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Energie

Hambacher Forst RWE kämpft um die Kohle und nimmt dafür ein Imagedesaster in Kauf

Der Energieriese pocht auf die Rodung des Waldes, um den Nachschub für seine Kraftwerke zu sichern. Für Umweltschützer ist der Forst ein Symbol für den Kampf gegen die Kohle.
13.09.2018 - 19:26 Uhr 1 Kommentar
Der Hambacher Forst gilt als Symbol für den Streit über die Zukunft der Braunkohle. Quelle: dpa
Braunkohleabbau

Der Hambacher Forst gilt als Symbol für den Streit über die Zukunft der Braunkohle.

(Foto: dpa)

Düsseldorf, Buir, Berlin Die Polizisten kamen am Donnerstagvormittag. Sie brachten Wasserwerfer und schweres Räumgerät mit. Ihr Auftrag: die Räumung des Hambacher Forsts im Rheinland. Die Polizisten sollen gut 50 Baumhäuser abbauen, die Umweltaktivisten in mehr als 20 Meter Höhe gebaut haben und besetzt halten.

Seit Jahren versuchen die Umweltschützer, die Rodung des Waldstücks, zwischen Köln und Aachen gelegen, zu verhindern. Energiekonzern RWE will bald 100 Hektar der verbliebenen 200 Hektar abholzen, um den Weg für seine Braunkohlebagger im angrenzenden Tagebau frei zu machen.

Für die Umweltschützer ist der Hambacher Forst zum Symbol für den Kampf gegen den umstrittenen Energieträger geworden, bei dessen Einsatz besonders viel des klimaschädlichen CO2 ausgestoßen wird. Mehr als ein Symbol kann es aber kaum sein, schließlich ist von den einstmals 4100 Hektar nur noch ein Bruchteil übrig.

Für RWE ist aber schon jetzt der Imageschaden enorm. Spätestens mit Beginn der Rodungen, die der Konzern ab Mitte Oktober plant, droht ein Desaster. Am Donnerstag war RWE noch nicht beteiligt.

Die Polizei räumte im Auftrag des NRW-Bauministeriums, das die Häuser wegen fehlenden Brandschutzes entfernen lassen will. Tatsächlich wird aber die Rodung vorbereitet – zu der RWE trotz des Widerstandes fest entschlossen ist.

„Der Hambacher Forst wird zum Symbol gemacht“, räumt Lars Kulik, für Braunkohle zuständiger Vorstand der Tochter RWE Power, im Gespräch mit dem Handelsblatt ein – und hält gleichzeitig fest: „Wir müssen aber bald roden.“

Ein längerfristiges Moratorium sei „alleine aus technischen Gründen nicht möglich“: „Wenn wir nicht in diesem Herbst anfangen zu roden, kommt der komplette Tagebau nach und nach in den nächsten zwei Jahren zum Erliegen.“

Tatsächlich ist die Braunkohleförderung im Tagebau ein hochkomplexes System. Die Arbeitsabläufe sind fest aufeinander abgestimmt – bis hin zu den angeschlossenen Kraftwerken, die in der Nähe stehen.

Der Tagebau wandert auf mehreren Etagen – Sohlen – durch die Landschaft. Treppenförmig werden auf den obersten Sohlen Erdschichten abgetragen, um auf den untersten Sohlen Kohle zu fördern.

In Hambach arbeiten acht Bagger auf sieben Sohlen – nur auf der obersten sind zwei im Einsatz. Geht es oben nicht weiter, müssen auch die unteren den Betrieb einstellen, um nicht auf die oberen aufzulaufen.

Und nach Kuliks Worten gibt es in Hambach keinen Puffer mehr, weil der Konzern schon im vergangenen Jahr auf die Rodung verzichtete: „Unsere Bagger auf der obersten Sohle stehen schon in Sichtweite des Waldes.“

Der Konzern hatte angeboten, bis Mitte Dezember zu warten, aber nur, wenn er dann auch von den Umweltverbänden das Plazet bekommen hätte. Das wäre nach Kuliks Worten aber der späteste Termin gewesen, um die Arbeiten bis Ende Februar abzuschließen, ehe die Rodung wegen des Artenschutzes ausgeschlossen ist.

Nachdem am Montag ein Spitzengespräch mit Vertretern unter anderem des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND) und von Greenpeace scheiterte, wird RWE vermutlich deutlich früher beginnen. Es sei denn, Umweltschützer haben mit einem beim Oberlandesgericht Münster eingereichten Eilantrag Erfolg.

Für RWE steht auch wirtschaftlich viel auf dem Spiel. Rund 40 Millionen Tonnen Braunkohle fördert der Konzern pro Jahr aus Hambach – so viel wie aus keinem anderen Standort. 35 Millionen Tonnen sind es im benachbarten Garzweiler und 20 Millionen Tonnen aus Inden.

Die Braunkohle verfeuert der Konzern überwiegend in den eigenen Kraftwerken – und das zum Selbstkostenpreis. Die Margen sind zwar ein Betriebsgeheimnis – in den vergangenen Jahren waren aber die Braunkohlekraftwerke die einzigen Anlagen, die neben den Atomanlagen überhaupt noch gute Renditen abwarfen.

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2017 erwirtschaftete die Sparte Braunkohle & Kernenergie ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern und Abschreibungen von 670 Millionen Euro – und damit deutlich mehr als die Europäische Stromerzeugung, die die Steinkohle- und Gasanlagen umfasst und 460 Millionen abwarf.

„Wenn wir in Hambach keine Kohle fördern können, müssen wir auch Kraftwerke vom Netz nehmen“, sagt Kulik. Betroffen wären mehrere Blöcke an den Standorten Niederaußem und Neurath. Pro Jahr werden dort mit der Kohle aus Hambach zwischen 22 und 25 Millionen Megawattstunden produziert – und rund 15 Prozent des Stromverbrauchs von Nordrhein-Westfalen gedeckt.

Nach Kuliks Worten könnte RWE davon nur „einen sehr kleinen Teil“ mit anderer Braunkohle auffangen. „Wir können die Kohle nicht einfach mit der aus Garzweiler ersetzen“, sagt der RWE-Manager. Die Bagger dort würden schon an der Kapazitätsgrenze arbeiten.

Der Hambacher Forst wird geräumt
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Eine Aktivistin wurde aus einer sicherheitsrelevanten Zone abgeführt.

(Foto: Reuters)
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Grundsätzlich blieb es bei der Räumung aber friedlich.

(Foto: Reuters)
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Polizisten mussten einen Umweltaktivisten von einem Baumgerüst ziehen.

(Foto: dpa)
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Dieser Besetzer verließ freilich sein Baumhaus.

(Foto: dpa)
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Die Polizei habe eine Person nach eigenen Angaben „zu Boden gebracht“.

(Foto: dpa)
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Die Polizei hat mit dem Abbau der Baumhäuser begonnen.

(Foto: dpa)
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Aktivisten schreiben die Telefonnummer des Ermittlungs-Ausschusses auf ihren Arm – sie wollen die Räumung nicht einfach so hinnehmen.

(Foto: dpa)

Aber auch Veredlungsbetriebe des Konzerns müssten ihre Arbeit einstellen, betont Kulik. RWE arbeitet einen Teil der Kohle aus Hambach auf, entzieht vor allem Wasser, damit Unternehmen beispielsweise aus der Stahlindustrie Steinkohle ersetzen können.

Rund fünf Millionen Tonnen an Veredlungsprodukten könnte RWE nach Kuliks Worten nicht mehr an die „vielen großen und mittelständischen Kunden ausliefern“. Und alleine bei RWE wären 4 600 Mitarbeiter von der Stilllegung betroffen – hinzu kämen viele weitere bei Zulieferbetrieben.

„Braunkohle ist ein sehr komplexes Geschäft“, bestätigt Analyst Peter Crampton von Macquarie: „RWE kann nicht ohne Weiteres längerfristig auf die Braunkohle aus Hambach verzichten.“ Schließlich gebe es im Gegensatz zu Steinkohle keinen Weltmarkt. „Für RWE ist ein Verzicht auf die Rodung nicht einfach“, sagt er: „Der Konzern hat alle Genehmigungen vorliegen – und es drohen längerfristig gewisse finanzielle Einbußen.“

Belastung für die neue Kohlekommission

Allerdings steht für den Konzern auch viel auf dem Spiel, wenn er seine Rechte durchsetzen kann: „RWE muss den möglichen Imageverlust im Blick behalten“, warnt Crampton: „Der Imageverlust kann sehr groß sein – das hat man schon bei der Debatte um die Kernenergie gesehen.“

Tatsächlich kommt der Konflikt um den Hambacher Forst zur Unzeit. In Berlin verhandelt die sogenannte Kohlekommission gerade im Auftrag der Bundesregierung über den Kohleausstieg. RWE ist an einem vernünftigen Pfad interessiert. Die Kommission hat zwar jüngst festgestellt, dass der Hambacher Forst nicht zur Debatte steht, belastet würden die Gespräche aber natürlich, wenn die ersten Bäume gefällt werden.

„Die unverantwortliche Räumung unter vorgeschobenen Gründen belastet die bislang vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit in der Kohlekommission massiv“, sagte Martin Kaiser, Greenpeace-Geschäftsführer und Mitglied der Kommission am Donnerstag auf Anfrage. Indem RWE an der Kommission vorbei im Hambacher Forst Fakten schaffen wolle, setze der Konzern einen erfolgreichen Abschluss der Arbeit aufs Spiel.

Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbandes Deutscher Naturschutzring (DNR) und ebenfalls in der Kohlekommission, warnte vor einer Eskalation. „Die Entscheidung für die Räumung macht die Arbeit in der Kohlekommission nicht einfacher“, sagte er.

Polizei räumt Hambacher Forst – „Der Einsatz könnte Monate dauern“

RWE habe das Recht auf seiner Seite, sagte Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber, der auch in der Kohlekommission sitzt: Dass der Schritt aber geeignet sei, einen Konsens in der Kohlekommission zu erzielen, das glaube er nicht. „Ich kann jetzt nur an alle Mitglieder appellieren, eine Eskalation zu vermeiden und weiter zu versuchen, einen Kompromiss für einen Ausstiegspfad aus der Kohle auszuloten“, sagte er.

RWE bekommt aber auch Unterstützung. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat die begonnene Räumung am Donnerstag im Bundestag verteidigt. Und in der Wirtschaft löst der Umgang mit RWE Befremden aus. „Der Tagebau Hambach ist genehmigt und bisher in allen Instanzen bei gerichtlichen Überprüfungen bestätigt worden“, sagte DIHK-Chef Eric Schweitzer: „Deshalb ist es in einem Rechtsstaat nur konsequent, dass RWE dann auch den Tagebau weiterführen kann.“

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und Mitglied in der Kohlekommission, kritisierte die Proteste: „Der Hambacher Forst steht schon länger nicht mehr nur für friedlichen Protest und eine offene Streitkultur“, sagte er: „Die Beschäftigten wie die Polizisten im Rheinischen Revier sorgen sich inzwischen täglich um ihre körperliche Unversehrtheit. Gewalt ist an keinem Ort und durch keine Gruppe legitim oder gar zu tolerieren.“

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1 Kommentar zu "Hambacher Forst: RWE kämpft um die Kohle und nimmt dafür ein Imagedesaster in Kauf"

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  • Die Vorgänge und die Handlungen sind für einen rational denkenden Menschen nicht nachvollziehbar. Das Foto zeigt, worum es geht, und hier vorerst auch nur um etwa die Hälfte des gezeigten Waldes, also um rund 100 ha.
    In Deutschland stehen 11,4 Mio. ha Wald, wobei allein in den letzten zehn Jahren rd. 50 000 ha dazu gewachsen sind.
    Die gesamte deutsche Stromproduktion (also incl. Braun-, Steinkohle, Gas, Öl) hat in 2017 rund 260 Mio. t CO2- Ausstoß produziert (ohne Export, siehe UBA). Dies sind zwischen 5-6 Promille des globalen CO2-Äquivalenz- Ausstosses (siehe CAIT).
    Und hier reden wir beim Hambacher Tagebau nun über welche "Peanuts-Krümmel"?
    Dass die deutsche Energiewirtschaft als einziger Sektor seine Klimaziele für 2020 bereits vorzeitig erreicht hat, während andere noch immer höheren Ausstoß als 1990 haben (Verkehr) interessiert niemand?
    Aber für Symbole sind ja schon viele geopfert worden. Also warum nicht auch hier, schließlich sind wir die Guten und für unseren richtigen Glauben kommen wir ins Klimaparadies!
    Koste es was, und wenn es wolle! Die Baumgötter sind auf unserer Seite.

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