarn, wo sie in den dortigen Atom- und Kohlekraftwerken erzeugt werden.
Das ist die konsequente Fortschreibung des Prinzips Elektroauto: Wir sind lokal emissionsfrei, der Dreck entsteht nur an einem anderen Ort.