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Energie

Eon Inside – der Umbau Die Entdeckung der neuen Welt

Die Abspaltung des alten Geschäfts mit Kohle- und Gaskraftwerken ist vollzogen. Nun braucht der schwer angeschlagene Versorger neue Geschäftsmodelle mit erneuerbaren Energien – und neue Kunden. Finden soll sie der wichtigste Angestellte von Eon-Chef Teyssen: Vertriebsvorstand Wildberger. Innenansichten eines Konzerns auf der Suche nach seiner neuen Identität.
02.05.2017 - 18:00 Uhr Kommentieren
Eon braucht neue Geschäftsmodelle mit erneuerbaren Energien. Quelle: dpa
Solarkraftanlage

Eon braucht neue Geschäftsmodelle mit erneuerbaren Energien.

(Foto: dpa)

Essen Die Runde ist nicht klein, aber vertraulich. Rund 150 Mitarbeiter sind nach Feierabend in die Kantine der Eon-Zentrale im Essener Süden gekommen. In geschlossener Gesellschaft fällt es naturgemäß leichter, Probleme schonungslos anzusprechen. „Die Leute reden über uns, als wären wir ein Unternehmen von gestern“, hält Karsten Wildberger nüchtern fest.

Wildberger leitet als Vorstand das Ressort Kundenlösungen. Das ist die Sparte, die sich um Eons gut 21 Millionen Kunden kümmert. Und es ist die Einheit, auf der die Hoffnungen des angeschlagenen Energiekonzerns auf bessere Zeiten ruhen: Die Sparte soll neue Produkte und Dienstleistungen finden – und dem Energiekonzern nach der Abspaltung der Kohle- und Gaskraftwerke so den Start in die neue Energiewelt ermöglichen.

Alle acht Wochen ruft Wildberger seine Truppe in Essen zur Bestandsaufnahme in lockerer Atmosphäre zusammen. Und die fällt ehrlich und offen aus. Für viele Kunden sei Eon noch immer der träge Monopolist, sagt der 47-jährige. Die Presse sei voll von Berichten über Verluste, Abschreibungen und Stellenabbau. „Wir müssen die Art und Weise ändern, wie die Kunden über uns reden!“, ruft er ins Mikrofon: „Die Kunden sollen über uns als einen Pionier der neuen Energiewelt reden – als einen Pionier, der sich neu erfinden kann, nicht als Unternehmen von gestern.“

Diesen Auftrag hat Konzernchef Johannes Teyssen seinem Vertriebschef ganz oben auf die Agenda gesetzt. Vor gut einem Jahr hatte er Wildberger aus dem fernen Australien nach Essen geholt. Seitdem ist der Quereinsteiger, der zuvor 13 Jahre in der Telekommunikationsbranche gearbeitet hatte, zuerst für T-Mobile, dann für Vodafone und zuletzt für die australische Telstra, Teyssens wichtigster Mitarbeiter: Wildberger muss Eon in der neuen, der sauberen, dezentralen und vor allem digitalen Energiewelt positionieren. Eon ist schon stark bei erneuerbaren Energien, betreibt ein leistungsfähiges Netz und versorgt europaweit Kunden mit Strom und Gas. Der Konzern braucht aber dringend neues Wachstum, neue Fantasie – und dafür soll Wildberger sorgen. In sein Ressort fallen Vertrieb, dezentrale Erzeugung, Marketing und vor allem digitale Transformation und Innovation – also genau die Schlüsselbereiche, um neue Dienstleistungen und Produkte zu entwickeln. Und weil es um neues Geschäft geht, heißt die Sparte auch nicht schnöde „Vertrieb“, sondern eben „Kundenlösungen“.

Einen großen Erfolg kann der smarte Vertriebsvorstand, schlank, kurz geschnittene Haare, randlose Brille, schon verbuchen. Er fädelte eine Partnerschaft des Energie-Dinos mit dem Star der High-Tech-Szene ein: Google. Eon wird erstmals außerhalb der USA die Plattform Sunroof anbieten.

Sunroof nutzt die Daten, die der US-Konzern über die Satellitendienste Google Earth und Maps sammelt. In Deutschland können Hausbesitzer nun über Eons Internetseite das Solarpotenzial abschätzen – und direkt die Produkte des Konzerns wie Photovoltaikmodule kaufen. Google erhält Lizenzgebühren.

Die Partnerschaft lässt aufhorchen, Eon braucht dringend neue Umsätze, und zwar im großen Stil. Die Trennung von Uniper, vom alten Geschäft, im vergangenen Jahr war schmerzhafter als erwartet. Der einstmals größte Energiekonzern Europas musste Milliarden abschreiben und schloss das Geschäftsjahr mit einem gigantischen Verlust von 16 Milliarden Euro ab. Und Eon gab nicht weniger ab als das alte Geschäftsmodell, den Betrieb großer Kraftwerke. Eon braucht also auch eine neue Identität.
Wildbergers Aufgabe ist umfassend. Scheitert er, scheitert wahrscheinlich auch Teyssen – und Eons Zukunft wäre schon zu Ende, bevor sie überhaupt erst richtig begonnen hat.

Die Zielsetzung könnte jedenfalls nicht größer sein: „Am Ende des Tages wollen wir DAS Energieunternehmen sein!“, ruft der Vertriebschef der versammelten Mannschaft in der Kantine zu. An Stehtischen verfolgen die Mitarbeiter die Ausführungen des Vertriebsvorstands und seiner wichtigsten Abteilungsleiter. Es wird nur Englisch gesprochen.

Wildberger und sein Führungsteam geben ein Update über die Entwicklung der Marke, neue Produkte und Innovationen. Einige „ausgewählte Erfolge und Meilensteine“ hat sich der Chef zum Einstieg selbst vorbehalten. Im Geschäft mit Privatkunden gebe es Fortschritte beim Verkauf von Solaranlagen und Stromspeichern. Im Firmengeschäft habe man einige „richtig große Kunden“ gewonnen. Dow Chemical beispielsweise, Bilfinger, Goodyear oder Sainsbury’s. Bei der Digitalisierung arbeite man an spannenden neuen Applikationen. Bei der Elektromobilität greife man an. Und dann habe Eon auch noch viele neue erfolgversprechende Partnerschaften geschlossen, mit BMW beispielsweise, mit Sixt, IBM und eben auch Google.

„Ich weiß, wie hart alle arbeiten, aber wir können gemeinsam stolz auf die ersten Erfolge sein“, sagt Wildberger und erntet Applaus, um aber schnell eine entscheidende Bemerkung nachzuschieben: „Bin ich zufrieden mit dem Status quo? Offensichtlich nein. Die Geschwindigkeit, mit der wir uns verändern, ist gut. Ich bin mir aber sicher, dass wir die Geschwindigkeit noch beschleunigen können.“ Es ist ein typisches Muster in Wildbergers Führungsstil. Der ehemalige Berater weiß zu motivieren, ist aber sehr fordernd. Er mischt sich selbst in kleine Details ein und hält die Anspannung hoch. Eon müsse „die Nummer eins bei digitalen Lösungen“ sein – und vor allem „DIE Customer-Company“.

Eon wurde zum Sanierungsfall

Der Kunde als König? Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit. Ist es für Eon aber nicht. Das Unternehmen hat den größten Teil des Kundenstamms in Monopol-Zeiten aufgebaut, als die Verbraucher noch mit Strom und Gas „versorgt“ wurden. Der Konzern verdiente jahrzehntelang so viel, dass er fett und träge wurde. Eon war mal das wertvollste Unternehmen im Dax und kostete Anfang 2008 gut 100 Milliarden Euro. Die Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke warfen so hohe Renditen ab, dass der Vertrieb nur ein Nebengeschäft war.

Dann kam es im März 2011 im japanischen Fukushima zur Reaktorkatastrophe – und für Eon änderte sich alles. Die Bundesregierung besiegelte den Atomausstieg und beschleunigte die Energiewende. Wind- und Solaranlagen fluteten den Markt mit grünem Strom. Die Kohle- und Gaskraftwerke wurden aus dem Markt gedrängt, Eon musste die Anlagen radikal abwerten und häufte seit Fukushima Verluste von gut 27 Milliarden Euro an. Der Aktienkurs sackte im selben Zeitraum um 70 Prozent ab. Heute ist Eon nur noch 14 Milliarden Euro wert.

„Eon ist schon sehr geschwächt“
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