Nord Stream 2: OMV-Chef Seele verteidigt Ostseepipeline
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Rainer Seele
Der OMV-Chef betont: Europa brauche zusätzliche Kapazitäten mehr denn je.
Ein orkanartiger Wind umtost die oberste Etage des gläsernen OMV-Wolkenkratzers in Wien. Rainer Seele, Chef des österreichischen Öl- und Gaskonzerns, verfolgt den Sturm gelassen von seiner mit Orangen- und Olivenbäumen ausgestatteten Vorstandslounge aus. Der begeisterte Gartenliebhaber und promovierte Chemiker blickt entspannt in Richtung Westen. Denn Gegenwind ist der 58-jährige CEO, der den teilstaatlichen Konzern seit 2015 führt, gewohnt – vor allem bei der neuen Ostseepipeline Nord Stream 2, an deren Finanzierung sich OMV beteiligt.
Herr Seele, im Streit über Nord Stream 2 setzen die USA die beteiligten Unternehmen immer stärker unter Druck. Haben Sie auch einen Brief des US-Botschafters Richard Grenell bekommen – wie Ihre Kollegen von BASF und Uniper? Der amerikanische Botschafter Grenell ist für Deutschland, nicht für Österreich zuständig. Deshalb habe ich von ihm keine Post bekommen.
Grenell droht in den Briefen unverhohlen mit Sanktionen. Sehen Sie das massive Engagement der USA gegen Nord Stream 2 als Einmischung in die europäische Energiewirtschaft und -politik? Der Brief ist eine vollkommen inakzeptable Bedrohung von deutschen Unternehmen. Es ist Ausdruck der veränderten Außenpolitik der Vereinigten Staaten. Washington setzt auf Konfrontation statt Kooperation mit den Verbündeten. Das bedauere ich zutiefst.
Wie hoch schätzen Sie das Risiko von Sanktionen für die OMV und die beteiligten Unternehmen wie Wintershall oder Uniper ein? Einseitige Sanktionen sind in der Wirkung sehr eingeschränkt. Wenn man auf politischer Ebene sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen kann, ist es unter befreundeten Staaten nicht Praxis, dass man dann Unternehmen bedroht.
Sie waren zuvor CEO der BASF-Tochter Wintershall und kennen Ihre Kollegen sehr gut. Wird es zu einer gemeinsamen Antwort der an der Ostseepipeline beteiligten Unternehmen kommen? Jedes Unternehmen wird seine Antwort selbst geben müssen. Nun ist aber eine scharfe Reaktion der Politik gefragt. Europa darf sich bei energiepolitischen Fragen nicht von den USA bevormunden lassen. Es ist das Hoheitsrecht von Deutschland und Europa, dass wir uns um unsere Energiepolitik selbst kümmern. Damit die Versorgungssicherheit und Wettbewerbssicherheit zu unserer Zufriedenheit geregelt wird.
Wie hoch schätzen Sie das Risiko von Sanktionen der amerikanischen Regierung gegenüber den europäischen Partnern von Nord Stream 2 ein? Ich will mich an Spekulationen über Sanktionen nicht beteiligen. Der Drohbrief des amerikanischen Botschafters in Deutschland ist auf alle Fälle nicht hilfreich. Ich glaube, dass die USA nicht das Image haben möchten, befreundete Länder zu bedrohen.
Botschafter Grenell warnte die beteiligten Unternehmen vor einer zu großen Abhängigkeit von Russland bei der Gasversorgung. Damit hat der US-Botschafter nicht ganz unrecht, oder? Wir sehen eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Energielieferanten und den Energieabnehmern. Dabei ist es egal, ob der Lieferant Russland heißt. Sosehr wir das Gas für unsere Wirtschaft brauchen, so stark benötigen die Produzenten die sicheren Einnahmen von ihren Kunden in Europa. Wir haben über Jahrzehnte ein System aufgebaut, in dem die europäische Energiewirtschaft immer die Versorgung garantieren konnte. Wir investieren nicht in die Abhängigkeit von Russland, sondern wir investieren in die Diversifizierung der Gastransportwege nach Europa. Nord Stream 2 ist eine Infrastrukturinvestition, welche die Versorgungssicherheit in Europa noch weiter erhöhen wird. Wir sehen bislang eine starke Abhängigkeit durch den monopolartigen Transit des russischen Gases durch die Ukraine.
Können Sie sich vorstellen, angesichts des massiven Streits mit den USA Nord Stream 2 auf Eis zu legen? Nein, wir sind ein Wirtschaftsunternehmen und halten uns an die geltenden Spielregeln in Europa. Nahezu alle Baugenehmigungen für die neue Ostseepipeline liegen vor. Nur Dänemark fehlt noch. Die Situation hat sich überhaupt nicht geändert. Nur der politische Dialog der USA mit Europa hat sich verändert. Das Projekt hat sich in der Konzeption und der Bedeutung hingegen nicht verändert. Europa braucht die zusätzlichen Kapazitäten durch die neue Ostseepipeline mehr denn je. Denn der Produktionsrückgang von Gas, beispielsweise in Großbritannien oder den Niederlanden, ist schneller gegangen, als wir alle in der Branche erwartet haben.
Vita Rainer Seele
Der Bremerhavener führt seit 2015 den österreichischen Öl- und Gaskonzern OMV. Zuvor war der promovierte Chemiker Vorstandschef der BASF-Tochter Wintershall. Vom Wiener Wirtschaftsmagazin „Trend“ wurde der 58-Jährige zum „Mann des Jahres 2018“ gewählt.
Die Politiknähe ist groß. Die OMV AG ist mehrheitlich im Besitz von Österreich und Abu Dhabi. Der Konzern erzielte zuletzt mit über 20.000 Mitarbeitern mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz. Die OMV pflegt seit Jahrzehnten enge Beziehungen zu der russischen Gazprom.
Nord Stream 2 mit einer Länge von 1 230 Kilometern soll Ende 2019 fertig sein. Unter der Führung von Gazprom finanzieren Wintershall, Uniper, OMV, Shell und Engie das knapp zehn Milliarden Euro teure Projekt mit.
Was passiert im Verhältnis mit den USA, wenn Nord Stream 2 fertiggestellt und in Betrieb geht? Das Signal aus den USA ist doch sehr eindeutig. Es handelt sich um eine Vermischung von Außenpolitik und Wirtschaftspolitik. Die USA haben ein massives Interesse daran, amerikanisches Flüssiggas auf dem europäischen Markt zu platzieren.
Das ist doch eine gute Sache… Europäische Unternehmen sind daran interessiert, auch amerikanisches Flüssiggas für den europäischen und deutschen Markt unter Vertrag zu nehmen, wenn das Gas zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten wird. Der Markt braucht so viele zusätzliche Importmengen, dass es noch genügend Platz für amerikanisches Flüssiggas geben wird…
…aber nur, wenn die Preise für amerikanisches Flüssiggas sinken, oder? Eines ist klar: Neben der Versorgungssicherheit und der Diversifizierung der Lieferungen geht es darum, den Standort Europa wettbewerbsfähig zu halten. Es kann nicht sein, dass wir hierzulande amerikanisches Flüssiggas zu überteuerten Preisen einkaufen und damit unsere energieintensiven Industrien gegenüber der amerikanischen Konkurrenz benachteiligen. Das ist ein Standortsicherungskonzept, das nicht aufgehen kann.
Nord Stream 2 soll Gas direkt von Russland über die Ostsee nach Deutschland transportieren. Der Bau der über 1200 Kilometer langen Trasse hat längst in Deutschland begonnen. Wie kommen die Bauarbeiten in der Ostsee derzeit voran? Es geht zügig voran. Knapp 400 Kilometer sind schon verlegt.
Dänemark hat aber die Trasse als einziges der nordischen Anrainerländer noch nicht genehmigt. Nord Stream 2 beantragte deshalb vorsichtshalber eine Alternativroute. Stellt Dänemark ein Problem dar? Dänemark besitzt ein Rechtsstaatssystem mit klaren Spielregeln. Drei EU-Mitgliedstaaten, nämlich Deutschland, Schweden und Finnland sind von der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit des Projekts überzeugt. Warum sollte Dänemark eine andere Sichtweise haben? Wenn auf der Grundlage von Fakten entschieden wird, erwarte ich die Zustimmung der dänischen Regierung.
Wann wird die neue Ostseepipeline fertig? Laut Planung wird Nord Stream 2 Ende 2019 fertiggestellt werden.
Wie geschlossen treten die beteiligten Konzerne von OMV über die BASF-Tochter Wintershall und Uniper bis hin zu Engie aus Frankreich auf? Ich denke, dass alle Partner von der Wichtigkeit dieses Projektes überzeugt sind.
Die Ukraine, aber auch einige östliche EU-Staaten wie Polen oder die baltischen Staaten wollen das Projekt stoppen. Manövriert sich Europa nicht zu sehr in die Abhängigkeit von russischem Gas? Seit Jahren bemühen wir uns um mehr Diversifikation. Wir setzen auch auf Gas außerhalb von Europa. Die OMV hat beispielsweise im vergangenen Jahr einen Liefervertrag mit Katar abgeschlossen. Doch an zwei Ländern mit den größten Erdgasreserven in direkter Nähe zu Europa kommt man nicht vorbei, das sind Russland und Norwegen.
Was ist mit Nordafrika? Dort haben wir in einigen Ländern eine instabile politische Situation. Die Versorgungssicherheit in Ländern wie Libyen ist aufgrund der Unruhen im Land derzeit eingeschränkt.
Der Markt braucht so viele zusätzliche Importmengen, dass es noch genügend Platz für amerikanisches Flüssiggas geben wird. Rainer Seele – OMV-Chef
Welche Preisentwicklung erwarten Sie beim Gas? Das ist eine Frage des Winters. Im ersten Quartal des vergangenen Jahres stiegen die Preise wegen der niedrigen Temperaturen in Europa. Wenn der Winter wieder hart ausfallen sollte, werden die Preise darauf reagieren. Der Preis in Europa ist eben eine Frage von Angebot und Nachfrage.
Die OMV will künftig ihr Engagement im Gasbereich ausbauen, beispielsweise beim Betanken von Gasautos. Doch von Ihren über 2 000 Tankstellen sind nur 71 Tankstellen für die Gasbetankung überhaupt ausgerüstet. Setzen Sie doch mal die Zahl der Gastankstellen in Relation zu dem Gasfahrzeugen.
Das alte Henne-Ei-Problem bei der Mobilität mit Erdgas oder? Wir sind als OMV bereit, das Tankstellennetz mit Erdgas weiter auszubauen. Denn Erdgas hat aus ökologischen Gründen eine große Zukunft und kann sehr schnell zur Senkung der Kohlendioxidemissionen beitragen. Doch wir brauchen dafür ein klares Bekenntnis der Automobilindustrie zum Treibstoff Erdgas.
Ich wünsche mir, dass die Autokonzerne bei der Mobilität mit Erdgas so engagiert sind wie in der E-Mobilität. Das Gute ist, die Politik ist offen für das Thema. In Deutschland gibt es schließlich eine Steuerbefreiung für Erdgas. Nun müssen die Autoindustrie und die Verbraucher überzeugt werden.
Haben Sie denn Grund, optimistisch zu sein, dass sich die Automobilwirtschaft bei den Erdgasfahrzeugen mehr anstrengt als in den vergangenen Jahrzehnten? Ich sehe den klaren Trend, auf die Klimaproblematik mit neuen Produktionskapazitäten zu reagieren. Wir dürfen nicht monogam in die Zukunft gehen. Der Autofahrer muss zwischen mehreren Antriebs‧arten wählen können. Eine einzige Technologie wäre eine Bevormundung des Verbrauchers.
Was ist mit Wasserstoff? Wasserstoff kann zweifelsohne einen Beitrag in der Mobilität leisten, um die Emissionen zu senken. Japan setzt bereits sehr deutlich auf diese Energie. Deutschland ist in der Forschung vorne. Darauf kann man aufbauen. Wir bereiten uns vor, gemeinsam mit der Autoindustrie eine Alternative bieten zu können.
Beim Klimagipfel in Kattowitz wird Gas im gleichen Atemzug wie Kohle genannt. Warum wird die Energiequelle Gas quasi dämonisiert? Ich bedauere das. Nicht jede fossile Energiequelle ist aus ökologischen Gründen ablehnungswert. Wir sollten auf Erdgas setzen in allen Sektoren – von der Mobilität über den Wärmemarkt bis zur Stromerzeugung. Es ist das sauberste Produkt, das wir anbieten können, um die Grundversorgung mit Energie auch künftig sicherzustellen.
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