Gummi Arabicum Abhängig vom Krisenkleber

Funkelt wie Bernstein - für die Industrie ist Gummi Arabicum aber noch wichtiger.
Düsseldorf Die Legenden um das Gummi Arabicum sind zahlreich. Eine steht sogar in der Bibel. Sie besagt, dass das Volk Israels nach der Vertreibung aus Ägypten nur nicht verhungerte, weil sich die Geflüchteten unterwegs von dem Saft der Wüstenbäume ernähren konnten. Auch die Menschen im alten Ägypten benutzten das unscheinbare Harz zum Verkleben und Stabilisieren ihrer Mumien. Und heute noch – rund viereinhalb Jahrtausende später – hält Gummi Arabicum von Produkten der Pharmaindustrie, über Kosmetik bis hin zu Nahrungsmitteln vieles zusammen, stabilisiert, emulgiert oder beeinflusst die Konsistenz von Nahrungsmitteln und Getränken.
Halbtransparente Blasengebilde, die im Sonnenlicht bernsteinfarben glitzern - so sieht der Baumsaft bestimmter afrikanischer Akazienarten aus, der oft unbemerkt, da geschmack- und geruchlos, zur Produktion vieler Produkte beiträgt. In manchem Wein mildert der Naturgummi die Gerbstoffe ab und sorgt für ein gutes Mundgefühl, in Pillen kann der Baumsaft als Überzug und in Wimperntusche als Feuchthaltemittel dienen. Das sind nur einige Beispiele, von denen es unzählige gibt. Branchen wie die Pharmaindustrie, einige Hersteller von Kosmetik oder Nahrungsmitteln sind von dem Mehrfachzucker abhängig.
Diese große Bandbreite an Verwendungsmöglichkeiten erklärt, warum einige Händler noch immer menschliches und auch finanzielles Risiko auf sich nehmen und das Akazienharz nach Europa, in die USA oder nach Asien importieren.
Denn der natürliche Kleber wächst nur in den Krisenländern Afrikas. An diesen Umstand müssen sich die Händler anpassen, wenn sie die Nachfrage nach Gummi Arabicum, die sich in den vergangenen 30 Jahren weltweit etwa verdoppelt hat, weiterhin bedienen wollen. „Natürlich beeinflusst uns die Situation im Sudan und wir haben momentan Probleme dort einzukaufen“, sagt Sven-Ulrich Gehricke, der als Abteilungsleiter beim Hamburger Handelsunternehmen Norevo für den internationalen Vertrieb des vielseitigen Baumsaftes zuständig ist.
Der sogenannte „Gum Belt“, der Gummi-Arabicum-Gürtel, erstreckt sich von Senegal über Nigeria bis nach Somalia. Die Hauptexportländer sind Nigeria, Tschad und Sudan. Je nach Statistik stammen 40 bis 80 Prozent des weltweit gehandelten Gummi Arabicums von den im Sudan wild wachsenden Senegal-Akazien. Noch heute ernten dort zumeist Frauen, per Hand oder nur mit den einfachsten Hilfsmitteln, jährlich rund 80 000 Tonnen der sudanesischen Gummiart „Haschab“, die als die hochwertigste und vielseitigste gilt. Laut aktuellen Studien der UN-Handelsorganisation UNCTAD exportieren die Produzentenländer jährlich rund 150 000 Tonnen des Harzes. Die weltweit größten Abnehmer sind die USA, Großbritannien und Frankreich. Gemäß seinen Außenhandelsstatistiken bezog Deutschland 2014 rund 7000 Tonnen Gummi Arabicum, größtenteils aus dem Sudan.
Der Handel mit dem Naturgummi kam in der Vergangenheit nie zum Erliegen, obwohl das Land seit Jahrzehnten unter politischen und ethnischen Konflikten, Armut und einer schlechten Infrastruktur leidet. Die Nichtregierungsorganisation Transparency International listet den Sudan auf Platz drei der korruptesten Länder. Nur Nordkorea und Somalia stuft die Organisation als noch problematischer ein. Das ausgeprägte Korruptionsniveau beeinflusst alle Wirtschaftsprozesse in dem Land, auch den Handel mit Gummi Arabicum. Dass dieser dennoch weiterläuft, werten Experten als Indikator für die Wichtigkeit des Baumharzes für die globale Wirtschaft.
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