Eon-Chef Teyssen im Interview „Von Abwicklung kann keine Rede sein“

„Für uns war immer wichtig, dass in keinem Unternehmen im Konzern zweistellige Millionengehälter möglich sind.“
Essen Erstmals empfängt Johannes Teyssen das Handelsblatt in seinem neuen Büro in Essen. Im Süden, an der A52, direkt neben der Messe, hat Deutschlands größter Energiekonzern Anfang des Jahres seine neue Zentrale bezogen – zumindest die Teile, die sich mit der Energiewende beschäftigen und auch künftig noch zur Eon SE gehören werden. In der alten Zentrale in Düsseldorf ist Uniper-Chef Klaus Schäfer geblieben, der sich mit seinem Unternehmen um die alte Energiewelt kümmern wird. Teyssens Eckbüro in Essen ist mit den zwei kompletten Glasfronten heller und freundlicher als das alte in Düsseldorf. Der Umzug soll Aufbruchsstimmung erzeugen – die der Konzern dringend nötig hat.
Herr Teyssen, während die Energiekonzerne seit Jahren in der Krise stecken, ist in anderen Branchen viel Geld vorhanden. Bayer will für mehr als 60 Milliarden Dollar Monsanto übernehmen. Machen Sie solche Megadeals neidisch?
Nein. Ich habe in meinem Leben auch schon große Wachstumsphasen erlebt. Es ist ja nicht so, dass ich diesen Zustand nicht kenne.
Der Zustand gehört aber der Vergangenheit an. Jetzt müssen Sie sich mehr als Sanierer und Abwickler denn als Zukäufer beweisen.
Von Abwicklung kann keine Rede sein. Mit der Abspaltung von Uniper bereiten wir uns bei Eon auf eine neue Wachstumsphase vor. Es mag vielleicht keine so großen Sprünge geben, aber ich bin überzeugt, dass beide Unternehmen, Eon und Uniper, auch wieder wachsen werden.
Ist es in der angeschlagenen Energiebranche nicht sinnvoll, die Kräfte ebenfalls durch Fusionen zu bündeln? Stattdessen spaltet sich nicht nur Eon auf – sondern auch Ihr Konkurrent RWE.
Ob eine Konsolidierung sinnvoll ist, hängt immer vom jeweiligen Geschäft ab. Und für die Bereiche, in denen Eon künftig tätig sein wird, sehe ich darin keinen Vorteil. Bei den erneuerbaren Energien oder den kundennahen Energiedienstleistungen gibt es meiner Meinung nach keine entscheidenden Größenvorteile. In der Pharmabranche sieht das ganz anders aus. Da bindet die Grundlagenforschung so viel Kapital und Ressourcen – und wenn das Produkt entwickelt ist, kann es sofort global vermarktet werden.
Eine Fusionswelle ist im Energiesektor also nicht in Sicht?
Weder in Europa noch in Amerika oder Asien sehe ich dafür Anzeichen. Das mag daran liegen, dass alle derzeit erst einmal Kraft sammeln. Wahrscheinlicher ist aber, dass auch einfach die Logik sehr eingeschränkt ist.
Ist die Aufspaltung von Eon in zwei Unternehmen also alternativlos?
Nichts ist alternativlos. Ein Konkurrent, der ein paar Kilometer weiter sitzt, sieht das ja anders …
… RWE …
Dessen Management glaubt noch an den Vorteil eines integrierten Energiekonzerns ...
… der alles unter einem Dach behält, also die großen Kraftwerke genauso wie die erneuerbaren Energien. Ihr Konkurrent spaltet zwar auch das Geschäft mit der Energiewende in eine neue Gesellschaft ab. Die RWE AG will aber die Mehrheit behalten. Im Handelsblatt haben die beiden Chefs von RWE behauptet, dass ihre Strategie besser sei als die von Eon. Wie haben Sie das empfunden?
Das ist doch okay – und sogar gut so. Wenn wir recht haben, wovon wir ausgehen, hoffe ich, dass uns keiner allzu schnell folgt. Dann haben wir einen Vorteil.
Die Eon-Strategie ist also die bessere?
Für Eon auf jeden Fall, aber das wird dann letztlich die Zukunft zeigen. Wir müssen nicht die Konkurrenz von unserer Strategie überzeugen, sondern unsere Kunden und unsere Anleger. Und sollten wir keinen Erfolg haben, ist es ja auch besser, wenn uns niemand folgt (lacht).
Die RWE-Strategie wirkt aber überzeugender. RWE platziert Aktien des neuen, grünen Bereichs. Eon dagegen schafft eine neue Aktie für das alte, notleidende Kraftwerksgeschäft. Die neue RWE-Aktie ist doch eindeutig attraktiver, oder?
Sie werden sicher verstehen, dass ich dies anders sehe. Wir gehen im ersten Schritt gar nicht an die Börse. Bei uns bekommt jeder Anleger für je zehn Eon-Aktien einfach eine zusätzliche Uniper-Aktie. Das Vermögen des Aktionärs bleibt gleich, es wird einfach auf zwei Gesellschaften aufgeteilt. Jeder kann selbst entscheiden, welche er behält oder verkauft. Unsere Aktionäre bekommen also einen weiteren Vorteil: Sie haben eine zusätzliche Option, wie sie mit ihrem Vermögen umgehen.
Seitdem Sie die Eon-Aufspaltung Ende 2014 verkündet haben, sind die Rahmenbedingungen noch einmal deutlich schlechter geworden. Die Strompreise sind genauso abgestürzt wie der Ölpreis. Macht das Projekt überhaupt noch Sinn?
Ganz klar ja! Diese Entwicklung bestätigt uns sogar in unserer Entscheidung. Wir sind überzeugt, dass Eon und Uniper auf die Herausforderungen in ihren jeweiligen Märkten klarer, fokussierter und schneller reagieren können.
Dennoch setzt der Preisverfall Eon unter Druck.
Natürlich hat sich die Startposition geändert. Es fehlen schon ein paar Hundert Millionen Euro an Erträgen, mit denen beide Teile geplant hatten. Die Lage hätte sich aber auch für Eon als integrierten Konzern geändert. Die strategische Logik war und bleibt richtig.
Für Uniper ist die Startposition eigentlich katastrophal. Die Kraftwerke, die das Unternehmen übernimmt, verdienen bei einem Strompreis von nicht einmal 25 Euro je Megawattstunde fast kein Geld mehr.
Wir haben zwar im vergangenen Jahr Milliarden an Abschreibungen vorgenommen, aber auch Uniper arbeitet im operativen Geschäft profitabel. Natürlich wird Uniper zunächst sparen müssen. Mein Kollege Klaus Schäfer wird die Strukturen und die Kosten überprüfen. Aber das hätten wir in dem Bereich auch ohne die Spaltung machen müssen. Und auch bei der neuen Eon wird uns das Effizienzthema immer begleiten.
Sie sind überzeugt, dass Uniper auch bei diesen Rahmenbedingungen lebensfähig ist?
Selbstverständlich!
Und Sie können Uniper mit gutem Gewissen in die Selbstständigkeit entlassen?
Ja. Wir haben uns der Zukunftsfähigkeit sowohl bilanziell als auch wirtschaftlich in jeder Hinsicht vergewissert. Daran gibt es keinen Zweifel. Den haben auch die Investoren nicht. Die Equity-Story, die die Kollegen von Uniper dem Markt präsentiert haben, ist gut angekommen. Und das Rating, das Uniper bekommen hat, ist trotz des schwierigen Umfelds gut ausgefallen. BBB- ist ein stabiles Investmentgrade-Rating.
Aber eine attraktive Story bietet die Uniper-Aktie nicht.
Das sehe ich anders. Uniper ist zwar stark von den internationalen Preisentwicklungen abhängig. Das heißt aber auch, dass es ein starkes Potenzial nach oben gibt, wenn die Preise wieder ansteigen. Die Aktivitäten, die das Unternehmen übernimmt, sind jedenfalls verglichen mit der Konkurrenz sehr gut. Die Kraftwerke sind effizient und stoßen vergleichsweise wenig CO2 aus. Die Wasserkraftwerke, die Gasspeicher oder das internationale Handelsgeschäft sind ebenfalls sehr attraktiv.
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