Halbleiter-Krise Chipmangel bremst nun auch die Solarbranche aus

Das Unternehmen aus Kassel ist der größte deutsche Solarkonzern.
Düsseldorf Ohne Halbleiter, keine Energiewende. Die kleinen Elektronik-Bauteile sind der wichtigste Bestandteil jedes Wechselrichters, die es für die Erzeugung von Sonnenstrom braucht. Aber die weltweite Halbleiter-Industrie steckt in der Krise. Und auch die Solarbranche bleibt von dem Chipmangel mittlerweile nicht mehr verschont.
Der Wechselrichterhersteller SMA Solar aus Kassel passte am Montag sogar seine Prognose für das laufende Jahr an. Für 2021 rechnet der PV-Konzern jetzt nur noch mit einem Gewinn zwischen 50 und 65 Millionen Euro, statt wie bislang bis zu 95 Millionen Euro.
„Wir haben schon seit Anfang des Jahres mit dem Chipmangel zu kämpfen, aber die Entwicklungen der letzten Wochen haben uns überrascht. Die Situation hat sich jetzt noch einmal deutlich zugespitzt“, sagte CEO Jürgen Reinert im Gespräch mit dem Handelsblatt. Erste große Projekte seien schon ins nächste Jahr verschoben worden.
Auch für Konkurrent Fronius aus Österreich waren die vergangenen Monate „sehr herausfordernd“, teilte ein Sprecher des Unternehmens auf Anfrage mit. Der Solarkonzern kämpft ebenso wie SMA mit deutlich höheren Lieferkosten durch die Halbleiterkrise. So wie zahlreiche andere Branchen.
Ob Autos, Smartphones oder eben Solarmodule: Halbleiter, die in Chips oder Sensoren stecken, sind für viele Produkte nahezu unabdingbar. Sie steuern sämtliche elektronischen Abläufe. In Solar-Wechselrichtern sind sie für die Umwandlung von Gleich- zu Wechselstrom zuständig. Genauso wie in der Windindustrie.
Die Nachfrage nach den Chips aus hauchdünnen Halbleiterplatten ist über alle Branchen hinweg seit Monaten so groß, dass die Hersteller nicht mehr hinterherkommen. Auch Konsumenten bekommen die Krise zu spüren. Sei es der gewünschte Laptop, der monatelang nicht verfügbar ist oder die neueste Spielekonsole aus dem Hause Sony. Grund dafür ist, dass zunächst die weltweite Wirtschaft nach dem Abklingen der Coronakrise deutlich schneller anlief als gedacht, während viele Fabriken noch reduziert produzierten. Gleichzeitig bescherte die Pandemie der Digitalindustrie einen massiven Boom, bei ohnehin schon ausgelasteten Fertigungsstätten.
„Entspannung nicht mehr in diesem Jahr“
Die Autoindustrie kommt wegen des akuten Chipmangels deswegen schon seit Monaten nicht mehr aus dem Krisenmodus heraus. Und Besserung ist nicht in Sicht.
Das befürchtet auch SMA-CEO Reinert. „Wir sehen eine Entspannung nicht mehr in diesem Jahr“, sagt der Manager. Im nächsten Jahr könne sich die Situation verbessern. „Das ist schwer einzuschätzen“, so Reinert. Die vergangenen Monate habe man noch mit Last-Minute-Einkäufen „mal 1000 Stück hier und 1000 da“ überbrücken können. Vor 14 Tagen habe dann einer der größten Zulieferer angekündigt, die nächsten Monate keine Chips mehr liefern zu können. Der Grund: Der US-Riese Intel könne ihm keine Wafer mehr liefern, also die Schaltflächen, auf denen die Halbleiterchips später montiert werden. Der Chipmangel droht zahlreichen Unternehmen die Bilanz zu verhageln.
„Auch wir stellen fest, dass zahlreiche Bauteile aus der Elektronikindustrie momentan leider nicht in der benötigten Menge verfügbar sind“, sagt auch Detlef Neuhaus, Chef des Modulherstellers Solarwatt. Noch könne man die Lieferketten aufrechterhalten. Aufgrund der hohen Nachfrage „können wir aber in den kommenden Monaten Lieferengpässe leider nicht ausschließen“, so Neuhaus.
Verzögerungen beim Bau von Solarparks
Der zeitgleiche weltweite Rohstoffmangel sorgt zusätzlich in anderen Bereichen der Solarindustrie für Verzögerungen. Dem Chemnitzer Modulproduzenten Heckert Solar fehlt es in der Folge beispielsweise an Verpackungen, Gestellen und anderen Bestandteilen für die Produktion von Solarmodulen. Zwar versuche man mit anderen Transportwegen und angepassten Lager- und Bestellbeständen zu reagieren. Aber da alle dieselbe Strategie verfolgen, „heizt das die Situation zusätzlich an“, teilt eine Sprecherin des Unternehmens auf Anfrage mit.
Auch SMA will seine Einkaufsstrategie für die Zukunft nun anpassen. Weg von Just-in-time, hin zu mehr langfristigen Lieferverträgen weit über ein Jahr hinaus. Ähnlich wie andere Industrien hat der Chip- und Rohstoffmangel auch die Solarbranche weitestgehend unvorbereitet getroffen. Jetzt stehen wegen einer fehlenden Komponente von fast 2000 die Lagerhallen voll mit Materialien für Wechselrichter, die nicht gebaut werden können.
Ein Markteinbruch droht aus Sicht des Bundesverbands deutscher Solarindustrie (BSW) deswegen aber nicht. Vorsitzender Carsten Körnig rechnet damit, dass sich die Situation bis zum ersten Halbjahr 2022 wieder entspannt. „Die Lieferengpässe dürften vorübergehend sein“, sagt der BSW-Chef. Andere sind da weniger optimistisch. „Das Problem Chipmangel wird noch eine ganze Weile anhalten“, glaubt SMA Solar-CEO Jürgen Reinert. Dafür dürfte allein die boomende Nachfrage bei Solarmodulen, Windrädern und Elektroautos in den nächsten Jahren sorgen.
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