Energiewirtschaft Dauer der Ausfälle auf Rekordtief: Das deutsche Stromnetz ist so zuverlässig wie nie

Das Management der Stromnetze wird immer schwieriger – die Netze sind aber noch immer sicher.
Düsseldorf Seit Deutschland vor mehr als zwei Jahrzehnten die Energiewende vollzogen hat und die erneuerbaren Energien ausbaut, warnen die Kritiker vor flächendeckenden Stromausfällen. Schließlich gehen die gut zu kalkulierenden Atom- und Kohlekraftwerke vom Netz, während der Stromertrag von Wind- und Solaranlagen vom Wetter abhängt.
Tatsächlich aber ist das Schreckensszenario bislang ausgeblieben. Im Gegenteil: Das deutsche Stromnetz ist so sicher wie nie. Im vergangenen Jahr sank die Unterbrechungsdauer in der Stromversorgung im bundesweiten Durchschnitt auf den tiefsten Wert seit Beginn der Veröffentlichung durch die Bundesnetzagentur im Jahr 2006.
Nach Angaben der Behörde verringerte sich die durchschnittliche Unterbrechungsdauer je angeschlossenen Letztverbraucher im Vergleich zum Vorjahreswert um 1,47 Minuten auf 10,73 Minuten. Dabei war schon 2019 (12,2 Minuten) ein Tiefstand verzeichnet worden.
„Die Zuverlässigkeit der Stromversorgung in Deutschland war im Jahr 2020 erneut sehr gut“, sagte Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur: „Die Energiewende und der steigende Anteil dezentraler Erzeugungsleistung haben weiterhin keine negativen Auswirkungen auf die Versorgungsqualität.“
Das ist nicht selbstverständlich. Die Energiewende stellt die Netzbetreiber schließlich vor enorme Herausforderungen. 2020 deckten erneuerbare Energien schon 46 Prozent des Stromverbrauchs. Weil der Ertrag von Wind- und Solarstrom stark schwankt, wird es immer schwieriger, Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen und das Netz stabil zu halten. Gleichzeitig muss der Strom weiträumig verteilt werden. Während im Süden viele Großverbraucher sitzen und Kernkraftwerke vom Netz gehen, entstehen in Nord- und Ostsee riesige Windparks.
Für das Jahr 2020 haben 860 Netzbetreiber der Bundesnetzagentur insgesamt 162.224 Versorgungsunterbrechungen in der Nieder- und Mittelspannung übermittelt. Die Anzahl der Störungsmeldungen nahm damit gegenüber dem Vorjahr um etwa 2400 Meldungen zu. Umso erstaunlicher ist es, dass die Dauer der Unterbrechungen gesunken ist.
Deutschland liegt europaweit in der Spitzengruppe
Betreiber von Energieversorgungsnetzen berichten der Bundesnetzagentur jährlich über alle in ihren Netzen aufgetretenen Versorgungsunterbrechungen, die länger als drei Minuten dauern. Der jeweilige Bericht enthält Zeitpunkt, Dauer, Ausmaß und Ursache der Versorgungsunterbrechungen.
Aus allen ungeplanten Unterbrechungen, die nicht auf Ereignisse der höheren Gewalt zurückzuführen sind, ermittelt die Bundesnetzagentur nach eigenen Angaben den sogenannten Saidi-Wert (System Average Interruption Duration Index), der die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung je angeschlossenen Letztverbraucher und Spannungsebene innerhalb eines Kalenderjahres widerspiegelt.
Der Saidi-Wert wird auch in anderen Ländern erhoben – und ist vielerorts deutlich höher. Deutschland liegt trotz Energiewende bei der Versorgungssicherheit in der Spitzengruppe.
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Bei vielen Industriebetrieben ist die Dauer eines Stromausfalls nicht entscheidend, sondern dass es überhaupt zu einer Netzunterbrechung gekommen ist. Denn selbst bei einem Stromausfall im Millisekundenbereich fällt die Maschinensteuerung aus. Das Wiederanfahren einer größeren Anlage nach solch einem Ausfall kann dann in die Stunden gehen.