Energiewirtschaft Teurer Squeeze-out: Durchgestochene Staatspläne treiben Aktienkurs von EDF

Der Versorger könnte neu strukturiert werden – doch der komplette Kauf durch den Staat könnte teurer werden, als erhofft.
Paris Am Mittwoch ist der Aktienkurs des französischen Versorgers EDF um mehr als zehn Prozent in die Höhe geschnellt. Dem vorausgegangen ist ein Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, der französische Staat wolle zehn Milliarden Euro ausgeben, um die EDF-Minderheitsaktionäre aus dem Unternehmen zu drängen. Die Indiskretion könnte nun zu einer der teuersten in Frankreichs Wirtschaftsgeschichte werden.
Der Energiekonzern ist börsennotiert, aber zu mehr als 80 Prozent in Staatsbesitz. EDF soll nun womöglich unter kompletter staatlicher Kontrolle umstrukturiert werden. Nach dem Kurssprung vom Mittwoch ist diese Rechnung wohl um eine beträchtliche Summe teurer geworden – schätzungsweise zwischen 600 Millionen und einer Milliarde Euro.
Reuters war von französischen Gewerkschaften informiert worden, die nach einem Treffen mit Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire berichteten, er habe ihnen gegenüber davon gesprochen, den zweistelligen Milliardenbetrag ausgeben zu wollen.
In einem Interview mit Bloomberg bemühte sich der Minister darum, die von den Gewerkschaften in die Welt gesetzte Indiskretion samt Wirkung auf die Börse wieder einzufangen. „Ich kann diese Zahl auf keinen Fall bestätigen, das wäre unseriös, weil unser Plan noch überhaupt nicht feststeht“, sagte Le Maire. Das Ministerium lehnte auf Anfrage seine Stellungnahme zu den Absichten der Regierung ab.
Der französische Staat verhandelt seit Monaten mit der EU-Kommission über einen Plan, mit dem das Elektrizitätsunternehmen EDF finanziell stabilisiert und zukunftsfähig gemacht werden soll. Der Konzern leidet unter dem auch in Frankreich in Gang kommenden Wettbewerb auf dem Strommarkt sowie unter den Milliardenausgaben für die Modernisierung seiner veralteten Atomkraftwerke.
EDF soll in zwei Unternehmen aufgespalten werden
Zwei Drittel des französischen Stroms werden in den 56 Atomkraftwerken des Landes erzeugt. Sie waren lange ein Vorteil für deren Inhaber EDF: Weitgehend abgeschrieben produzieren sie Elektrizität sehr günstig. So günstig, dass Frankreich den Aufbau erneuerbarer Energien verzögert hat.
Doch nun wird der Vorteil zur Bürde: Die Laufzeiten der alten Kraftwerke werden auf bis zu 50 Jahre verlängert. Die Atomaufsicht ASN stimmte aber nur unter kostspieligen Auflagen zur Anpassung an heutige Sicherheitsstandards zu. Sie machen Eingriffe in die Struktur der Meiler notwendig, etwa redundante und stärkere Notkühlsysteme, die EDF in milliardenschwere Ausgaben treiben.
Die Kosten des Versorgers steigen, die Erlöse aber halten damit nicht Schritt. Außerdem lässt sich der Aufbau der Erneuerbaren nicht mehr länger hinausschieben, der Anteil des Atomstroms soll bis Mitte des Jahrzehnts von zwei Drittel auf die Hälfte der Erzeugung sinken.
Die Lösung soll eine Umstrukturierung mit staatlicher Hilfe bringen, über die Le Maire seit Monaten mit der EU-Kommission verhandelt. Staatshilfen sind in der EU nur zulässig, wenn die Brüsseler Kommission sie genehmigt. Das geschieht bei Hilfen für Unternehmen in der Regel nur, wenn das begünstigte Unternehmen seine Aktivitäten völlig umstellt oder einschränkt.
Gegenstand des Gesprächs von Le Maire mit den Gewerkschaften ist die Absicht, EDF in zwei Unternehmen aufzuspalten. Eines soll sich weitgehend auf erneuerbare Energien konzentrieren, das andere auf die zu Altlasten werdenden Atomkraftwerke. Eine Idee besteht darin, diese Aufspaltung zu ermöglichen, indem EDF von der Börse genommen wird. Dafür müsste der französische Staat die Minderheitsaktionäre herauskaufen – und dafür nun wohl noch mehr Geld in die Hand nehmen.
Mehr: Frankreichs Atombehörde ebnet Weg für 50 Jahre Laufzeit ältester AKW.
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