Erneuerbare Energien RWE-Ökostrom-Chefin kündigt Expansion in neue Märkte an
Essen Die Kamera fliegt über einen gewaltigen Solarpark. Sie filmt einen Surfer vor einem großen Offshore-Windpark und fängt einen Schwarm Zugvögel ein. Der Film endet mit einem romantischen Blick auf ein Windrad im Sonnenuntergang.
Der Imagefilm schildert die schöne, neue, grüne Energiewelt – und die wohl ambitionierteste Metamorphose, die sich ein deutscher Großkonzern je vorgenommen hat. RWE, Deutschlands Kohlekonzern, Europas größter Emittent des klimaschädlichen CO2 und Feindbild Nummer eins der Klimaschützer, setzt seine Zukunft komplett auf erneuerbare Energien.
RWE meint es ernst: „Wir sind jetzt auf einen Schlag zu einem Global Leading Player geworden“, sagt Anja-Isabel Dotzenrath, die Chefin der Sparte RWE Renewables, im Gespräch mit dem Handelsblatt. In Europa sieht sich RWE schon als die Nummer drei bei den Erneuerbaren, bei Offshore-Windenergie sogar weltweit als Nummer zwei und insgesamt bei Windenergie global auf Rang vier.
Aber dabei soll es nicht bleiben: „Diese Positionen wollen wir halten – und am liebsten ausbauen“, sagt Dotzenrath. „Unser Anspruch ist es, bei allen Technologien, auf die wir setzen, führend zu sein: Bei Offshore-Wind, bei Onshore-Wind und der Photovoltaik.“ Als viertes Standbein sieht RWE langfristig außerdem Speichertechnologien wie die Lithium-Ionen-Batterie.
Bis Ende September war das Essener Unternehmen noch komplett auf die alte Energiewelt ausgerichtet. 120 Jahre lang produzierte der Konzern Strom aus konventionellen Kraftwerken: Mit Atom-, Gas- und vor allem Kohleanlagen. RWE erzeugt heute so viel Kohlestrom wie kein zweites Unternehmen in Deutschland und fördert darüber hinaus Braunkohle in den eigenen, riesigen Tagebaubetrieben im Rheinischen Revier. Deshalb steht der Energiekonzern seit vielen Jahren im Fokus der Klimaaktivisten. Vor einem Jahr eskalierte der Streit im Konflikt um den Hambacher Forst.
Erneuerbare werden zum Kerngeschäft
Im Oktober besiegelte RWE-Chef Rolf Martin Schmitz aber das spektakuläre Tauschgeschäft, das er mit Eon-Chef Johannes Teyssen im März 2018 ausgehandelt hatte und das RWE eine neue Zukunft geben soll: Nach der Freigabe durch alle Genehmigungsbehörden übernahm Eon die RWE-Tochter Innogy. Eon behält aber nur die Sparten Vertrieb und Netz. RWE erhält die Aktivitäten bei den erneuerbaren Energien von Innogy – und bekommt die entsprechenden Aktivitäten von Eon noch dazu.

Die Chefin der Sparte RWE Renewables will den Konzern klimafreundlicher aufstellen.
Während RWE Innogy nur als Finanzbeteiligung führte, um mit dem Verkauf von Aktien die Existenz der konventionellen Erzeugung zu sichern, werden die erneuerbaren Energien in der Tochter RWE Renewables jetzt wieder zum Kerngeschäft.
Für die Chefin der neuen Sparte, die bislang den Bereich bei Eon führte, war das für „alle Beteiligten eine perfekte Transaktion“: „Das war eine einmalige Gelegenheit“, sagt Dotzenrath. Eon und Innogy hätten jeder für sich nicht die Größe gehabt, um langfristig in der Spitzengruppe mitspielen zu können: „Bei den erneuerbaren Energien ist Größe entscheidend – die haben wir jetzt unter dem Dach der RWE erreicht.“
Die Aktivitäten von Eon sind schon eingegliedert, die von Innogy kommen Anfang des Jahres dazu. RWE wird dann auf einen Schlag neun Gigawatt an erneuerbaren Energien betreiben und 3500 Mitarbeiter beschäftigen. Das ist zwar gemessen an den 37 Gigawatt konventioneller Leistung noch gering. Aber RWE hat auch ambitionierte Wachstumsziele ausgegeben. Pro Jahr will das Unternehmen 1,5 Milliarden Euro netto in Windanlagen, Photovoltaik und Speicher investieren. So sollen jedes Jahr zwei bis drei Gigawatt an Leistung dazu kommen.
„RWE steigt mit seinem Erneuerbaren-Segment direkt zu den ganz Großen im Ökostromgeschäft auf“, sagt Guido Hoymann, Analyst bei der Metzler Bank. Nach seiner Einschätzung legt der Konzern gerade noch rechtzeitig den Schalter um. Die Erneuerbaren stünden vor einer Boomphase. Die Energiewende in Deutschland laufe zwar schon lange, der Klimawandel beherrsche aber weltweit die Debatten und werde die Nachfrage nach erneuerbaren Energien spürbar treiben.
Nach Prognosen der Internationale Energieagentur (IEA) wird in den nächsten zwanzig Jahren keine andere Energiequelle so massiv wachsen wie die Erneuerbaren.
Der Zusammenschluss der beiden deutschen Spieler sei darum sinnvoll, glaubt Hoymann: „Wer heute entscheidet, in das Geschäft mit Erneuerbaren einzusteigen, braucht erstmal ein paar Jahre und viel Geld. Zu den Großen zu gehören ist also per se schon mal wichtig.“ Der Markt sei noch jung und die Verteilung nicht in Stein gemeißelt. „Da ist viel Bewegung drin, das kann für RWE eine Chance sein“, sagt der Analyst.
RWE-Managerin Dotzenrath will das Tempo darum von Anfang an hoch halten: „Unsere Ausgangsposition ist gut, wir dürfen uns aber nicht ausruhen. Der Markt wächst sehr aggressiv“, sagt sie. „Wenn wir weiter in der Spitzengruppe bleiben wollen, müssen wir ambitioniert, aber auch intelligent investieren.“ RWE habe zwar klare Ziele bei Investitionen und Zubau: „Unsere Konkurrenten haben aber auch ehrgeizige Ziele.“
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