Handelsblatt-Energietagung Wie Städte intelligent werden
Berlin Das Ziel, das die Stadt Malmö für den Stadtteil Hyllie ausgegeben hat, ist in Zeiten der Energiewende auf den ersten Blick gar nicht so spektakulär: Das Viertel soll komplett aus erneuerbaren oder zumindest recycelten Energien versorgt werden. Den vollständigen Umstieg auf grüne Energie haben sich schon einige Städte zum Ziel gesetzt. Wirklich einzigartig ist aber der Zeitplan, den Malmö dafür ausgegeben hat: Schon 2020 soll Hyllie mit 2000 Wohnungen und 3000 Arbeitsplätzen grün sein.
Das Viertel, direkt am Meer gelegen, ist ein Pilotprojekt für die gesamte Energiebranche: Hyllie soll zu einer Smart City werden, in der Strom- und Wärmeversorgung, Breitband und Elektromobilität verknüpft und nachhaltig aufgebaut werden. Smart Cities sollen den Klimaschutz voranbringen – und der Energiebranche ein neues Geschäftsmodell liefern. Neben Smart Metern (intelligenten Stromzählern) und Smart Grids (intelligenten Stromnetzen) sind sie die letzte Stufe, um die Energieversorgung mit dem Datennetz zu verknüpfen und eine intelligente Steuerung von Angebot und Nachfrage zu erreichen. Für Malmö ist Hyllie nur der Anfang. Bis 2030 soll die komplette Stadt umgestellt sein.
„Wir müssen weg davon Strom, Wärme und Verkehr getrennt zu betrachten“, sagte Michael Krumpholz, Mitglied in der Geschäftsführung der Eon Energy Solutions GmbH am Donnerstag auf der Handelsblatt-Energietagung in Berlin. „Wir müssen das als gekoppelte, nachhaltige und komplexe Systeme betrachten.“
Im Quartier soll künftig selbst nachhaltig Strom erzeugt werden – mit Solardächern oder Blockheizkraftwerken. Und auch die Versorgung mit Wärme und Kälte wird auf den Klimaschutz ausgelegt. Die Stromleitungen werden intelligent, sollen punktgenau Verbrauch und Stromangebot melden, und mit dem hochmodernen Breitbandnetz verbunden sein. Elektroautos sollen genug Möglichkeiten zum Laden finden und auch der Nahverkehr wird eingebunden. Das Abfallsystem wird ebenfalls nachhaltig.
Für Eon ist die „Quartiersentwicklung schon tägliches Geschäft“, wie Krumpholz erläutert. Der Konzern ist bei der Entwicklung von Hyllie dabei, kooperiert dabei mit der Stadt Malmö und dem lokalen Wasserversorger. Nach der Aufspaltung hat sich Deutschlands größter Energiekonzern auf die Sparten Erneuerbare Energien, Netze und Vertrieb konzentriert – und alle drei Geschäfte kommen bei der Quartiersentwicklung zusammen.
Auch in Deutschland hat der Konzern schon Projekte für Smart Cities. In München ist Eon beim Aufbau des neuen Werksviertels am Münchner Ostbahnhof beteiligt. Das Areal rund um das ehemalige Pfanni-Gelände soll energieautark werden.
Und das Geschäftsmodell verfolgen inzwischen viele deutsche Energieunternehmen. Das gilt für Großkonzerne wie auch für Regionalversorger und Stadtwerke. So hat beispielsweise EnBW-Chef Frank Mastiaux „Smart Cities“ in der Weiterentwicklung seiner Strategie zum Wachstumsfeld ausgerufen und auch die Kölner Rheinenergie entwickelt schon die ersten intelligenten Quartiere.

„Wenn ich sehe, welche neuen Geschäftsmodelle möglich sind, und gleichzeitig sehe, dass wir nach wie vor in den Keller gehen müssen, um den Zählerstand abzulesen, habe ich kein Verständnis.“
Die Planung von intelligenten Stadtvierteln ist nach den Worten von Eon-Manager Krumpholz nicht trivial. Die Lösungen müssten „für die nächsten 50 Jahre“ ausgelegt und zukunftssicher sein, es gebe aber viele Unbekannte, etwa die Frage, ob der Elektromobilität der Durchbruch gelingt. Deshalb gebe es eine zentrale Randbedingung: „Die Lösungen müssen den Klimawandel vorwegnehmen“, sagt Krumpholz.
Möglich werden die Smart Cities durch die Digitalisierung. Krumpholz räumt ein, dass die Integration von Neubauten natürlich einfacher sei als von Bestandbauten. Neubauten könnten in alle Sektoren eingebunden werden – von Strom über Wärme und Breitband bis zur Elektromobilität. Aber auch bei Bestandbauten könnten Smart Meter, also intelligente Stromzähler, zumindest in einem ersten Schritt mehr Transparenz schaffen.
Für Paul-Vincent Abs, Geschäftsführer der Eon Metering GmbH, sind Smart Meter ohnehin der wertvollste Hebel beim Umbau des Energiesystems. „Wenn ich sehe, welche neuen Geschäftsmodelle möglich sind, und gleichzeitig sehe, dass wir nach wie vor in den Keller gehen müssen, um den Zählerstand abzulesen, habe ich kein Verständnis“, sagte Abs auf der Energietagung: „Das ist ein Relikt aus der Urzeit.“
Während bei den alten analogen Zählern der Verbrauch üblicherweise einmal pro Jahr abgelesen wird, sollen intelligente Stromzähler als Schnittstelle bei den Stromverbrauchern künftig minutengenaue Daten über den Verbrauch der Haushalte und die Einspeisung von privaten Stromerzeugungsanlagen liefern. Gleichzeitig sollen sie die Möglichkeit geben, Stromgeräte zu steuern. Die Netzbetreiber erhoffen sich so, das Netz flexibler steuern zu können und besser an die witterungsbedingten Schwankungen durch die Energiewende anzupassen.
Die Versorger wollen auf die Smart Meter zudem neue Dienstleistungen aufsetzen, beispielsweise im Kundenservice, und sogar ganz neue Geschäftsmodelle entwickeln. So lassen sich Tarife anbieten, bei denen Verbraucher Strom günstiger bekommen, wenn das Angebot hoch und die Nachfrage besonders niedrig ist – vor allem nachts. Die Netzbetreiber könnten ihr Netz beispielsweise entlasten, wenn sie das Laden der Elektroautos künftig selbst über die Nacht verteilen könnten.
„Wir brauchen ein intelligentes Messsystem für alle 40 Millionen Haushalte“, forderte Eon-Manager Abs deshalb: „Der Smart Meter ist der Enabler für alle Geschäfte, die wir machen wollen.“
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