Hinkley Point: Unternehmen klagen wegen Beihilfen für britisches AKW
Benachrichtigung aktivierenDürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafftErlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviertWir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke
Anzeige
Hinkley PointUnternehmen klagen wegen Beihilfen für britisches AKW
Droht der Ausstieg vom Ausstieg? Ökostromanbieter fürchten eine Rückkehr zur Atomenergie, sollte eine umstrittene Förderung für ein britisches AKW nicht gekippt werden. Sie verklagen die Europäische Kommission.
Die Förderung des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C nahe Bridgewater bringt Erzeuger von Erneuerbaren Energien in Bedrängnis. Sie klagen dagegen.
Berlin Mehrere Öko-Stromanbieter und Stadtwerke wollen juristisch gegen die umstrittene öffentliche Förderung des geplanten britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C vorgehen. Die Klage der zehn Unternehmen richtet sich gegen die EU-Kommission und soll in den kommenden Tagen beim Gericht der Europäischen Union in Luxemburg eingereicht werden, wie der Ökostromanbieter Greenpeace Energy am Donnerstag im Namen des Bündnisses mitteilte. Das Gericht ist dem ebenfalls in Luxemburg angesiedelten Europäischen Gerichtshof (EuGH) untergeordnet.
Die EU-Kommission hatte im Oktober 2014 entschieden, dass Großbritannien die geplanten zwei neuen Atommeiler mit Steuergeldern bezuschussen darf. Dies verstößt nach ihrer Einschätzung nicht gegen die Regeln für staatliche Beihilfen und ist damit zulässig. Hinkley Point C entsteht im Südwesten Englands und soll voraussichtlich ab dem Jahr 2023 als erstes britisches Atomkraftwerk seit Jahrzehnten neu ans Netz gehen. Die Regierung in London sichert dem Betreiber unter anderem einen garantierten Stromabnahmepreis für die ersten 35 Jahre zu.
Hinter der jetzt angekündigten Klage stehen neben Greenpeace Energy die Energieversorgung Filstal, die österreichische oekostrom AG sowie die Stadtwerke Aalen, Bietigheim-Bissingen, Bochum, Mainz, Mühlacker, Schwäbisch Hall und Tübingen. Österreich hatte zuvor bereits angekündigt, mit einer Klage die öffentliche Förderung verhindern zu wollen. Am Donnerstag sollte sich auch der Bundestag mit dem Thema befassen.
„Wir klagen gegen diese maßlosen Atomsubventionen, weil sie ökologisch und volkswirtschaftlich unsinnig erscheinen und erhebliche finanzielle Nachteile für andere Energie-Anbieter, die Erneuerbaren und die Verbraucher bedeuten“, erklärte Greenpeace-Energy-Vorstand Sönke Tangermann. Hinkley Point C dürfe nicht „zum Türöffner für eine Wiederkehr der schädlichen und teuren Atomkraft“ in Europa werden.
Offshore: Projekte in Megadimensionen
Das Gesamtgewicht einer Anlage kann laut der Stiftung Offshore Windenergie schnell 1000 Tonnen übersteigen. Dabei stehen die Anlagen auf bis zu 900 Tonnen schweren Fundamenten. Allein die Gondel (Maschinenhaus) könne zwischen 300 und 400 Tonnen wiegen.
Allein die im Testfeld Alpha Ventus installierten 5-Megawatt-Anlagen haben einen Rotordurchmesser von bis zu 125 Metern und eine Gesamthöhe von mehr als 170 Metern über dem Meeresgrund. Neuere Anlagen der Leistungsklasse von 6 Megawatt erreichen laut Stiftung Offshore Windenergie Rotordurchmesser um die 150 Meter.
Der Bau eines Windparks auf hoher See ist um einiges komplexer als der einer Anlage auf dem Land. Doch binnen sechs Jahren konnte die Branche ihre Kosten halbieren. Beim neuen Offshore-Windpark „Borssele“ in den Niederlanden liegen die Gesamtkosten pro Megawattstunde bei 87 Euro.
„Durch die Entscheidung der EU-Kommission drohen negative Auswirkungen auf unsere umweltschonenden Erzeugungsanlagen“, kritisierte der energiewirtschaftliche Geschäftsführer der Stadtwerke Tübingen, Achim Kötzle, im Namen der beteiligten Stadtwerke. Wenn das britische Beihilfemodell Schule mache, dann sehe es um die deutsche Energiewende und die dezentrale Energieversorgung „düster“ aus. Kötzle verwies dazu darauf, dass es starke Signale für ähnliche Modelle aus Polen, Tschechien und Ungarn gebe.
Eine Studie des Instituts Energy Brainpool im Auftrag der Kläger kommt zu dem Schluss, dass geplante, hochsubventionierte Atomkraftwerke in sechs EU-Staaten den Großhandelspreis für Strom in Deutschland um bis zu 11,8 Prozent drücken können. „Würde das Beihilfeschema für Hinkley Point C als Vorbild für weitere AKW-Projekte in Europa dienen, so hätte dies in den kommenden Jahren enorme Auswirkungen auf den deutschen Strommarkt“, erklärte Studienleiter Thorsten Lenck.
Beschlüsse zu Ökostromgesetz und Industrierabatten
Der Ökostrom-Ausbau soll gezielter gesteuert werden: Bis 2025 soll er einen Anteil von 40 bis 45 Prozent am Verbrauch erreichen, bis 2035 von 55 bis 60 Prozent. Jährlich sollen maximal 2500 Megawatt Solar- und Windenergie an Land neu gebaut werden, sonst greifen Extra-Förderkürzungen. Beim Wind darf zusätzlich Ersatz für abgerissene Windräder installiert werden. Der Bau von Biogas-Anlagen soll drastisch auf 100 Megawatt begrenzt werden, da diese als teuer gelten und Mais-Monokulturen fördern. Mais ist Rohstoff für Biogas.
Bis 2020 sollen 6,5 Gigawatt installiert und bis 2030 dann 15 Gigawatt in Nord- und Ostsee gebaut werden. Dies ist weniger als früher vorgesehen. Dafür wurden aber die Förderkonditionen noch einmal vor allem auf Druck der Küstenländer leicht verbessert.
Die Fördersätze für Strom aus Neuanlagen sollen – bis auf Solar – überall nochmals gekürzt werden. Bei Windenergie an guten Standorten, vor allem der Küste, soll der garantierte Abnahmepreis um 10 bis 20 Prozent schrumpfen. Bei Biogas wird eine Reihe von Zuschlägen gestrichen.
Bislang verkaufen die Netzbetreiber die Energie an der Börse für die Anlagenbetreiber, diese erhalten wiederum auf 20 Jahre festgelegte Abnahmepreise. Künftig muss Strom aus allen größeren Anlagen selbst verkauft werden. Dazu gibt es eine Prämie, die die Lücke zu den garantierten Tarifen schließt. Ab 2017 soll die Prämie vorab als Aufschlag auf den Marktpreis per Auktion für Investoren festgelegt werden. Wer die geringste Prämie verlangt, bekommt den Zuschlag zum Bau eines Windparks oder einer Solar-Freiflächenanlage. Der Investor hat nun das Risiko sinkender und die Chance steigender Börsenpreise.
Die EU hatte die Rabatte der Industrie von über fünf Milliarden Euro auf die Umlage der Verbraucher, mit der die Ökostrom-Förderung bezahlt wird, als verbotene Beihilfe angegriffen. Die jetzt erreichte Einigung wird im Mai verankert: Für 65 energieintensive Branchen werden 15 Prozent der Umlage fällig, aber nur bis zu einer Obergrenze von vier Prozent gemessen an der Bruttowertschöpfung des jeweiligen Unternehmens. Bei besonders großen Verbrauchern - etwa Aluminium- oder Stahlbetrieben - kann die Grenze bis auf 0,5 Prozent sinken. Unternehmen, die schon vor 2012 Rabatte bekommen hatten, aber nun nicht mehr unter die Kriterien fallen, müssen 20 Prozent der Umlage zahlen.
Dass Unternehmen, die in den vergangenen Jahren in den Genuss der Rabatte gekommen sind, zu Rückzahlungen verpflichtet werden, konnte die Bundesregierung verhindern. Zudem sollen Übergangsregelungen für die neuen EU-Bedingungen möglich sein, die sich bis 2018 erstrecken dürfen.
Von der Industrie selbst erzeugter Strom bleibt von der Umlage komplett befreit. Neue Anlagen werden bei Handel und Gewerbe mit der Hälfte und bei der übrigen Industrie mit maximal 15 Prozent belastet. Ein Viertel des Industriestroms erzeugen die Betriebe selbst.
Die Deutsche Bahn als größter deutscher Stromverbraucher muss nach Sonderregeln nun 20 Prozent der Umlage zahlen. Der Konzern hatte angekündigt, Belastungen auf die Ticketpreise umzulegen.
Die Regierung macht nach den Reformen keine Hoffnung auf sinkende Strompreise, will die Umlage zur Ökostrom-Förderung auf den Rechnungen aber zumindest stabil halten. Da die Industrie unterm Strich sich nach dem EU-Kompromiss nicht mehr an der Umlage beteiligt, wird dies den Privatverbraucher auch nicht entlasten. Die Umlage beträgt 6,24 Cent pro Kilowattstunde oder gut 200 Euro im Jahr für den Durchschnittshaushalt.
Das Gesetz soll bis Ende Juni den Bundestag passieren und im Juli den Bundesrat. Damit soll es Anfang August in Kraft treten.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.